Biodiversitätsforschung

Landwirtschaft

Meilensteine zur Nachhaltigkeit

>„Biodiversität ist eine Schlüsselressource“, so Dr. Helge Braun, Parlamentarischer Staatsekretär des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), am Montag auf der Berliner Abschlusstagung „Biolog“ – Forschung zur Biodiversität. Zehn Jahre multidisziplinäre Forschung liegt hinter den Akteuren, die „absoluten Grundlagen für die Umsetzung der Biodiversitätsstrategie“ erarbeitet haben, so Dr. Else Nickel aus dem Bundesumweltministerium. Das Projekt Biolog habe gezeigt, dass mehr umsetzungsorientiert gearbeitet werden müsse, was derzeit oft noch zu wenig beachtet werde, „Es kann nicht anwendungsorientiert genug sein,“ so Dr. Nickel in der Pressekonferenz.

Noch einiges im Argen
Für Dr. Braun liegt noch einiges im Argen. Erst komme das Baugebiet, dann die Erdkröte, erst der Gewerbepark, dann der Wachtelkönig: „Der Wert der Biodiversität muss in unser tägliches Leben und Wirtschaften integriert werden.“ Die Artenvielfalt sei nicht nur ein Umweltthema, sondern spreche von der Landwirtschaft über die Verkehrspolitik bis zur Entwicklungspolitik viele Handelungsfelder an.
Mit den Ergebnissen von „Biolog“ hat die deutsche Präsidentschaft der UN-Konvention zur biologischen Vielfalt (CBD) den Japanern eine inhaltsreiche Vorlage gegeben. Im Oktober 2010 wird Japan die Präsidentschaft übernehmen und Daizuburo Kuroda aus dem japanischen Umweltministerium versprach, die Inhalte weiter zuführen und die Brücke zwischen Wissenschaft und Politik zu verbessern.

BY: 19 Millionen für AUM
Im Jahr 2009 hat das bayerische Landwirtschaftsministerium rund 167 Millionen Euro für AUM ausgegeben. Die Hilfe erreichte 58.000 Landwirte, so das Ministerium am Montag. Mehr als 9.000 Betriebe erhielten 7,2 Millionen Euro Weideprämie, rund 2.000 Betriebe erhielten etwa drei Millionen Euro für die umweltschonende Ausbringung von Wirtschaftsdünger im Injektionsverfahren und für die Maßnahme Winterbegrünung bekamen 8.600 Betriebe etwa 4,35 Millionen Euro.

Biodiversität in der Landwirtschaft
Die Forschung hat gezeigt, dass der Beitrag zur Biodiversität keine primäre Frage zwischen Ökolandbau und konventioneller Landbewirtschaftung ist. „Konventionell bewirtschaftete Flächen können ebenfalls einen hohen Artenreichtum hervorbringen, wenn die umgebende Landschaft komplexe Strukturen wie Feldränder aufweist.“
Im Wesentlichen geht es um die Honorierung der gesellschaftlichen Leistungen. Im Rahmen der Forschung habe das Modell „Bioplex“ gezeigt, dass es Alternativen zu verwaltungsintensiven Agrarumweltmaßnahmen geben kann. Ein regionales Gremium aus Landwirtschaftskammer, Naturschutzbehörde und Grundeigentümer übt dabei die Nachfrage nach dem „ökologischen Gut“ aus. Bei einer öffentlichen Auktion kann der Landwirt ein Angebot für eine konkrete Maßnahme abgeben. Der günstigste Bieter erhält den Zuschlag und sobald die versprochene Artenvielfalt erreicht ist auch den vereinbarten Preis. In Northeim hat ein entsprechendes Ausschreibungsverfahren mit 77 Prozent Zustimmung eine hohe öffentliche Resonanz gefunden. Auch Landwirte sind nach Aussagen von Biolog-Koordinator Prof. Dr. Volkmar Wolters von der Justus-Liebig-Universität Gießen bereit, sich an den Ausschreibungen zu beteiligen.
Konkret wirken auf Grünland eine geringe Beweidung und niedrige Stickstoffdüngung positiv auf die Artenzahl. Auf Ackerflächen sind es Fruchtfolgen und minimierter Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.
Allerdings braucht die Biodiversität neue Maßeinheiten. Nicht die Zahl der verschiedenen Tiere und Pflanzen zeichnet ein funktionierendes System aus, sondern der Aufbau von Nahrungsnetzen, Das neue Bewertungssystem bezieht sich auf enge Beziehungen zwischen Pflanzen, spezialisierten pflanzenfressenden Insekten und deren Gegenspieler, den Räubern. Weil der Rotklee an vielen Standorten wächst, eignet er sich besonders als Bezugspflanze.
Agrarumweltmaßnahmen (AUM) reichen nach Angaben der Wissenschaftler nicht aus. Oft sind aber auch die komplexen und regional spezifischen Wirkmechanismen zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Prozessen noch nicht erforscht. Für Landwirte rechneten sich solche Maßnahmen häufig nur, wenn sie auf Böden durchgeführt würden, die landwirtschaftlich keine hohen Erträge abwerfen. An solchen Standorten sei die Biodiversität aber sowieso schon recht hoch.

Ziele
Biolog hat verschiedene Ziele herausgearbeitet. Zum einen könne die Biodiversität nur ausreichend geschützt werden, wenn der Anteil naturnaher Flächen in der Kulturlandschaft 20 Prozent beträgt. Bei Pflanz- und saatgut sollten gebietsheimische Sorten bevorzugt werden und das Ausschreibungsmodell Bioplex ist ein „marktorientierte und kosteneffizienter Ansatz zur Vergabe von Agrarumweltmaßnahmen“.

Die Vertragsstaaten der UN-Konvention über die biologische Vielfalt (CBD) sind einem weltweiten Abkommen gegen Biopiraterie einen entscheidenden Schritt näher gekommen. Im kolumbischen Cali einigten sich die Vertreter der 194 Länder erstmals auf eine gemeinsame Verhandlungsgrundlage für ein „Internationales Protokoll zum Zugang zu genetischen Ressourcen und zum gerechten Vorteilsausgleich“. Das soll den sowohl den Zugang zu genetischen Ressourcen als auch die Gewinnverteilung bei der wirtschaftlichen Nutzung regeln, teilten das Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium mit.
Dabei akzeptierten erstmals alle Vertragspartner einen gemeinsamen Textentwurf als Basis für die entscheidenden Verhandlungen im Oktober 2010 in Nagoya (Japan). Zuvor wird es noch eine zusätzliche Verhandlungsrunde am Sitz des CBD-Sekretariats in Montreal (Kanada) geben.

Agrarpolitik
Die Agrarpolitik steht vor einem Umbruch. Generell steht das Säulenprogramm auf dem Prüfstand, bei dem die Biodiversität noch keinen festen Platz gefunden hat. Sie kann in den AUM der ersten Säule, aber auch in der zweiten Säule für den ländlichen Raum realisiert werden. Dr. Braun vermochte gegenüber Herd-und-Hof.de nicht sagen, wohin die Reise geht. „Wir müssen zunächst die finanzielle Vorschau abwarten.“ Wohl aber werde der Nachfolger von „Biolog“, das Programm „Klima, Erde, Umwelt“ das Thema nachhaltiges Wirtschaften auf die europäische Ebene bringen. Über diesen Umweg wird wohl dann auch die Agrarpolitik beeinflusst.

Lesestoff:
www.biodiversity.de
TEEB hat im letzten Jahr einen ersten Bericht vorgestellt, der die Honorierung der öffentlichen Güter einmal genau beziffert hat. Dr. Nickel aus dem BMU sagte in Berlin, dass TEEB ein deutliches Signal für Biodiversität gesetzt hat.
Naturschutzverbände stellen sich Finanzierungsmodelle vor, die das gegenwärtige Säulenmodell ersetzen könnten.
Roland Krieg

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