Bio von Anfang an…

Landwirtschaft

Öko-Tierzucht wird ein Experiment

Eine Sonderausstellung auf der BioFach 2018 läuft unter dem Thema „Bio von Anfang an…“. Nutztiere auf Ökohöfen stammen aus konventionellen Zuchtlinien, die in den letzten Dekaden auf Hochleistung selektiert wurden. Seitdem aus der Biolandwirtschaft ein ökologischer und nachhhaltiger Lifestyle wurde, rückt das Thema Züchtung in der Biobranche in den Vordergrund. Nicht nur die Frage nach den Züchtungstechniken, sondern auch die Herkunft der Tiere wird entscheidend für den Erfolg der Biobranche sein. Konsumenten stellen sich unter der Haltung von Ökotieren zwar artgerechte Ställe, vielleicht auch eine artgerechte Fütterung vor – doch das die allermeisten Tiere aus der konventionellen Züchtung stammen, wissen die allerwenigsten.

Ökozüchtung nur im Rinderbereich

Im Pflanzenbereich wird die Herkunft eher thematisiert. Samenfeste Sorten alter Landrassen mit lokaler Anpassung sind bei Züchtern im Programm verankert. Mittlerweile kommen immer neue Ökosorten hinzu [1]. In der Nutztierhaltung ist die Branche noch kaum über einen Ansatz hinweggekommen. In der Rinderhaltung liegt die Züchtung noch meist in der Hand der Milchbauern, da sie über eigene Bullen oder der künstlichen Besamung die Herde selbst zusammen setzen können. Im Schweinebereich sind es nur wenige Pioniere, die ihre Jungsauen selbst züchten. Da gibt es im konventionellen Bereich ebenfalls erste Ansätze, von den Hybriden der Zuchtverbände wegzukommen.

Am weitesten fortgeschritten ist der Gedanke einer Ökozüchtung bei den Hühnern. Die Erkenntnis der Öffentlichkeit, dass männliche Küken der Legelinien geschreddert werden hat vor allem in der Biobranche mit der Forcierung eines Zweinutzungshuhn oder der Bruderhahn-Initiative Pilotprojekte hervorgebracht [2]. Ob das schon eine eigene Öko-Züchtung ist, darüber scheiden sich die Geister. Die Ausgangslinien entstammen alle den konventionellen Zuchtrassen. Ziel ist bei Pflanze und Tier, Getreide und Schweine, Zuckerrüben und Hühner lediglich aus ökologischer Zucht zu nutzen.

Kräfte bündeln

Bioland und Demeter haben 2015 mit der Ökologischen Tierzucht GmbH eine eigene Züchtungsorganisation gegründet [3]. Die finanziert sich unter anderem über einen Cent, den Verbraucher bei Kauf eines Bio-Eis mit bezahlen. Geschäftsführerin Inga Günther erläutert auf der BioFach, warum eigene Biotiere besser sind als konventionelle Tiere im Ökomanagement.

Die konventionellen Legehennen haben kleine Mägen, damit sie konzentriertes Futter effizient umsetzen können. Werden diese Tiere auf einem Ökohof gehalten und sollen sich auf einer Luzernewiese ernähren, so können sie gar nicht so viel Futter aufnehmen wie sie bräuchten. Luzerne als Rauhfutter braucht viel mehr Platz im Magen als konzentriertes Kraftfutter aus Getreide. Was für konventionelle Betriebe mit Hennen und ihren konventionellen Mägen wirtschaftlich wertvoll ist, führt im Ökobetrieb zu einer Unterversorgung. Ökobetriebe mit Weidezugang für Legehennen brauchen Ökohennen mit großen Mägen. Und die müssen erst noch gezüchtet werden.

Konventionelle Hennen trauen sich auch nicht vom Stall weg. Das Huhn als Waldbewohner braucht sowieso Deckung im Gelände, aber das Wesen der Stallhühner scheint doch eher ängstlicher Natur zu sein, sagt Stephanie Strotdress, Geschäftsführerin von Bioland und Geflügelhalterin. Ökotiere würden in der Züchtung ein anderes Wesen erhalten und sich auch vom Mobilstall wegbewegen.

Neu – Kein Weg zurück

Aus diesem Grund haben die beiden Verbände ihre Kräfte gebündelt erläuterte Dr. Alexander Gerber von Demeter [3]. „Mit der eigenen Züchtung wird die Qualität der Lebensmittel festgelegt“. Bio geht damit den nächsten Schritt weg von einheitlichen Pflanzen und Tieren, die weltweit in einheitlichen Ställen und bei einheitlicher Technik genutzt würden.

Die Ökozüchtung, das darf nicht vergessen werden, ist kein Zurück. Rassegeflügel aus dem 19. und 20. Jahrhundert war schon auf hohe Legeleistung selektiert. Wenn heute Ökotiere eigens gezüchtet werden sollen, gibt es kein Vorbild. Hilfreich sind beispielsweise Wirtschaftsuntersuchungen. So erzielten in einer Region Öko-Milchrinder mit einer Leistung von 5.500 kg den gleichen Deckungsbeitrag wie eine konventionelle Milchkuh mit 8.000 kg. Damit sind dann alle anderen Kosten wie Technikaufwand und Arbeitserledigung mit einberechnet.

Es müssten also neue Züchtungsziele definiert werden. „Robustheit“ wird von Verbrauchern zwar gerne als Wunschkriterium für ein Ökotier genannt, ist aber kein Züchtungsziel. Ziele, auf die Züchter hinarbeiten können sind im Geflügelbereich beispielsweise drei Kilo Lebendgewicht nach 16 bis 18 Wochen bei zwei Kilo Ausschlachtung. Oder 240 Eier auf der Grundlage von Biofutter. Auf welche Parameter ein Zweinutzungshuhn gezüchtet werden soll ist noch offen. „Da wird in der Branche viel diskutiert“, erläutert Günther gegenüber Herd-und-Hof.de. Daher arbeitet die Ökologische Tierzucht GmbH mit Verbänden und Praktikern zusammen. Derzeit werden Einzeltierdaten erhoben, damit überhaupt erste Daten als Basis für eine Zucht vorhanden sind. Gerber fasst wie folgt es zusammen: „Wir sind eigentlich ein Start-up!“

Lesestoff:

[1] Brokkoli-Linien für den Ökolandbau: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/brokkoli-linien-fuer-den-oekolandbau.html

[2] Wo bleibt das Zweinutzungshuhn? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wo-bleibt-das-zweinutzungshuhn.html

[3] Bioland und Demeter züchten gemeinsam: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/bioland-und-demeter-zuechten-gemeinsam.html

Roland Krieg

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