BMEL-Debatte: Viele Worte eine Tat

Landwirtschaft

In der Agrarpolitik haben sich nur die Mehrheitengeändert

Am Donnerstagabend war Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) im Bundestag mit seiner Vorstellung der Agrarpolitik für die nächsten vier Jahr dran. Er legt besonderen Wert auf die Stärkung des ländlichen Raumes und zeigte sich zufrieden, dass eine Umsetzung der europäischen Agrarpolitik mit allen Länderagrarministern gelungen sei. Sowohl bei der Tierwohl-Offensive im Dialog mit Verbrauchern, als auch bei der Exportausrichtung auf die europäischen Nachbarn und aufstrebenden Märkten der Schwellenländer können Lebensmittel „Made in Germany“ mit ihre Qualität punkten.
Innerhalb der föderalen Strukturen werde es zwar schwer sein, aber Friedrich will sich für ein Frühwarnsystem gegen Lebensmittelbetrug einsetzen. Zur Prävention gehören auch Ausbildungsmöglichkeiten, wie der Ernährungsführerschein, der Menschen zu mündigen Verbrauchern mache.
Das sieht auch Marlene Mortler (CSU) so: „Nie waren unsere Lebensmittel so sicher wie heute!“. Aber viel hänge vom individuellen Kenntnisstand des Einzelnen ab. Je weniger ein Verbraucher über die Herstellung von Lebensmitteln weiß, desto unsicherer falle seine Bewertung aus.

Die Konflikte bleiben gleich

Doch so viel Lob der neue Minister für sein bisheriges Auftreten auch erhalten hat, die Gegenpositionen bleiben gleich. Kirsten Tackmann von den Linken hat gleich ein ganzes Problembündel, das auf Antworten und Lösungen wartet, denn „so schick“ sei es in den Dörfern nicht, wie die Worte und Vorhaben es glauben machen. Wer gutes für seine Mitarbeiter tue und die Natur schone, werde im aktuellen Leitbild der Agrarpolitik nicht belohnt. Die hohen Boden- und Pachtpreise spitzen die Konflikte in den Dörfern zu, was die BVVG mit einer kostenfreien oder vergünstigten Bodenabgabe entschärfen könnte. Megaställe mit 20.000 Mastschweinen und 400.000 Legehennen finden keine gesellschaftliche Akzeptanz mehr und das Festhalten an der Hofabgabeklausel beschleunige den Strukturwandel. Für den Anbau von Biomasse können ein Deckel für Mais angelegt werden, denn es gebe bereits Alternativen, die auch bienenfreundlicher sind. Auch die Vorerntebehandlung mit einem Pflanzenschutzmittel sei keine gute fachliche Praxis und die Ausgleichsflächen für Hochwasserschutzgebiete müssten fairer entschädigt werden. Die Dörfer brauchen wieder eine Anbindung an Bahnen und Bussen.

Friedrich Ostendorff (Bündnis 90/Die Grünen) bescheinigt Friedrich zwar eine Meisterleistung bei Bewältigung seiner ersten Grünen Woche, hegt aber Zweifel, wie lange diese Haltung anhält. Ostendorff kritisiert den Deutschen Bauernverband scharf, der Kritiker in Manier einer „wüsten Gummistiefelrhetorik“ beschimpft und den Dialog verweigert. Mit Wortakrobatik werde aus Schnäbelkürzen eine Schnabelbehandlung und Bauern sollten das Wort Antibiotika am besten vermeiden. 65 Prozent der Stickstoffemissionen, 94 Prozent der Ammonikemissionen und 1.600 Tonnen Antibiotika sowie Trinkwasserbrunnen mit höheren Nitratwerten stammten nicht von den familienbäuerlichen Betrieben, sondern von der Agrarindustrie. Friedrich habe mit seinem bisherigen Auftreten hohe Erwartungen geweckt, müsse aber noch Taten folgen lassen.

Schrödingers Gentechnikanbau

So hat das Parlament bei einer der ersten Abstimmungen gleich das Rätsel um Schrödingers Katze [1] vollendet und Friedrichs „Nein-Ja“ von der Grünen Woche parlamentarisch unterstrichen. Parlamentarisch besteht, wie auch bei vielen Verbraucherbefragungen, eine Mehrheit gegen die grüne Gentechnik. Dennoch wurde seit letztem Jahr nicht im Parlament über das Veto der Grünen abgestimmt, der Zulassung der gentechnisch veränderten Maislinie 1507 in Brüssel zu entsagen. Am Mittwoch hat der Agrarausschuss den Antrag abgelehnt.

Ute Vogt (SPD) hatte in der Aussprache zur Agrarpolitik noch die Mehrheit im Bundeskabinett gegen grüne Gentechnik beschworen und sich gegen ein Veto in Brüssel ausgesprochen. Auch Parteikollegin Eva Drobinski-Weiß plädierte für die Ablehnung der Maislinie.

Allein: Der entsprechende Antrag der Grünen wurde mit 452 Nein-Stimmen abgelehnt. Damit bleibt zwar noch offen, wie Deutschland nächste Woche in Brüssel abstimmt, aber Harald Ebner (Bündnis 90/Die Grünen) sieht eine unerklärliche Kluft zwischen Wort und Tat: „Das Abstimmungsergebnis ist ein Armutszeugnis für das Parlament. Es ist fatal, dass die Volksvertreterinnen und -vertreter von CSU und SPD sich offenbar aus falsch verstandener Koalitionsräson heute nicht durchringen konnten, für unseren Antrag zu stimmen.“

Nur Alois Gerig (CDU/CSU) versuchte das Rätsel um Schrödingers Gentechnik zu lösen. Man habe den Antrag wegen fachlicher Fehler abgelehnt und es ginge nicht um die Frage, ob Deutschland für oder gegen die Gentechnik ist. Gerig sieht keine Gefahr, dass in absehbarer Zeit ein Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland stattfindet. Die Welt drehe sich aber weiter und vielleicht könnte die Gentechnik einmal in andern Teilen der Welt eine wichtige Rolle spielen.

Verbraucherbild

In der großen Koalition gibt es auch unterschiedliche Ansichten über die Mündigkeit der Verbraucher. Für Drobinski-Weiß klafft eine Lücke zwischen Vorstellung und Realität. Das Portal Lebensmittelklarheit.de zeige die Verunsicherung und Fragen der Verbraucher. Wer Transparenz wolle, der müsse auch eine rechtssichere Veröffentlichung von Verstößen erlauben, damit Verbraucher sich daran orientieren können.

Karin Binder (Die Linke) fordert daher eine verbesserte Kennzeichnung von Fetten, Salz und Zucker.

Fazit: Die Fragen sind die gleichen wie in der letzen Legislaturperiode. Aber die Mehrheiten haben sich geändert.

Lesestoff:

[1] Schrödingers Katze ist ein physikalisches Gedankenexperiment. Zusammen mit einem Köder, der Gift über einen Zeitverlauf abgibt, ist die Katze in einem Kasten der keinen Einblick von außen zulässt in einem Übergangszustand zwischen tot und lebendig. Also paradoxerweise beides gleichzeitig.

Parlamentarisches Gentechnik-Chaos

Roland Krieg

Zurück