Boden mit Geschmack: Der Weinberg
Landwirtschaft
Boden des Jahres 2014: Weinbergsboden
Zum Internationalen Tag des Bodens am 05. Dezember hat das „Kuratorium Boden des Jahres“ bereits zum zehnten Mal einen Vertreter des unbekannten Ökosystems Boden an das Licht der Öffentlichkeit geholt. In diesem Jahr standen die bodenwissenschaftlichen Aspekte nicht im Vordergrund, sondern das Terroir. Ein Begriff aus dem französischen, der kaum zu übersetzen ist, aber den Boden des Jahres 2014 besser beschreibt als alle anderen Begriffe.
Boden, Wein und Kultur
Weinkenner rühmen „Ihren“ Südhang. Die Reife und das
Aroma eines bestimmten Weines, der nur in einem speziellen Wingert entstehen.
Das ist das Terroir: Die komplexe Mischung aus Standortfaktoen, wie Rohgestein,
Bewirtschaftung und Mikroklima, die den Zauber eines Weiß- oder Rotweins
ausmachen. Diesmal rückt der Weinbergsboden in den Vordergrund, der den Reben
Halt, Nährstoffquelle und Wachstumsmittelpunkt für viele Jahrzehnte ist. Der
Weinanbau gilt als Dauerkultur.
Bodenwissenschaftlich ist der Weinbergsboden ein
Rigosol. Das „rigolen“ bezeichnet einen regelmäßigen Tiefenumbruch, der zum
Auffüllen von meist Hausabfällen genutzt wurde. Diese Böden weisen einen
besonderen Mischhorizont, den R-Horizont, auf. Das tiefe Einmischen diente der
Verbesserung von Wasser- und Nährstoffverfügbarkeit. Rigosole gibt es auch in
Baumschulen und im Gartenbau.
Schon die Römer haben „rigolt“, im 17. Jahrhundert
wurde bis in drei Meter Tiefe organisches Material eingemischt. Das wurde alle
30 bis 80 Jahre bei Neuanlage eines Weinbergs gemacht. Heute ersetzen Maschinen
die Handarbeit. Die Winzer rigolen noch alle 20 bis 40 Jahre.
In Hanglagen entstanden die Trockenmauern, die dem
Boden Halt gaben. Nebenbei schufen die Menschen wahre Kulturlandschaften, die
mit dem Wein als Produkt auch ein spirituelles Erzeugnis in die Welt schicken. Gerade
der Weinbau zeigt die Verbindung zwischen Boden-, Agri- und Sozialkultur.
Klangvolle Namen
Nicht alle Weinbergsböden sind Rigosole. Aber die meisten.
Während Verbraucher Kartoffeln oder Getreide keiner wirklichen Region zuordnen
können, verbreiten die Weinbaugebiete mit ihren Herkunftsnamen wie Ahr, Saale
oder Mosel Erwartungen und Qualität. Da ist wieder das Terroir, das Spiegelbild
der Landschaftskultur, die
unverwechselbar wie ein Charakter ist.
Rund 102.000 Hektar Weinbau gibt es in Deutschland.
Weil Rheinland-Pfalz mit 63.000 Hektar die Königin unter den Weinbau-Ländern
ist, fand die Kürung auch in seiner Landesvertretung in Berlin statt. Es folgt
Baden-Württemberg mit 27.500 Hektar. Bayern und Hessen haben mit 6.000 und
3.500 Hektar noch vierstellige Anbauflächen, Sachsen-Anhalt, Sachsen und
Thüringen folgen mit 600, 400, 100 Hektar. Nordrhein-Westfalen liegt mit 20
Hektar auf einem Ausnahmeplatz.
Nicht in Vergessenheit sollten die Weinoasen in
Mecklenburg-Vorpommern geraten. Als an Rhein und Mosel schon Tausend Jahre lang
Weinbau praktiziert wurde, verzeichneten Urkunden um 1229 bei Güstrow den
ersten klösterlichen Weinbau. Der Wein wurde zu liturgischen Zwecken verwendet.
Auch für einige Adelige hat der Rebensaft gereicht, dessen Anbau Ende des 18.
Jahrhunderts aber zum Erliegen kam.
Stärker hat sich in Brandenburg der Rebenanbau
wiederbelebt. Der kam im 30-jährigen Krieg durch billige „Südimporte“ zum
erliegen. Heute verzeichnet Brandenburg wieder 30 Hektar zugelassene
Rebflächen, die sich auf 18 Weinbaustandorte verteilen. Mit 6,2 ha ist der
Wachtelberg in Werder an der Havel das größte märkische Weinbaugebiet.
Das rote Ahrtal
Eines der kleinsten Weinbaugebiete in Rheinland-Pfalz
liegt mit 560 Hektar Rebfläche im Tal der Ahr. Hier gibt es auch mit 68 Prozent
Neigung die steilsten Hangflächen. Im östlichen Teil des Flussverlaufs wachsen die
Reben auf Flussterassen. Das Tal liegt geschützt im Wind- und Regenschatten der
Eifel und profitiert vom milden atlantischen Klima. Die Ahr fließt ordentlich
in West-Ost-Richtung und bietet daher an der Nordseite Hänge, die gen Süden
zeigen. Die steilen Hänge mit dunklem Fels heizen sich schnell auf und geben die
Wärme langsam an die Reben ab, so dass sie auch nachts ausgeglichene
Temperaturen genießen können. Die einzelnen Ahrschleifen teilen das 18
Kilometer lange Weinbaugebiet in kleinteilige Anbauräume ein. Berühmt ist das
Ahrtal, weil 80 Prozent der Reben roten Wein liefern. Die Ahr gilt als
deutsches klassisches Rotweinanbaugebiet. Der blaue Spätburgunder wird am meist
angebaut.
Zwei Drittel der Weinbergsböden sind kalkfrei
sandig-lehmig oder lehmige Schieferböden. 22 Prozent sind teils kalkhaltige
Lehmböden. Ein Teil der Böden ist Sandstein, der das Wurzelwachstum der Rebe
besonders herausfordert. Die Nährstoffvorräte sind gering, weswegen das rigolen
hier besonders bedeutsam ist. Die sandigen Lehme erwärmen sich rasch und bringen
feingliedrige Weine hervor. In der Talweitung ab Bad Neuenahr hingegen ist der
Sandstein zersetzt und bieten den Reben Tiefgründigkeit. Hier wachsen Weine mit
fruchtiger Ausprägung.
Auf die Weinbergsböden fiel die Wahl auch durch die
politische Aufmerksamkeit. In Europa gilt das Pflanzrecht. Nicht jeder kann
beliebig Reben anbauen. Kürzlich erst in der EU verlängert sichert diese Mengenregelung
die Produktion in den Steillagen, die arbeitsaufwendiger und teurer als im
Flachland ist. Bei einer Freigabe würden die Winzer die Steillagen wohl
aufgeben.
Erosionsminderung
Der Weinbau ist heute anspruchsvoller geworden. Haben sich die Gemeinden und Winzer in der Vergangenheit damit begnügt, einen Erosionsschutz am Hangfuß anzulegen, damit der braune Schlamm nach einem Starkregenereignis nicht durch die Dörfer fließt, wandert der Erosionsschutz jetzt hangaufwärts, berichtet Uwe Richter von der Hessischen Verwaltung für Bodenmanagement und Geoinformation. Acht Wingerts im Rheingau und vier an der Bergstraße befinden sich in der Flurneuordnung, die nach den gleichen Prinzipien wie bei den Ackerflächen verläuft. Es werden Grundstücke so getauscht, dass die einzelnen Flächen wirtschaftlich sind. Seit 2008 erhalten speziell die Steillagen einen Erosionsschutz. Die Rebenzeilen werden auf bis zu 130 Meter Länge gestutz und verlaufen neu nur noch parallel der Höhenlinien. Auch die Wege verlaufen parallel. Damit soll vor allem der „Fremdeintrag von Wasser“ vermieden werden. Das heißt: Wasser kann aus den Rebflächen noch bergwärts auf den Weg laufen, wird aber per Seitenführung zu Versickerungsbrunnen geführt. Talwärts darf Wasser den Weg nicht in die Anlagen finden. Das Wassersoll innerhalb einer Zeile bleiben. Die Winzer müssen umdenken, denn dadurch verlieren sie Fläche. Doch Uwe Richter rechnet gegen: Lieber den Boden durch Erosionsschutzmaßnahmen dauerhaft behalten, als kurzfristig mehr Fläche bewirtschaften.
Getreide und Ackerbohnen begleiten die Traube
Die Offenhaltung des Bodens zwischen den Rebenzeilen war lange Tradition. Das beeinflusst auch tatsächlich den Geschmack im Positiven, räumt Matthias Petgen ein. Er ist vom Dienstleistungszentrum Rheinland-Pfalz (DLR), was früher die Forschungsanstalt für Weinbau und Gartenbau gewesen ist. Heute spielen andere Aspekte eine Rolle. Wird der Boden zwischen den Reben bepflanzt, hält sich die Feuchtigkeit in trockenen Jahren besser, steigt die Befahrbarkeit, sammeln Leguminosen Stickstoff aus der Luft und sammeln Humus an. Ölrettich, Raps, einjähriges Weidelgras oder Malven eignen sich für eine Sommerbegrünung, als Wintergrün stehen Kruziferen, Wintergetreide, Erbsen und Ackerbohnen zur Verfügung.
Lesestoff:
Roland Krieg