Biomasse: Stofflich oder energetisch?

Landwirtschaft

Energetische schlägt stoffliche Biomasse-Nutzung

Die Energiewende in Deutschland fokussiert den Blick der Verbraucher auf Strom und Wärme. Aus dem Bündel an erneuerbaren Energien können Erzeuger und Verbraucher aus Wind, Wasser, Sonne und Erdwärme wählen. Auch die Bauern bauen Pflanzen für die Energiewende an. Mais oder Sorghum für die Biogasanlage oder Kurzumtriebsplantagen für Holzpellets. Die Biomasse hat gegenüber Sonne, Wind und Wasser jedoch ein oftmals vernachlässigtes Alleinstellungsmerkmal: Die Bildung von Kohlenstoffketten.

Aktionsplan stoffliche Nutzung

Raps produziert Fette und Öle für die chemische Industrie, Faserpflanzen und Wiesengras liefern Dämmstoffe für Wohnungen, das Stroh wird künftig auch in Holzgefache zum Hausbau eingesetzt und alles was heute aus Plastik fossiler Herkunft ist, wird bald aus biogenen Kohlenstoffketten erstellt werden müssen.
Die Bauern haben heute eine noch nie da gewesene Wahl der Betriebsrichtung. Sie können Obst und Gemüse für die Stadt anbauen, ökologischen Landbau betreiben, Getreide für die Nahrungsmittelproduktion oder Mais für die Biogasanlage. Sie können aber auch Raps und Flachs für die stoffliche Nutzung verkaufen.
Da gibt es großen Nachholbedarf. Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe weist einen hohen Importanteil an biogenen Rohstoffen aus. Die chemische Industrie muss derzeit 60 Prozent ihrer pflanzlichen Rohstoffe importieren. Sie könnten vom heimischen Acker kommen.
2009 hat der damalige Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium Gert Lindemann sich eine paritätische stoffliche und energetische Nutzung der Biomasse gewünscht. Für eine ausschließliche Nutzung als Energieträger seien die Pflanzen viel zu schade. Zumal mit fortlaufender Forschung immer neue Anwendungsmöglichkeiten für eine Kohlendioxidneutrale Wirtschaft hinzu kommen.

Erfolgsmodell energetische Nutzung

Dennoch wird die stoffliche Wende nur wenig beachtet. Am Mittwoch wurde die „Plattform Energiewende“ gegründet, die der Biomasse eine ausschließliche energetische Nutzung unterstellt. Mit den Kommunen haben die Bauern Partner gefunden, Feldfrüchte in Strom und Wärme zu wandeln. Die Kommunalwirtschaft will die Energiewende erfolgreich mitgestalten und baut auf dezentrale Strukturen, investiert in Kraft-Wärme-Kopplung und Energiespeicher. Weil Deutschland die Energiewende dezentral aufstellen möchte, sind die Kommunen „der ideale Partner“ im ländlichen Raum, heißt es beim Verband kommunaler Unternehmern (VKU).

Rolle der Stadtwerke nach der Energiewende; VKU, Unternehmensrecherche 2011

Die meisten Investitionen gehen zwar derzeit in die Windkraft, doch haben die Stadtwerke bei den erneuerbaren Energien im Jahr 2010 die meisten Volllaststunden über die Biomasse erzielt.
Das wird sich auch erstmals nicht ändern. Im Bundestag wurde am Donnerstag der Gesetzesentwurf zur Kraft-Wärme-Kopplung debattiert. Von 2002 bis 2010 wurde die Stromerzeugung auf 90 Terrawattstunden erhöht und erreicht damit einen KWK-Stromanteil von 15 Prozent. Bis zum Jahr 2020 sollen es 25 Prozent sein. Im Großen und Ganzen sind sich die Parteien über die Sinnhaftigkeit des Ausbaus einig. Auch über die Fokussierung auf die Biomasse? Schon heute stellt Biomasse rund 30 Prozent der Stromquellen. Bleiben da noch Hektare frei für die stoffliche Nutzung? Und was passiert mit der verlegten Infrastruktur der energetischen Nutzung, wenn der Umschwung auf die stoffliche Verwendung kommt?

Organisches Wachstum

Ein bisschen stoffliche Nutzung führen die Stadtwerke bereits durch, erklärte ein Sprecher des VKU gegenüber Herd-und-Hof.de. Gärreste werden bereits heute schon für die Kompostierung genutzt. Allerdings sind Raps und Co. für die chemische Industrie kein Geschäftsfeld der kommunalen Unternehmen.
Der Sprecher verweist auf die seit langem nicht in Schwung gekommene Nutzung bei Hanf und Flachs. Auch der künftige Verwendungsbedarf werde nicht „explosionsartig“ einsetzen, sondern sich parallel zum Markt entwickeln. Die installierten Leitungen für die dezentrale Nutzung stellen für den VKU kein Problem dar. Derzeit werde die Biomasse energetisch genutzt und offeriere den Kommunen und Bauern ein gemeinsames Geschäftsfeld, das intensiv genutzt werde.

Lesestoff:

Am 18. September 2012 gibt es wieder und schon die Dritte gemeinsame Informationsbörse von VKU und der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft in Frankfurt / Main. Da können sich Bauern über eine Energiepartnerschaft mit den Stadtwerken und die neueste Anlagentechnik informieren. Details zur Tagung werden auf der Seite www.vku.de eingestellt.

„Plattform Energiewende“

Eine Tonne Löwenzahnlatex von einem Hektar Pusteblumen

Verbundprojekte stoffliche Nutzung

Forschungsprojekt Bayern zu Biogassammelleitungen für die Wärmenutzung

Jedes dritte Bioenergiedorf ist in Baden-Württemberg

Bauen mit nachwachsenden Rohstoffen

Roland Krieg; Grafik: VKU

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