Biodivers essen, gesunde Landschaft
Landwirtschaft
Biodiversität und Landwirtschaft
Der 22. Mai als Tag der biologischen Vielfalt fällt in diesem Jahr mit der Naturschutzkonferenz zur biologischen Vielfalt zusammen. Das Motto in diesem Jahr: „Biodiversität und Landwirtschaft“.
Artenzahl oder Artenfitness
„Artenvielfalt ist Lebensqualität“ heißt ein Begriff aus den 1970er Jahren. Mit der Biodiversitätskonvention von 1992 rückt der Begriff „Biodiversität“ in das öffentliche Interesse. Es gibt allerdings bei der Begrifflichkeit ein emotionales Problem: Der Schilfgürtel eines Sees gilt als ästhetische Struktur einer Landschaft – ist biologisch gesehen jedoch Artenarm wie ein Getreidefeld. Die Bewirtschaftung des Landes, also die Landwirtschaft ist immer ein Eingriff in die Natur gewesen; mit Auswirkungen auf die Arten, negativ, wie aber auch positiv.
Nach Angaben des WWF ist die biologische Vielfalt in den letzten 35 Jahren um rund ein Drittel gesunken. Alleine die Wirbeltiere sind von 1970 bis 2005 um 27 Prozent zurückgegangen. Derzeit mache das Artensterben allerdings „eine kurze Atempause“, so der WWF.
Alternative Definitionsansätze gehen von tierökologischen Parametern aus. Ziel ist dabei die Entwicklung eines naturtypischen Lebensraum. Für die einzelne Art sind dann die Parameter Aktivitätsdichte, Präsenz, Größe und Gewicht sowie die Wachstumsrate entscheidend.
Für die Zoonönosen, dem Wirkungsgefüge aller Tierarten, spielt die Biodiversität eine von mehreren Rollen. Die Weiteren sind das Räuber-Beute-Verhältnis, der Anteil gefährdeter Arten oder die Biomasse entscheidend. Bei diesen Ansätzen wird die „Fitness“ als Bewertungsparameter angesehen, also wie sich eine gesunde Art ausreichend für ihren Bestand fortpflanzt.
Die Biodiversitätskonferenz bestimmt die Vielfalt des Lebens mittlerweile noch weiter und beizieht die Vielfalt der Landschaft und Ökosysteme mit ein.
Vorgespielte Vielfalt
Im modernen Supermarkt spiegelt die Warenwelt uns eine Vielfalt vor, die gar nicht gegeben ist. Immer neue Produkte gibt es auf dem Markt. Doch von den rund 7.000 Pflanzen- und tausenden von Tierarten, die in der Vergangenheit der menschlichen Ernährung dienten, sind es in einigen Regionen nur rund 200 die Verwendung finden. In vielen Teilen der Welt stellen sogar nur 20 Pflanzenarten 90 Prozent der Nährstoffe, die wir zu uns nehmen. Warum also nicht über die Erweiterung der Biodiversität auf unserem Teller die Vielfalt der Land- und Landwirtschaft erhalten?
Landnutzung und Speiseplan
Das Programm für ländliche Ökonomie und Landnutzung in England hat 2003 eine interdisziplinäre Forschung etabliert, dass die biodiverse Beziehung zwischen Landnutzung und Nahrungsvielfalt untersucht. Vor allem im Hinblick auf die Förderung gesunder Ernährungsstile und der Förderung des Obst und Gemüseverzehrs.
Einige der ersten Ergebnisse zeigten, dass bei einer Reduktion von Molkereiprodukten speziell in Südwest- und Ostengland die Milchproduktion deutlich zurückgehen würde. Dort würden extensiv gehaltene Rinder- und Schafherden beginnen, die Landschaft zu verändern. Reduzierten die Verbraucher ihren Fleischverzehr, träfe es die Rinderhaltung in England schwer. Gerade die höher gelegenen marginalen Produktionsflächen fielen brach und die Betriebe müssten dort Arbeitskräfte freisetzen. Ungelöst bleiben die Auswirkungen, würden die Menschen mehr Fisch verzehren. Angesichts überfischter Meere: akzeptierten gesundheitsbewusste Verbraucher Aquakulturen, die mehrheitlich in schlechtem ökologischen Ruf stehen?
Hinter diesen Optionen steht nach Angaben der britischen Forscher das Paradoxon „Verhaltensänderung“ und „Wahlfreiheit“. Die Aufgabe der Politik läge darin, die richtige Balance zu finden, Menschen zu gesunder Ernährung zu bewegen, aber ihnen nicht die Freiheit der Produktwahl zu nehmen.
Fleisch von Rindern, die auf extensiven und artenreichen Wiesen gehalten werden, weisen gesündere Fettsäuremuster auf. Gemüse, dass unter UV-durchlässigen Folien gewachsen ist, hat mehr Nährstoffe, als unter herkömmlichen Folien herangewachsen. Beide Produkte sind aber teurer.
Eine Lösung könnte darin liegen, gesündere Produkte steuerlich zu begünstigen. Frances Rowe aus dem Forscherteam „Eating Biodiversity“: „Wenn ernährungsphysiologisch bessere Nahrungsmittel in einem umweltfreundlichem System produziert werden, die auch noch besser für die Gesundheit, aber schwerer zu bekommen sind - weil sie nicht in den Supermärkten ausliegen und teurer sind - was bedeutet das für die Menschen mit geringerem Einkommen? Wo liegt da die Fairness? Vielleicht liegt die Antwort darin, gesündere Lebensmittel für alle verfügbar zu machen.“
Vielfalt aus vielen Ländern
Bauern erhalten viel Ratschläge, wie sie ihre Betriebe diversifizieren. Auch die britischen Farmer suchen außerhalb der Landwirtschaft zusätzliche Einkommen. Vorzugsweise im Landtourismus. Das Diversitätsteam der Landforscher schlägt hingegen vor, innerhalb des Agrarsektors nach Alternativen zu suchen. Die Lämmer von den Salzwiesen dienen als bestes Beispiel, mit neuen Produkten sogar noch beste Qualitätsprodukte anzubieten. Ein Forschungsprojekt widmet sich der Wieder-Erschließung traditioneller Lebensmittel. Warum sollte dann in Schleswig-Holstein nicht die Ochsenmast wieder Einzug halten können?
Gareth Edwards-Jones vom Projekt regionale Lebensmittel muss aber auch manche romantische Vorstellungen der Verbraucher aufbrechen. Emotional eng verknüpft sind die guten Eigenschaften regionaler Lebensmittel mit dem Begriff der Biodiversität. Allerdings sehen die Wissenschaftler das differenzierter, wenn sie auch den Klimawandel einbeziehen. Regionale das ganze Jahr hindurch verfügbare Lebensmittel, könnten die schlechtere Klimaalternative sein. Englischer Salat ist für die Sommermonate die beste Wahl: Regional und klimafreundlich. Für die früheren und spätern Saisonzeiten hingegen schlügen die Energiekosten der Treibhäuser negativer zu Buche als der Frischimport aus Spanien. Edward-Jones´ Frage, ob wir während der Wintermonate wirklich Tomaten essen müssten...? Liegt die Antwort in der Landwirtschaft oder beim Verbraucher?
Lesestoff:
Das Rural Economy and Land Use Programm (Relu) ist eine von der britischen Forschungsgesellschaft mit 24 Millionen Pfund finanzierte interdisziplinäre Forschungsgruppe. Die drei wichtigsten Aufgabenfelder sind:
Können wir über eine bestimmte Landnutzung unsere Nahrung gesünder und sicherer machen?
Können Verbraucher der Umwelt helfen?
Ist ein gesunder und umweltfreundlicher Speiseplan mit innovativem und nachhaltigem Geschäft vereinbar? www.relu.ac.uk
Die Bonner Biodiversitätskonferenz können sie unter www.cbd.int besuchen.
Roland Krieg