Bioenergie im Kreuzfeuer
Landwirtschaft
„Agrosprit“ kein Hauptschuldiger
Die Energiewende ist so komplex, dass immer Einwände zu formulieren sind. Die Studie der Leopoldina [1] zur Biomasse hat ausführliche Gegenreden hervorgebracht [2] und zieht weitere Kreise.
Der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbandes, Dr. Helmut Born, hat am Donnerstag der Leopoldina-Empfehlung, den Ausbau der Bioenergienutzung zu verringern, nicht zugestimmt. „Aus unserer Sicht kann die Bioenergie sehr wohl in den einzelnen Segmenten Elektrizität, Wärme und Verkehr einen zwar begrenzten, aber durchaus wachsenden Beitrag leisten, ohne andere Ziele der Ökologie oder der Nahrungsmittelsicherheit in Frage zu stellen.“ Born verweist auf das weite Geflecht der arbeitsteiligen Landwirtschaft, das „weitverteilte Material- und Energieströme“ hervorbringe. Born hat in einem Brief an die Leopoldina mitgeteilt, er könne nicht nachvollziehen, „warum ausgerechnet aus naturwissenschaftlicher Sicht die Rest- und Abfallstoffe in der Bioenergieförderung politisch privilegiert und „normale“ nachwachsende Rohstoffe politisch diskriminiert werden sollen“. So entstehe bei der Biodieselgewinnung aus Raps auch das eiweißreiche Futtermittel Rapsschrot, das jedoch in der Treibhausgasbilanz dem Heizwert nachrangig bewertet werde. Beschwert hat sich Dr. Born auch über die „plakative Überschriften“.
Preishoch hat viele Ursachen
Thilo Hoppe, Sprecher für Welternährung bei Bündnis 90/Die Grünen, wirft Dirk Niebel vor, sich lediglich auf einen preistreibenden Moment zu stürzen und andere außer Acht zu lassen. Die weitaus größere Konkurrenz bestehe zwischen Teller und Trog. „Weltweit werden rund dein Drittel der Ackerflächen für die Fleischproduktion benötigt“, sagte Hoppe am Donnerstag. Vor allem die Tierhaltung in Deutschland verbrauche Futtermittel, die woanders angebaut werden müssten. Ebenfalls verschweige Niebel die Rolle der Spekulanten, die an der Börse die Preise treiben. Die Lösung liege vor allem bei den lokalen Regierungen, die in den betroffenen Regionen die lokale Landwirtschaft fördern müssen. Ebenso bedarf es sozialer Sicherungssysteme und eines gerechten Welthandelssystems.“
NGOs unterstützen Niebel
MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel begrüßt Niebels Vorstoß: „Dass auch die EU-Staaten mit der Beimischungspolitik künstlich die bestehende Lebensmittelknappheit dramatisch verschärfen, ist angesichts der drohenden Hungerkrise durch nichts mehr zu rechtfertigen.“ Spiegel weist auch drauf hin, dass es energiepolitisch wirksamere Instrumente gibt: Dazu gehöre der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, angepasste Stadtplanung, Tempolimits und Verbrauchsoberwerte sowie die Forcierung der Elektromobilität.
Mut spricht auch Roman Herre, Agrarreferent von FIAN, Dirk Niebel zu: „Ein Verzicht auf E10 und E5 hätte deshalb eine wichtige Signalwirkung, auch für Spekulanten, die mit Nahrungsmitteln zocken.“ Den Gegenwind von der Biokraftstoffindustrie hält Herre für Augenwischerei. Herre rechnet vor, dass der Rapsanbau für die Bewertung der Auswirkungen von Biodiesel in Deutschland oft vergessen werde.
Virtuelle Reserve und Ernteverluste
Am Rande der Jahrespressekonferenz des Verbandes Deutscher Mühlen sprach Herd-und-Hof.de mit VDM-Vorsitzenden Hans-Christoph Erling über das Thema. Erling kritisiert die Biokraftstoffe ebenfalls, weil sie die Rohstoffbasis der Mühlen verkleinerten. Er gibt aber der Empfehlung der Leopoldina Recht, Biokraftstoffe im Rahmen der Koppelproduktion aus pflanzlichen Reststoffen zu produzieren. Vor zwei Jahren hat der Bonner Agrarökonom Joachim von Braun eine virtuelle Getreidereserve vorgeschlagen, die wie eine Zentralbank die Spitzen der Preisvolatilitäten brechen könnte [4]. Trotz erstem Angebot aus der Ukraine im letzten Jahr hat Erling Zweifel, dass so ein Ausgleich zu finanzieren und zu realisieren sei.
Der VDM bezieht sich in seiner Kritik auf Deutschland. Weltweit schmälern statt des Biosprits jedoch die Ernte- und Nachernteverluste in Höhe bis zu 30 Prozent die Rohstoffbasis für Lebens- und Futtermittel.
Die Forschung geht weiter
Die Bundesanstalt für Materialforschung (BAM) hat am Donnerstag mitgeteilt, dass Autofahrer mit dem Bio-Motoröl PAG Sprit sparen können. Polyalkylenglykol (PAG) kann den Ausstoß von Kohlendioxid je gefahrenen Kilometer um fünf Gramm senken, was den künftigen CO2-Emissionszielen der EU entgegenkomme. Ab 2015 dürfen Neuwagen nicht mehr als 130 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer ausstoßen, PAG könnte 2016 auf den Markt kommen. Es könnten ebenfalls bis zu einer Milliarde Liter Benzin in Deutschland bei gleicher Fahrleistung eingespart werden. Polyalkylenglykol wurde bereits im Zweiten Weltkrieg bei Flugzeugen und später in der Formel 1 eingesetzt. Dabei wurde es aus durch Cracken langer Kohlenstoffketten entstandenen Gasen wie Ethylenopxid und Propylenoxid hergestellt. Die Rohstoffbasis war Erdöl. Aber, so das BAM weiter, es ist auch möglich, „Ethylenopxid und Propylenoxid aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen.“
Lesestoff:
[1] Leopoldina
[2] Gegenreden
[3] Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel
[4] Ukraine will bei virtuelle Getreidereserve schon loslegen
Roland Krieg