BMEL bei Anbindehaltung ausgewogen

Landwirtschaft

Anbindehaltung ausgewogen beenden

Das nächste Thema in der Milchrinderhaltung ist die ganzjährige Anbindehaltung. Im April hatte das Land Hessen einen Antrag in den Bundesrat eingebracht, der die ganzjährige Form der Milchviehhaltung mit einer Übergangszeit abschaffen will. Auf der einen Seite geht es Tierschützern nicht schnell genug, auf der anderen Seite sind vor allem alte und kleine Betriebe in dichter Ortslage oder mit Ställen mit entfernten Weiden in ihrer Existenz bedroht. Angesichts der niedrigen Milchpreise können sie keine Investitionen in moderne Ställe mehr tätigen. Viele Betriebe, vor allem Ökobetriebe, die dem Verbraucherbild des kleinen landwirtschaftlichen Familienbetriebes entsprechen, stehen vor dem Aus [1].

Stellungnahme des BMEL

Jetzt hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) eine Stellungnahme zur Bundesratsentschließung abgegeben und drängt auf eine ausgewogene Meinungshaltung. Das Ministerium stellt klar, dass bei Kälbern bis sechs Monaten die Anbindehaltung bereits verboten ist und es nur um die Betriebe geht, die Milchrinder ab sechs Monate halten. „Auch das BMEL ist der Auffassung, dass eine dauerhafte Anbindehaltung von Rindern über sechs Monaten langfristig nicht mehr praktiziert werden sollte.“ Doch fehlt dem Ministerium eine entsprechende Spezifizierung. Das Auslaufmodell Anbindehaltung wird heute noch durch die so genannte Grabnerkette oder Selbstfanggitter praktiziert. Die Tiere sind an einem Platz nebeneinander fixiert und arbeiten meist mit Rohrmelkanlagen, bei denen das Melkgeschirr von Tier zu Tier gewechselt werden muss. Ein Umbau des Stalles bedeutet meist auch einen Umbau der Milchküche und der Melkanlage in einen Melkstand. Pro Tierplatz ist der Arbeitsumfang auch außerhalb der Melkzeiten sehr hoch, da die Plätze sauber gehalten werden müssen. Wird die Stallpflege vernachlässigt, verschmutzen die Tiere schnell. Generell ist das Sozialverhalten stark eingeschränkt.

Das BMEL will vor einer Umstellung definiert wissen, welche Haltungsformen betroffen sind und welche Alternativformen dann schon als tiergerecht einzustufen sind. Das betrifft die Frage, ab wann die ganzjährige Anbindehaltung unterbrochen ist: Reichen drei Sommermonate mit sechs Stunden Weidegang am Tag, oder müssen die alte Stallungen komplett neu gebaut werden? Daher möchte das Ministerium auch die wirtschaftlichen Auswirkungen eines Verbotes betrachten, denn vor allem in Süddeutschland stehen noch Millionen von Rindern in Anbindeställen. Die Umsetzung des Verbotes würde den Strukturwandel erheblich beschleunigen. Ohne diese Konkretisierungen steht das Ministerium einem Verbot ablehnende gegenüber.

Tierwohl oder Strukturwandel?

Die Bundestierärztekammer (BTK) ist über diese Haltung enttäuscht. Präsident Dr. Uwe Tiedemann kommentierte: „Die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern schönzureden mit der Begründung, ein Verbot würde den Strukturwandel in der Landwirtschaft beschleunigen, berücksichtigt nicht das Tierwohl.“ Tiedemann fürchtet, dass bei der geforderten Entscheidung durch Wirtschaftsbeteiligten, das Verbot „bis zum Sankt-Nimmerleinstag“ verschoben würde.

Die Veterinäre halten die Übergangszeit von 12 Jahren zwar auch für zu lange, aber ein Verbot würde endlich die Gesetzeslücke schließen, die bei konkreten Haltungsanforderungen von Rindern über sechs Monate besteht. Allerdings gab Tiedemann auch keinen Wert an, ob eine Weideperiode von einem, zwei oder drei Monaten mit nur vier, sechs oder acht Stunden Freigang am Tag eine leichte, bessere, deutlich bessere oder optimierte Anbindehaltung ist – oder gleich ein Boxenlaufstall mit ganzjähriger Unterbringung unter einem Dach das Ziel ist.

Diese Frage lässt die Stellungnahme der BTK aus dem Jahr 2015 schon offen und formuliert die Grundanforderung unkonkret: „Ist ein Tier ständig oder regelmäßig angebunden oder angekettet, oder befindet es sich ständig oder regelmäßig in Haltungssystemen, so muss es über einen Platz verfügen, der der praktischen Erfahrung und wissenschaftlichen Erkenntnis nach seinen physiologischen und ethologischen Bedürfnissen angemessen ist.“

Lesestoff:

[1] Nachlese Bundesrat: Ganzjährige Anbindehaltung

Roland Krieg

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