BMEL will breitere Ackerbaustrategie

Landwirtschaft

DBV-Ackerbaustrategie verfängt beim Bund nicht

Fünf Verbände der deutschen Landwirtschaft hatten sich erst Mitte Mai auf eine Ackerbaustrategie geeinigt [1]. Eine „Vorarbeit“ für die Politik sollte es sein, die im Koalitionsvertrag diese als Ziel formuliert hat. Eine starke Stimme aus der Praxis sollte sie sein, damit die Verbände und ihre Bauern nicht nur auf die Politik reagieren müssen, sondern einmal selbst das Heft in der Hand behalten. Der Wunsch hielt keine zwei Wochen. Diesen Dienstag erhielt er einen herben Dämpfer auf der 6. Ackerbautagung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) in Berlin. Die mit Spannung erwartete Replik des Staatssekretärs beim Bundeslandwirtschaftsministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), Dr. Hermann Onko Aeikens, fiel überraschend gedämpft aus.

Wichtige Schwerpunkte fehlen

Die vorgelegte Ackerbaustrategie sei eine „respektable Arbeit“, lobte Aeikens und wertete das Papier als „ersten Ball im Tor“. Aber: „Die Bundesregierung wird die Ackerbaustrategie weiter fassen müssen.“ Der Schwerpunkt der Verbände liege bei Betrieben im internationalen Wettbewerb. Die Bundesregierung hingegen müsse auch Umwelt und Gesellschaft berücksichtigen. Die Ackerbaustrategie der Verbände sei durchaus ein guter Schritt, die „eigene Position darzulegen“, aber: „Es sind viele Zielkonflikte zu lösen.“ Das gehe nur zusammen mit der Landwirtschaft. Aeikens stellte klar, dass nicht nur die Stimme der Landwirtschaft die Ackerbaustrategie formuliert.

Zu ökonomisch

Die acht Ziele und 18 Maßnahmen bieten zwar einen bunten Strauß an Themen, doch Aeikens ist die Strategie zu ökonomisch geprägt. Der Ackerbau steht im internationalen Wettbewerb und die Strategie soll diese Rolle nicht schmälern, erläuterte er. Doch die Kritik über die Landwirtschaft kommt nicht nur von den üblichen Kritikern, sondern bereits aus der Mitte der Gesellschaft und aus der Praxis selbst. Die von der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) vorgelegten zehn Thesen aus dem letzten Jahr seien ein wichtiger Schritt, „Verantwortung für das Ganze zu übernehmen und nicht nur die Gewinnmaximierung“ anzustreben. Der Schlüssel dafür sind Innovationen.

Die umfassenden Erklärungen Aeikens weisen darauf hin, dass der DBV dabei ist, die gesellschaftliche Entwicklung zu verschlafen. Wenn sich Landwirtschaft und Gesellschaft voneinander entfernen, nimmt der Abstand aus beider Sicht zu.

Skepsis gegenüber der Politik

Der Zeitplan ist ehrgeizig. Im März 2019 soll ein erster BMEL-Entwurf vorliegen. Dann geht es in die öffentliche Konsultation, bei der auch die Stimmen aus der Praxis eingeholt werden. Solange tauschen sich die Mitarbeiter aus dem Ministerium mit den Wissenschaftlern aus den Bundesforschungsinstituten aus. Die Ende dieses Jahres vorliegende Bodenzustandserhebung unterhalb landwirtschaftlicher Flächen wird mit ihrem Ergebnis in den Entwurf einfließen. Genauso wie die Nitratklage, die für den kommenden Monat aus Brüssel erwartet wird. Aeikens kritisierte die Branche, sich nur die wissenschaftlichen Ergebnisse zu Eigen zu machen, die ihr passten. So werde die EFSA-Empfehlung zu Glyphosat für eine Zulassungsverlängerung gelobt, für die Empfehlungen zum Neonicotinoidverbot aber kritisiert. Auch die gerade erst vorgelegte Studie der Leopoldina in Halle (Saale) zu Umwelttoxizitäten und der Forderung nach strengeren Zulassungsregeln für Pflanzenschutzmitteln hatte DBV-Generalsekretär Bernhard Krüsken in seiner Einleitung am Dienstag kritisiert, weil die Nutzenabwägung für die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln fehlte. Dies wies Aeikens zurück. Die Forschung an der Leopoldina habe einen guten Leumund. Aeikens forderte den DBV auf, diese Stimmen ernst zu nehmen.

„Es wartet viel Arbeit auf uns“, sagte er. Aber ein politisches Restrisiko bleibt. Denn wenn die Politik eingreift kommt beispielsweise eine Düngeverordnung heraus, an der zehn Jahre lang gearbeitet wurde; kommt ein Gesetz zum Ende der betäubungslosen Ferkelkastration ab dem 01. Januar 2019 heraus, bei der alle drei und die vierte mögliche Umsetzungsalternative ihre Praxistauglichkeit schuldig sind. Und Ende April hat die Agrarministerkonferenz in Münster gezeigt, dass die 16 Bundesländer noch nicht einmal einen gemeinsamen Startschuss für die Ackerbaustrategie hinbekommen. Die DBV-Kritik an der BMEL-Replik wird in den nächsten Wochen noch stärker werden.

Rechnung ohne BMEL

Nachdem die DLG mit den zehn Thesen im letzten Jahr dem DBV den politischen Wind aus den Segeln nahm, hat das BMEL jetzt einen Ventilator vor den Bug aufgestellt. Aeikens musste sich der Frage erwehren, ob seine Replik aus dem Bundesumweltministerium stamme. Doch insgesamt dreimal warnte der Staatssekretär die Branche, die Augen nicht zu verschließen. Der Rückgang der Biodiversität „ist Fakt“. Die Ressortforschung des BMEL kann die Anteile der Landwirtschaft an Nitrat im Grundwasser belegen. „Der Satz „Wir wissen es nicht“ bringe die Branche nicht weiter. Das nimmt uns die Gesellschaft nicht ab“, sagte Aeikens. Die Branche müsse auch deshalb an den Themen mitarbeiten, um die Landwirte aus der „Schusslinie“ zu nehmen. Die Ackerbaustrategie des Bundes werde am Ende ein politischer Kompromiss sein. „Die Regierungsstrategie braucht einen größeren Ansatz als die eines Berufsverbandes.“

Wolfgang Vogel vom DBV hatte zuvor noch stolz auf die Verbändearbeit hingewiesen: „Das haben wir gemeinsam gemacht.“ Bei der Rechnung aber offensichtlich das BMEL vergessen.  

Lesestoff:

[1] Gute Fachliche Praxis in Strategie gesetzt: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/ackerbaustrategie-aus-der-praxis.html

Roland Krieg

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