+++ 14:00 Uhr +++ Bio sucht die Next Generation

Landwirtschaft

Selten so viel Zukunft auf der BioFach

BioFach 2018

Mit 3.218 Ausstellern aus 93 Ländern ist heute in Nürnberg die BioFach gestartet. Die Rekordmarke von 3.000 wurde im Messedoppel BioFach und Vivaness deutlich übertroffen. Mit den Hallen 8 und 4a wurden für die Weltleitmesse des Ökoanbaus zwei neue Hallen ausgefüllt. Bis zum Samstag werden rund 50.000 Fachbesucher aus aller Welt erwartet.

Die jungen Bios

Insgesamt werden 900 Produktneuheiten auf der Messe vorgestellt und mit Myanmar und Togo haben gleich zwei Länder ihre Premiere. Das Schwerpunktthema ist die nächste Generation. 25 Prozent der Start-ups im Foodbereich kommen aus dem Biobereich, in den Städten Berlin, Hamburg und Köln haben sich Ernährungsräte gebildet, die eine engere Beziehung zwischen Städtern und Landwirten herstellen möchten. Diese neue „Bewegung“ wird durch junge Menschen geprägt, die sich deutlich von den Biopionieren unterscheiden. Der Ökolandbau hatte zunächst nur die Bodenverbesserung im Sinn – mittlerweile ist es eine ganze Lebensweise geworden. Die Pioniere wollten unverfälschte Lebensmittel meist ohne Verarbeitung. Seit zehn Jahren hält Convenience Einzug in den Biobereich. Doch gehört die Pizza zum Biobereich?

Für Markus Arbenz von IFOAM Organics International zählt die Motivation. Die junge Generation wird selbst entscheiden, was Bio ist und was nicht. Authentizität, die Nähe zum Landwirt und eine Beziehung zum Produkt verbindet die Next Generation mit den Pionieren. Was deren politisches Programm ist, welche neuen Ideen die neuen Köpfe haben und wie „die alten Ziele“ mit „neuen Strategien umgesetzt“ werden, soll auf dem begleitenden Fachprogramm in zahlreichen Workshops und Seminaren erörtert werden.

Etwas schwieriger sieht es auf der praktischen Seite der landwirtschaftlichen Betriebe aus. Auch die Biobetriebe leiden unter Überalterung und müssen Nachfolger finden. Das sieht Arbenz gegenüber Herd-und-Hof.de mit Sorgen. Aber weniger für den Biobereich. Denn die Vielfalt der Krisen in den letzten Jahren führt zu immer mehr Umstellungen auf die Ökoproduktion. Die Politik müsse den Trend mit Rahmenbedingungen fördern. Neben Junglandwirteprogrammen sollte der Landerwerb als Pacht oder Kauf gezielt gefördert werden. Ökobetriebe, aber auch kleine konventionelle Betriebe, scheitern bei ihrem Wachstum oft an überhöhten Bodenpreisen.

Bio wächst

Im letzten Jahr stellten pro Tag durchschnittlich fünf Landwirte eine Landfläche in der Größenordnung von 500 Fußballfeldern auf Bio um, kommentierte Peter Röhrig vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) bei der Präsentation der neuesten Zahlen der Bio-Branche. Gegenüber dem Vorjahr wuchs die Fläche um 124.647 ha auf 1,375 Millionen ha und damit auf einen Anteil von 8,2 Prozent. Mit 10,9 Prozent der deutschen Betriebe wirtschaftet jetzt jeder zehnte Hof ökologisch.

Auf dieser Grundlage hat die Wertschöpfungskette erstmals die zehn Milliarden Euro Umsatz geknackt. Der Naturkostfachhandel hat seinen Umsatz um 2,2 Prozent steigern können und erzielte 5,93 Milliarden Euro. Doch darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass vor allem die Discounter mit einem immer breiteren Sortiment aufholen und zusammen mit den Vollsortimentern schon einen Anteil von 41 Prozent am Biomarkt haben.

Felix Prinz zu Löwenstein

Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand vom BÖLW, sieht die Ursachen nicht nur beim steigenden Gesundheitsbewusstsein der Konsumenten, sondern auch in den günstiger gewordenen Rahmenbedingungen der Bundesländer bei der Umstellung auf Öko. Nachholbedarf sieht Löwenstein bei der Bundespolitik, die im Koalitionsvertrag einen Anteil von 20 Prozent an der Landwirtschaft bis 2030 erreichen will. Dafür aber müsste die Branche jährlich um acht Prozent wachsen. Auch bei der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) setzt Löwenstein auf eine stärkere Betonung der Umweltleistungen, damit die Branche weiter wachsen kann.

Attraktiver Markt

Im Detail setzt sich das Biowachstum „endlich“ auch auf dem Ackerland um. Den größten Beitrag haben die Bio-Milchbetriebe durch den steigenden Anbau eigenen Futters geleistet. Unter den reinen Ackerbaubetrieben gibt es trotz wachsender Nachfrage hingegen keine Ausdehnung.

Nach der Milch entkoppeln sich nahezu alle Bio-Preise vom konventionellen Niveau und verweilen auf einem höheren Erzeugerpreislevel. Nur bei Kartoffeln lagen die Preise unter dem Vorjahr. Das ist das Ergebnis eines nachfragegetriebenen Marktes, bei dem Landwirte langfristige Abnahmeverträge abschließen können.

In der Milchkrise 2015/2016 stiegen viele Bauern auf Öko um. Zum Teil, ohne Abnahmegarantien von Molkereien. Damals gab es die Befürchtung, dass nach der Umstellung zu viel Bio-Milch für einen Preiseinbruch sorgt. Das traf nicht ein. Von Januar bis November 2017 lag der Bio-Milchpreis bei durchschnittlich 48,7 Ct/kg. Seit Januar liefern die Bauern 15,5 Prozent mehr Bio-Milch an die Molkereien. Der Marktanteil kratzte an der drei-Prozent-Marke und der Markt hat die Mehrmenge ohne Probleme aufgenommen. Die Anlieferung 2018 könnte erstmals mehr als eine Milliarde Kilo betragen. Molkereien nehmen längst nicht mehr alle umstellungsinteressierten Landwirte auf. „Maß halten“ lautet die Devise für alle Marktbeteiligten im Jahr 2018.

Natürlich schön

Bio ist längst nicht nur Essen und Trinken. Die Vivaness bietet alles, was natürlich schön macht. Der weltweite Kosmetikmarkt erzielt einen Umsatz von 240 bis 250 Milliarden US-Dollar. Der für Naturkosmetik beläuft sich auf acht bis 20 Milliarden US-Dollar. In der EU erzielt die konventionelle Kosmetik einen Umsatz von 77 Milliarden US-Dollar. Von den zwei Milliarden US-Dollar für Naturkosmetik entfallen allein auf Deutschland 1,2 Milliarden.

Der Markt hat sich komplett gewandelt, berichtet Elfriede Dambacher von naturkosmetik konzepte. Bio-Kosmetik ist ein strategisches Sortiment geworden. Der Handel kann es sich nicht mehr leisten, nur ein bis zwei Produkte zusätzlich und nebenher mitlaufen zu lassen. Mehr Menschen kaufen mehr Kosmetik, doch der Umsatz steigt nicht entsprechend. Die Großfläche steht erheblich unter Druck und hält die Preise klein.

Roland Krieg; Fotos: Nuernberg Messe / Frank Boxler und Thomas Geiger

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