Bioenergie: Vom Dorf zur Metropole
Landwirtschaft
Bioenergie schafft Kaufkraftgewinne
Jühnde ist sicherlich das bekannteste Bioenergiedorf. Aber nicht das einzige. Mauenheim in Baden-Württemberg ist ein weiteres. Die Bewohner von Mauenheim haben bislang 300.000 Liter Heizöl pro Jahr kaufen müssen. Bei einem Preis von 0,70 Euro fließen so 200.000 Euro aus dem Dorf ab. Das summiert sich in 20 Jahren auf über 5 Millionen Euro, rechnete Bene Müller von solarcomplex auf der Eurosolar-Tagung in Leipzig vor.
Investitionen für die nächsten Generationen
Jetzt bleibt das Geld in der Region. Das Dorf versorgt sich mit einer Biogasanlage und einer Hackschnitzelheizung selbst und die Bürger haben sich Photovoltaikanlagen auf das Dach gepackt. Die Hackschnitzel kommen alle aus der eigenen Gemarkung. 1,6 Millionen Euro hat der Wandel zum Bioenergiedorf gekostet und Bene Müller beschreibt das als Anlage für die nächsten Generationen. Schließlich haben sich die Mauenheimer auch nicht primär aus ökologischen Gründen für das vier Kilometer lange Wärmenetz entschieden, sondern aus wirtschaftlichen. So wurde die Wärmeübergabestation in den Häusern kostenfrei zur Verfügung gestellt, was zwar die Investitionskosten in die Höhe trieb, aber eine hohe Anschlussrate bewirkte.
Die Hackschnitzelheizung springt automatisch dann an, wenn der Wärmerückfluss eine bestimmte Temperatur unterschreitet.
Über das Dorf hinaus hat sich das in der Steiermark gelegene österreichische Mureck gleich zur ganzen Bioregion entwickelt. Karl Totter von der SEEG in Mureck, beschreibt den Prozess, der 1987 angefangen hat. Damals wurde zunächst Biodiesel aus Raps hergestellt. 1990 folgte der Spatenstich für die eigene Ölmühle. Drei Jahre später wurde das Motto „Vom Acker in den Tank“ um das Motto „Aus der Pfanne in den Tank“ erweitert und die Murecker verwandeln altes Speiseöl in Biodiesel, der auch in 160 Bussen der Stadt Graz den Personennahverkehr antreibt. 1998 wurde für 250 Kunden ein eigenes Nahwärmenetz mit 7 MW Leistung installiert und seit März 2005 verrichtet eine Biogasanlage mit 1.000 kWh Strom und 1.100 kWh Wärme seinen Dienst für die Stadt.
Aus bis zu 10 Kilometer Entfernung kommt der Raps für den Biodiesel, aus bis zu 50 Kilometer das Holz für die Wärme und Altspeiseöl wird von 1.500 Betrieben aus bis zu 100 km eingesammelt. Und entstanden ist das alles, wie Totter versichert, am 30. Dezember 1985 am Biertisch.
Die Biogasanlage steht nur 250 Meter vom Dorf entfernt. Die Murecker waren zu Beginn auch skeptisch, dass ihnen die Anlage in die Nase kriecht – aber Totter hat sich in ganz Europa verschiedene Anlagen angeschaut und sich für die beste Technik entschieden, die so eine Nähe trägt.
Auch Totter spricht von Kaufkraftgewinnen, weil das Geld in der Region bei den Menschen bleibt, die für die Energie, die Technik und Wartung sorgen. Er hat sein Modell sogar auf die Metropole München umgerechnet, festgestellt, dass auch eine Großstadt mit erneuerbaren, regionalen Energien versorgt werden kann und damit jährlich 1,4 Milliarden Euro in der Region bleiben. Mit Blick auf die fossilen Energieträger mahnte Totter, dass man „nicht mehr Geld in wenige Hände“ verteilen sollte. Mureck wurde 2007 als innovativste Gemeinde Österreichs gekürt.
Biogas reicht aus
Bene Müller will jedes Jahr ein Bioenergiedorf realisieren. In Baden-Württemberg ist die Landesstruktur noch überwiegend agrarisch und kleinstrukturiert. Mauenheim zeigt, dass ohne Wind und Sonne die das Biogas für eine Strom- und Wärmeversorgung ausreicht. Auf dem Land sind mehr als 250 kWh-Anlagen auch nicht rentabel.
Warmwasser ist kostengünstiger als Solarthermie, weswegen die Mauenheimer auf diese Technik verzichten können. Als nächstes Dorf steht Lippertsreut auf dem Programm, wo eine neue Technik eingesetzt werden soll: Verschiedene Biogasanlagen sollen ihr Produkt über Mikroleitungen zu einem zentralen Aufbereitungsort leiten. Das Nachbarland Bayern hatte dazu kürzlich eine Machbarkeitsstudie fertig gestellt.
Bei der Wärmenutzung gibt es aber ein Problem. Die Investitionen und die Auslastung sind auf den aktuellen Bedarf ausgelegt, während im Rahmen der Doppelstrategie der Bundesregierung die Effizienz und damit die Einsparung im Bereich der Wärmedämmung noch aussteht. Beide Ziele, das Versorgungsprojekt und die zeitaufwendigere Gebäudesanierung lassen sich nicht miteinander koppeln, sagte Müller. Es kann sein, dass die jetzigen Nahwärmenetze in einigen Jahren durch die Wärmeeffizienz überdimensioniert sind. Effizienzverluste gibt es heute bereits im Sommer. Nicht gebrauchte wärme kommt wieder nutzlos zurück und verringert die Netzverluste über das Jahr hinweggerechnet auf bis zu 30 Prozent. Hat eine Gemeinde ein Industrieunternehmen oder eine Klinik in der Nähe, dann ist der Absatz kein Problem.
Lebensmittelpreise
Vizepräsident von Eurosolar und Bundestagsabgeordneter der Grünen, Hans-Josef Fell, nahm zum Abschluss der Tagung Stellung zu den Meldungen über die hohen Lebensmittelpreise. Die Biomasse befinde sich in einer schwierigen Diskussion, die jedoch meist undifferenziert sei. Fehlentwicklungen wie das Abholzens des Regenwaldes stehen oft im Mittelpunkt, verdrängen aber auch die „riesigen Chancen“, die Energiepflanzen bieten. Letztlich müsse man auf Energiepflanzen zurückgreifen und sie nachhaltig nutzen.
Fell führte aus, dass die Verknappung der fossilen Ressourcen die „am meisten verschwiegene Ursache für die Preissteigerungen“ ist. Die Ölpreise laufen allen Prognosen davon und die Schlagzeilen suggerierten, „dass die Welt wieder in Ordnung ist“, sinke der Ölpreis um sieben Dollar.
Die Börse lügt nicht |
Die Politik muss für die Nachhaltigkeit noch nachbessern. Bei der Novelle des Erneuerbaren Energiengesetzes (EEG) ist vieles in der Diskussion, aber nur wenig festgelegt. In die Novelle müsse nach Ansicht Fell ein Nawaro-Zuschlag, der Güllebonus und der Mischanbau, der Monokulturen ersetzen soll. So solle nicht mehr als die Hälfte eines Biogasfermenters aus einer Pflanzenart stammen.
Der Beimischung erteilte Fell eine Absage, weil sie den nicht-nachhaltigen Anbau durch Erfüllung der Quote forcieren würde. Stattdessen solle der Bioreinkraftstoff Verwendung finden. Schlechte Noten bekam die EU. Der Nachhaltigkeitsvorschlag beinhaltet statt einer Einspeisevergütung nach Vorlage des EEG handelbare Zertifikate, die jedoch „einen hoch bürokratischen Popanz“ darstellten. Deutschland wolle aber dagegen stimmen.
Lesestoff:
Eurosolar stellt alle Beiträge der zweitägigen Konferenz auf einer CD zusammen. Inklusive Porto und Verpackung ist sie für 15 Euro erhältlich. Details auf www.eurosolar.org
Mehr Informationen zu Mauenheim und Mureck gibt es unter www.bioenergiedorf-mauenheim.de und www.seeg.at
Roland Krieg