Biogas für Angermünde
Landwirtschaft
Grundsteinlegung auf dem Gut Kerkow
>Am östlichen Rand des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin und nur einen Steinwurf westlich des Nationalparks Unteres Odertal gelegen, befindet sich das 1348 erstmals urkundlich erwähnte Rittergut Kerkow. Bis zur Bodenreform nach dem zweiten Weltkrieg befand es sich ab 1632 im Besitz der Familie von Reedern und wurde dann als volkseigenes Gut bewirtschaftet. 1993 wurde das Gut Kerkow von der Familie Niedeggen übernommen und wird ab November 2005 in die Ära der autonomen Energieversorger eintreten.Anblasen für die Grundsteinlegung
Zwei Jäger, die auch eigenhändig für den anschließenden Imbiss gesorgt hatten, bliesen am vergangenen Freitag mit ihren Jagdhörnern die Grundsteinlegung der neuen Biogasanlage auf dem Gut Kerkow an. Zum ersten Bauabschnitt gehören eine Beschickungsanlage, der Fermenter und das Blockheizkraftwerk. Der Fermenter mit seinen acht Meter hohen Mauern und einem Durchmesser von 27 Metern hat eine Kapazität von 3.500 Kubikmeter. Das Blockheizkraftwerk hat eine Leistung von 625 kW und liefert ab November etwa 5 Millionen kWh Energie. Für das Gut werden nur eine Million kWh gebraucht, so dass vier Fünftel der Energie in das öffentliche Stromnetz eingespeist werden wird.
Beschickt wird die Anlage mit dem Festmist von 150 Milchkühen, die auf dem Hof stehen. Als Koferment werden 15 Tonnen Maiskörner und 3 Tonnen Roggenschrot eingesetzt.
Im Biogas ist ein zweiprozentiger Anteil an Schwefel normal, hat jedoch den Nachteil, dass er sich mit dem Wasserdampf des Biogases zur schwefeligen Säure verbindet und den Beton, die Gasleitungen und Armaturen zerfressen kann. Deswegen müssen die Anlagenbetreiber den Schwefel aus dem Prozess herauslösen. Hofinhaber Johannes Niedeggen erklärte Herd-und-Hof.de wie er es macht: In den Gasraum des Fermenters wird verdichtete Luft eingeblasen. Da der Schwefelgehalt im Rahmen der natürlichen Prozesse nicht immer gleichmäßig ist, wird dieser vorher durch eine Gasanalyse gemessen und dadurch die einzublasende Luftmenge gesteuert.
Natürlich vorkommende Schwefelbakterien lassen den Schwefelwasserstoff mit Luftsauerstoff reagieren und fällen dann den elementaren Schwefel als gelben Belag aus.
BarUm 111
Brandenburgs Staatsekretär aus dem Agrarministerium Dietmar Schulze verwies in seiner Festrede auf die "ehrgeizigen Ziele der regionalen Energieinitiative BarUm 111 der Landkreise Barnim und Uckermark, die sich den Einsatz erneuerbarer Energien zum Ziel gesetzt hat". Die Zahl soll die 111 Prozent Energieerzeugung widerspiegeln, die dem gegenwärtigen Energieverbrauch der Region entspricht und darüber hinaus - nämlich rund 11 Prozent - nach außerhalb der Region verkauft werden soll.
Das Land Brandenburg sieht nachwachsende Rohstoffe generell als Wachstumsbranche für das Energiekonzept bis 2010, so Schulze. Jeweils vier weitere Anlagen sind im Genehmigungsverfahren und in Planung. Künftig sollen Projekte für "Bioenergie- und Biomassehof" finanziell aus einem Topf mit 1,503 Millionen Euro gefördert werden. Der erste Bauabschnitt der Kerkower Biogasanlage hat ein Investitionsvolumen von 1,5 Millionen Euro. Neben einer autarken Energieversorgung des Betriebes und dem Marktwert "Biogas" kann der Betrieb künftig auch seinen Stickstoffbedarf selbst decken und Arbeit schaffen.
Prof. Hans-Peter Piorr vom neu geschaffenen Fachbereich Ökolandbau und Vermarktung sowie Naturschutz der Fachhochschule Eberswalde sieht pro erstellter Anlage ein bis zwei gesicherte Arbeitsplätze. Wenn in Brandenburg alle zur Zeit im Bau befindlichen Anlagen laufen, dann bietet das Land 2.000 Arbeitsplätze im Bereich der erneuerbaren Energien auf.
Die Biogasanlage auf dem Gut Kerkow hat Modellcharakter und wird von seinem Fachbereich wissenschaftlich begleitet. Alle Beteiligten müssen lernen. Die Baubehörden über die erforderlichen Genehmigungen, der Elektriker oder der Armaturenbauer, für die solche Technik neu ist und natürlich auch die Bauern und Architekten. In Brandenburg gibt es auf viele Standorte verteilt viel vorhandenes Wissen, so dass "wir das Rad nicht neu erfinden müssen", sagte Prof. Piorr am Rande der Veranstaltung. Er bastelt an einem Netzwerk, das vorhandene Wissen zusammen zu stellen, damit Praktiker sich schnell informieren können. Frau Müller aus seinem Fachbereich begleitet den Bau der Anlage wissenschaftlich und sammelt die Informationen. Wenn es bei dem Prozess beispielsweise an der Baugenehmigung klemmt, geht sie in die Analyse, um Schwachstellen ausfindig zu machen und Argumente für eine Verbesserung zu finden. An der Fachhochschule gibt es ein Informationsbüro, an das sich interessierte Biogasanlagenbauer wenden können, um von dem gesammelten Wissen zu profitieren.
Als Nebeneffekt erhalten die mittlerweile fast 40 Studenten des Fachbereiches die Gelegenheit, praxisnah zu arbeiten.
Multifunktionale Landwirtschaft
Für Politik und Technik sind erneuerbare Energien die Wachstumsbranche in der Landwirtschaft schlechthin - parteiübergreifend. Angesichts der Erdölpreise interessieren sich auch Verbraucher vermehrt für die saubere und günstigere Alternative. Aber es mehren sich die Bedenken aus der bäuerlichen Praxis. Stimmen auf dem MeLa-Kongress letzte Woche und auch Johannes Niedeggen gaben deutlich zu verstehen: Die Hauptaufgabe der Landwirte ist, Lebensmittel herzustellen und da sind die Preise im Keller. Das Gut Kerkow hat neben der landwirtschaftlichen Produktion eine Direktvermarktung, ein Restaurant, einen Tagungsraum in der Tenne und Gästezimmer im Gutshaus. Mit der Biogasanlage ein Beispiel der multifunktionalen Landwirtschaft. Die Lage des Gutes zwischen Biosphärenreservat und Naturschutzgebiet lädt gerade zu einem Landurlaub ein. Aber: "Die Direktvermarktung hilft dem betrieblichen Einkommen nur en bisschen. Der Markt in Berlin ist zu weit. Aber sie belastet nicht", fasst Niedeggen zusammen.
Für ein sicheres Standbein müssen die von der Politik gerne veranschlagten Diversifizierungsmodelle aber auch genügend Masse bringen. Oder die Landwirtschaft kann sich wieder auf ihre Kernkompetenz konzentrieren:
Lebensmittel erzeugen. Aber dafür muss der Preis stimmen. Der Hof von Johannes Niedeggen bei Angermünde kann virtuell unter www.Gut-Kerkow.de vor einem Besuch schon einmal virtuell besichtigt werden.
roRo