Biomarkt: Die Politik verpasst die Chancen

Landwirtschaft

Wachstum verhalten, aber gut

Bio-Markt IGWAm 01. Januar 2008 haben 10.410 Betriebe ökologisch gewirtschaftet. Das ist ein Plus von 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr – 504 Betriebe mehr. Auch bei der bewirtschafteten Fläche hat es einen Zuwachs gegeben. Sie nahm um mit 31.175 ha um fünf Prozent zu. Dr. Alexander Gerber vom Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) macht sogar den Trend aus, dass mehr EU-Biobauern zu den Ökoverbänden wechseln. Das hänge vor allem mit der Nachfrage des Handels zusammen, der sich mit der Verbandsware „ein Plus an Qualität“ in den Laden holt. Zum anderen sind die EU-Biobauern auch mit einem hohen Anteil Streuobstwiesen beteiligt gewesen und wandeln sich jetzt wegen der hohen Verbrauchernachfrage zu einem spezialisierten Verbandsbauernhof. Bei den Verbänden finden sie zusätzlich Hilfe bei Beratung und Vermarktung.

Felix Prinz zu Löwenstein zum Thema Welternährung
„Ob das, was auf dem Feld angebaut wird, für alle reicht, hängt davon ab, wofür es verwendet wird.“

Es müsste mehr sein
Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, Vorstand des BÖLW, sagte, es müssten noch mehr Betriebe sein, denn die heimische Produktion decke den Bedarf nicht alleine. Rund ein Drittel der Bioware wird aus dem Ausland importiert. Hindernis für die Umstellung auf Ökolandbau sind die hohen Erzeugerpreise auf dem konventionellen Markt gewesen. Der sichere Profit hat die Umstellungsphase mit Vermarktungsverlusten wenig lukrativ erscheinen lassen.
Prof. Dr. Ulrich Hamm, Agrarökonom der Universität Kassel gab zu Bedenken, dass den deutschen Biobauern Terrain verloren gehe. Die Produktion, die der Handel an das Ausland verliere, könne kaum wieder gewonnen werden. Dabei zeige gerade der Bioanbau, dass er trotz aller wirtschaftlichen Krisen in der Vergangenheit zu den zuverlässigsten Wachstumsmärkten gehöre.
Wie stabil der Ökomarkt ist zeige gerade der Milchmarkt. Dr. Hamm hatte vor der Grünen Woche bereits aufgezeigt, dass Verbraucher die hohen Preise akzeptieren, weil sie sich des Mehrwerts sicher sind. Das bestätigte auch Dr. Manon Haccius von Alnatura. Die Biokunden werden immer kritischer und haben ein ausgeprägtes Gespür für Qualität und Nachhaltigkeit.
Auf der Erzeugerseite zeitigt die Bio-Meg die ersten Erfolge, so Thomas Dosch, Vorsitzender des Anbauverbandes Bioland. Die Erzeugergemeinschaften erhöhen die Verhandlungsposition gegenüber den Molkereien. So bietet ein Milchpreisspiegel den Bauern jederzeit Transparenz über die Milchpreise.
Offenbar sind aber die Anreize für die Bauern nicht genug. Während Millionen für die Gentechnikforschung ausgegeben werden, mangele es in der Anwendungsforschung im Ökolandbau. Dann könnte die gesamtgesellschaftliche Leistung für den Ressourcenschutz deutlicher herausgestellt werden. Fast vollständig vernachlässigt sei der Leguminosenanbau, mit dessen Hilfe Stickstoff im Boden pflanzenverfügbar angereichert werden kann.

Ökologisches Konjunkturprogramm
Vor der Internationalen Grünen Woche hat Cornelia Behm, agrarpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen ein Konjunkturprogramm für den Ökolandbau vogelegt:
Aufstockung der Gemeinschaftsaufgabe zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) im Rahmen des 2. Konjunkturpakets um 100 Millionen Euro, Qualifizierter Einsatz der Modulationsmittel für die Erhöhung der Umstellungsprämie, Unterstützung der Kontrollkosten zur Prüfung der Gentechnikfreiheit und für die regionale Vermarktung, ein Bundesprogramm „faire Milch“, Förderung der Weidehaltung, Förderung des Leguminosenanbaus und eine ökologische Qualifizierung der Agrarinvestitionsförderprogramme

Quo vadis?
Die Stimmung ist gut bei den Biobauern. Auf der Handelsseite wird sich in Zukunft der Markt weiter differenzieren. Nach Angaben des BÖLW hat der konventionelle Lebensmitteleinzelhandel sein Sortiment gerade im Trockenbereich weiter ausgebaut und dadurch höhere Zuwächse erzielt als der Naturkostfachhandel (11 gegenüber 7,5 Prozent Zuwachs in den ersten drei Quartalen gegenüber 2007). Das wird sich nach Prognose von Dr. Hamm auch auf die Erzeugerseite durchschlagen. Auf der einen bildet sich ein hochpreisiger Premiummarkt heraus, auf der anderen Seite ein tiefpreisiger für den Discount. Die preislichen Mittellagen werden verschwinden.
Die Gesamtverkaufsfläche im Ökohandel ist um 36.750 m2 angestiegen. Gewinner sind die Bio-Supermärkte, während die traditionellen Naturkostläden weniger werden.

Der Markt kennt keine Nachhaltigkeit
Für Thomas Dosch kennt der Markt per se keine Nachhaltigkeit. Deswegen müssen Rahmenbedingungen definiert werden. Die Kürzungen bei den Direktzahlungen seien daher keine, sondern ein Gewinn für die zweite Säule der Agrarpolitik, die den gesellschaftlich gewünschten Ressourcenschutz finanziert. Das müsse den Verbrauchern auch klar gemacht werden, denn derzeit haben sie keine freie Entscheidung bei der Produktwahl: Die Preise geben vor allem im konventionellen Handel die negativen externen Effekte der Umweltbelastung nicht wieder. Angesichts der steigenden Nachfrage und der hinterherhinkenden heimischen Produktion, kommt Dr. Hamm zu der Feststellung, dass die Wirtschaft derzeit nicht das produziert, was die Verbraucher wollen.

Mecklenburg-Vorpommern ist derzeit das aktuellste Bundesland, das die Umstellungsprämie erhöht hat: Die Prämie wurde von 135 auf 150 Euro je Hektar erhöht, teilte das Ministerium aus Schwerin mit. Diese Förderung erhalten sowohl Landwirte, die neu in den Ökoanbau einsteigen, als auch Landwirte, die diesen nach Ablauf des Förderzeitraums von fünf Jahren beibehalten.

Zumindest Nordrhein-Westfalen hat in diesem Jahr ein Entwicklungspapier herausgebracht, mehr Betriebe auf den Ökolandbau umzustellen. Die Landwirtschaftskammer hat daraufhin begonnen, Seminare für umstellungswillige Bauern durchzuführen. Die Initiative sei zu begrüßen, sagte Heinz-Josef Thuneke von Bioland zu Herd-und-Hof.de. Die Bauern haben sehr viele spezielle Fragen und von Vorteil ist die Teilnahme von Vermarktern, die den Bauern eine Perspektive geben. Ein Selbstläufer ist das aber nicht, denn es fällt immer noch schwer, im Detail die richtige Entscheidung zu treffen.

Auf der Grünen Woche finden sie den Bio-Markt in der Halle 6.2 a

roRo

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