Binnen- oder Weltmarkt?

Landwirtschaft

Russlands Politik stellt Weltmarktorientierung erneut in Frage

Russlands Importverbot für europäische Nahrungsmittel stellt die Frage nach einer Binnen- oder Weltmarktorientierung der Agrarwirtschaft neu. Die Antwort allerdings gibt es nicht. Vor allem Deutschland hat in den letzten Jahren viele Hemmnisse beim Export nach Russland hinnehmen müssen und sich bereits einrichten können. Daher bezeichnet Friedhelm Schneider, Präsident des hessischen Bauernverbandes, die neue Agrarpolitik Russlands auch eher als Dämpfer und nicht als Krise.

„Mit dem Apfel in der Hand“

Kurzfristig bleibt die Frage, wohin mit den Exporten, die jetzt umgeleitet werden müssen. Österreich hat in den letzten Jahren die Geschäftsbeziehungen zu Russland kontinuierlich ausgebaut und ist jetzt härter als Deutschland betroffen. Hermann Schultes, Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, fordert: „Täglich ein Apfel mehr aus Österreich wäre ein wirksames Mittel der Menschen gegen Russlands Importstopp“. Und außerdem gesund. „Der Apfel in der Hand wirkt besser gegen Putin als die Faust im Sack.“

„Made in Germany“

Die Versuchung ist groß, die Exportorientierung der deutschen Agrarwirtschaft zu kritisieren. Aber einfach ist die Binnenmarktorientierung auch nicht. Europa ist der einzige schrumpfende Kontinent. Der demografische Wandel in Deutschland wird die Zahl der Bundesbürger deutlich um mehrere Millionen senken. Schneider weist darauf hin, dass 80 Prozent der Agrarexporte innerhalb der EU bleiben und neben Russland auch die USA und China im Fokus stehen. „An den Weltagrarmärkten stehen die Zeichen grundsätzlich auf Wachstum. Mehr Menschen können sich bessere Lebensmittel leisten. Dabei genießt „Made in Germany“ auch für unsere Lebensmittel weltweit einen guten Ruf“, sagt Schneider.

Obst und Gemüse

Das Bundeslandwirtschaftsministerium sieht durch den Boykott Russland derzeit vor allem den Obst- und Gemüsemarkt betroffen. Des Weiteren müssen sich auch die Milch- und Fleischindustrie Gedanken machen. Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt begrüßte die europäischen Maßnahmen zur Marktstabilisierung [1]. Noch vor dem EU-Agrarministertreffen will sich Schmidt im Rahmen des so genannten „Weimarer Dreiecks“ am 02. September mit seinem französischen und polnischen Amtskollegen treffen.

Nicht nur Putins Schuhe

Schmidt verweist auf eine heikle Angelegenheit: „„Es kann nicht der Anspruch sein, alle Marktveränderungen zu glätten, deren Ursprung möglicherweise gar nicht im Putinschen Embargo liegen. Dies würde die Europäische Union, die Haushaltsmittel und die Mitgliedsländer überfordern“. Die Niederländer haben beispielsweise den Preisverfall für Paprika eindeutig im Überangebot und nachlassender Nachfrage in der Reisezeit ausgemacht. An diesen niedrigen Preisen ist Putin nicht schuld.

Lesestoff:

[1] Erste EU-Marktmaßnahmen

Roland Krieg

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