Biopatente: Die Unklarheiten überwiegen
Landwirtschaft
Biopatente: Gut gemeint, aber…
Ein Auftrag aus dem interfraktionellen Antrag zu Biopatenten aus dem Jahr 2012 war der Aufbau eines staatlichen Biopatent-Monitorings. Ziel ist das Verfolgen des Patentgeschehens und eine Validierung der Daten auf Auswirkungen für die deutsche Landwirtschaft. Unter der Koordination des Bundesamtes für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) hat es seine Aufgabe begonnen und die ersten Ergebnisse aus dem Monitoring-Zeitraum des zweiten Halbjahres 2012 auf der Tagung „Biopatente und Landwirtschaft – wie passt das zusammen“ vorgestellt.
Patentgeschehen bei Pflanze und Tier
Sebastian Winkel von der BLE fischt pro Monat rund 100
Biopatente für Nutztiere aus den Anmeldedatenbanken. Aber nur zehn sind davon
auch wirklich für die Landwirtschaft relevant. Im Untersuchungszeitraum wurden
von 48 angemeldeten Biopatenten am Ende 18 erteilt. Beobachtungsrelevant wegen
eines beispielsweise breiten Anwendungsbereiches sind etwa 14. Darunter zählen
auch Futtermittel, die einen bestimmten Fettsäuregehalt aufweisen oder Fische
mit einem bestimmten Fettsäuremuster. Beides kann auf verschiedene Weise
erzeugt werden, wo ein Patent nicht wirklich schützen kann. Im Nutztierbereich
überwiegen konventionelle Züchtungsziele, bei den erteilten Patenten die
Verfahren, die auf einer gentechnischen Veränderung basieren. Für Winkel ein
Indiz, dass wirkliche Neuerungen eher in der Biotechnik verwirklicht werden.
Rund viermal so viele Biopatente findet Karin Riemer
vom Bundessortenamt, wo das Patent-Monitoring für Nutzpflanzen angesiedelt ist. Von
168 angemeldeten Biopatenten wurden 68 erteilt. Darunter waren 86 GVO, von
denen 47 Anträge genehmigt wurden. Bei Pflanzen stehen stoffliche Aspekte wie
Resistenzen im Vordergrund. Rund 20 Prozent der Anträge beziehen sich auf
Kreuzungen zwischen Kulturpflanzen und ihren Wildformen.
Die Problemfelder
Claudia Fricke von der Hochschule Darmstadt hat 17
Problemfelder aus den analysierten Patenten in sechs Dimensionen kategorisiert:
Bei Tierpatenten fehlen Äquivalente zur Pflanzenzucht, die Grenzen der
Patentierbarkeit sind nicht klar definiert, die Voraussetzungen der
Patentierbarkeit nicht ausreichend geklärt, Patente haben Mängel bei Qualität
und Reichweite, das Verfahren ist zu lang und die Transaktionskosten zu hoch und
die Auswirkungen auf die Tierzucht sind nicht immer klar. Das spiegelt sich in
den vergangenen Patentanmeldungen wider. Patente werden widerrufen, Ansprüche
nach Prüfung des Patentamtes wieder gestrichen und Patente trotz Einwände
vorbehaltlich erteilt.
Deutschland steht mit dieser kritischen
Auseinandersetzung nicht allein da. Nach Dr. Peter Feindt von der Cardiff
University findet die Diskussion in den Niederlanden, den USA und
Großbritannien allerdings in absteigender Intensität nur in Fachkreisen statt.
Zur Analyse wurden Interviews mit Nichtregierungsorganisationen,
Patentanwälten, Landwirten und Züchtern durchgeführt. Die Bandbreite zwischen
Abschaffung, Neuformulierung Verbesserung des Patentwesens durch Effizienz ist
in allen Ländern gleich. Aus dem großen Bündel an Empfehlungen zur Verbesserung
seien die Professionalisierung der Patentprüfer, offen legen der Datenbanken
und ein College zur Peer Review erwähnt.
Patent, Sortenschutz und Nutztier
Schon am ersten Tag wurden Sortenschutz und Patente als
Ergänzung für den Schutz des geistigen Eigentums definiert. Was bei den
Pflanzensorten über Lizenzgebühren wieder eingespielt werden kann, könnte doch
auch ein Vorbild für die Nutztierhaltung sein? Das aber ist alles andere als
einfach, erläuterte Prof. Leo Dempfle von der TU München. Die Sorte muss sich
durch eine Unterscheidbarkeit in mindestens einem Merkmal, durch Homogenität
und Beständigkeit auszeichnen. Das polymorphe Nutztier weist hingegen allein
über die Umwelteinflüsse alles andere als ein beständiges Genom auf. Zudem ist
der Begriff Rasse nicht eindeutig definiert wie der Begriff Sorte bei den
Pflanzen.
Dennoch hat Prof. Dempfle einen Ausblick gewagt, wie
der Patentschutz für den züchterischen Fortschritt bei Nutztieren umgesetzt
werden könnte.
In der Milcherzeugung wäre das Genom des Bullen zu
schützen, während die Verkaufsprodukte Sperma und weibliche Tiere für die
Bauern weiterhin frei genutzt werden könnten. Ähnlich könnte es bei den
Schweinen sein. Schützenswert wäre nur die registrierte Linie mit einem
identifizierbaren genetischen Fingerabdruck. Das Hybridschwein hingegen könnte
von den Bauern auch bei Verlust der Heterosis, des überdurchschnittlichen
Ertragszuwachses aus Linienkreuzungen, wieder frei genutzt werden.
Aber: Das Patentrecht hat gegenüber der Tierzucht einen
entscheidenden Nachteil. Der züchterische Fortschritt ist schneller als die
Erteilung eines Patentes. Wirkliche Neuheiten brauchen in der Tierzucht viel
Zeit. Aber es gibt sie: Beispielsweise das in Texas gezüchtete Santa Getrudis
Rind, das aus Zebu und Milch-Shorthorn gezüchtet wurde [1]. Aber auch für den
deutschen Tierschutz relevante Aspekte wie Hornlosigkeit bei Kühen oder Eber
ohne Ebergeruch könnten patentiert werden.
Biopatente sind nicht alles
Dr. Christoph Then von Test Biotech und Prof. Rudolf
Preisinger von der Lohmann Tierzucht GmbH diskutierten leidenschaftlich ob das
von Lohmann eingereichte Patent WO/2010/012476 zur Identifizierung von
Legehennen mit einer geringeren Neigung zum Federpicken durch Austausch einer
DNS-Base, auch das Tier schützt oder nicht. Man darf ahnen, dass auch deren
Rechtsanwälte sich darüber streiten würden – während der Verbraucher im
Normalfall noch nicht einmal den Sinn des Patents verstanden hat: Legehennen,
die weniger an den Federn ihrer Geschwister picken, eignen sich besonders für
die artgerechte Haltung.
Die Patent-Realität hat sich von der
landwirtschaftlichen und bäuerlichen Praxis entfernt. Gerade dieses Beispiel
zeigt auch, dass die Hühnergenetik nach Rückzug der staatlichen Züchtungsförderung
nur noch wenige Konzerne die Genetik unter Verschluss halten. Wo Marktgröße und
Marktwert groß sind, steigen auch die Anreize für eine Patentierung, führte Dr.
Feindt aus. Dort wo die Marktkonzentration hoch ist, können die Firmen auf alternative
Entlohnungssysteme zurückgreifen.
Das widersprüchliche Thema Biopatente wird noch
überlagert durch die unterschiedlichen Ansichten über die Lösung der
Welternährung und Beseitigung der Armut. Der wachsenden Zahl der Patente folgt
nach Dr. Then zeitlich versetzt die Zunahme der Marktkonzentration. Durch eine
Überexpansion von geistigem Eigentum und TRIPS-Abkommen findet derzeit ein
Wettbewerb von Erfindungen statt, bei denen nur noch der gewinnt, der als erste
eine Patentschrift erhalten hat. Das hatte die frühere Präsidentin des
Europäischen Patentamtes, Alison Brimelow, schon 2007 mit den Worten eines
überhitzten Patentwesens zu beschreiben versucht.
Dabei geht es Dr. Then gar nicht um die Aufhebung des
Urheberrechtes, sagte er zu Herd-und-Hof.de. Wer einen züchterischen
Fortschritt erzielt habe, der solle den Aufwand auch entlohnt bekommen. Doch
sei der Sortenschutz der bessere Ansatz, weil die Bauern auch mit dem neuen
Saatgut weiterzüchten können, sobald es auf dem Markt ist. Noch besser wäre es,
wenn sich der Staat für die öffentliche Aufgabe des züchterischen Fortschritts
finanziell wieder mehr engagieren würde.
Biopatente als Zeichen des Systemwechsels
Der europäischen Tradition des Sortenschutzes steht die
amerikanische Tradition des Patentschutzes gegenüber. Dr. Petra Jorasch vom
Bund Deutscher Pflanzenzüchter ermahnt, beide Praktiken nicht zu verwechseln.
Der Schutz der ganzen Sorte und der Verkauf von Anbaupakten finden in den USA
und nicht in Europa statt. Dr. Then hingegen fürchtet, dass die Zunahmen von
Biopatenten auch in Europa einen Systemwechsel einleiten. Es sind auch nicht
mehr die kleinen Saatgutfirmen, die Patente anmelden, erläuterte Dr. Michael
Kock von Syngenta. Die Entwicklung einer neuen Sorte dauert bis zu 18 Jahren
und kostet rund 15 Millionen Euro. Der Agrarkonzern hat ein „E-License“ –
System entwickelt, bei dem Züchter gegen eine Lizenz über das Internet
patentierte Syngenta-Sorten weiter nutzen können.
Es bleiben Fragen offen. Udo Hemmerling vom Deutschen
Bauernverband lehnt Biopatente auf Nutztiere und -pflanzen ab. Er plädiert für
eine weitere Stärkung des Sortenschutzes. Der vorangeschaltet ist die
Sortenzulassung, die ein wesentlicher Teil des qualitativen Zuchtfortschrittes
ist. Den haben die europäischen Bauern in den vergangenen Jahrzehnten genießen
können [2]. Hemmerling forderte eine europäische Neujustierung des
Patentwesens, denn Beispiele, wie das Teff-Patent, „gehen einfach weit.“
Offen bleibt aber auch, ob der lizensierte Nachbau
durch die Verwendung von Hybridssatgut seitens der Züchter nicht auch
unterlaufen werde. Dr. Jorasch verneint, denn mit speziellen Techniken ist auch
im Hybridssatgut die elterngeneration herauszufischen.
Lesestoff:
[1] www.santagertrudis.com (Seite befindet sich gerade im Umbau)
[2] Allerdings steht auch die Sortenprüfung derzeit aufder Kippe, denn die Bundesländer ziehen auch aus dieser Aufgabe ihre finanzielle Unterstützung zurück
Agrarpolitische Diskussion am ersten Tag
Roland Krieg