Brache für die Hasen
Landwirtschaft
Sind Häsinnen Rabenmütter?
So langsam werden die Langohren wieder sichtbar. Die Feldhasen sind eigentlich dämmerungs- und nachtaktiv, sind jedoch vereinzelt schon wieder auf den Feldern unterwegs. Grund sind die Paarungsrituale, denn schon im Frühling bekommen Feldhasen den ersten Nachwuchs. Oft ist der Wurf im April und Mai bereits der zweite. Vom ersten Wurf im Januar und Februar kommt oft allerdings nur ein Jungtier durch. Die ersten Hasenkinder werden in den ersten Lebenswochen von ihrer Mutter nur einmal täglich einige Minuten lang gesäugt. Vernachlässigen Häsinnen ihren Nachkommen also sträflich? Weniger ist mehr
Die Deutsche Wildtier Stiftung hat die Lebens- und Aufzuchtbedingungen der selten gewordenen Feldhasen untersucht und kommt zu dem Schluss: Nein, Häsinnen sind keine sprichwörtlichen Rabenmütter. Ein häufiger Besuch der Häsin würde vielmehr nur unnötig die Aufmerksamkeit von Füchsen und Greifvögeln auf die Jungen lenken. „Die Kontaktvermeidungsstrategie der Häsin ist somit überlebenswichtig für ihren Nachwuchs. Hasenmütter säugen ihren Nachwuchs immer kurz nach Sonnenuntergang, um möglichst unentdeckt zu bleiben. Die restliche Zeit des Tages verbringen die kleinen Hasen in den ersten Lebenstagen mit Warten. Sie kauern regungslos in kleinen Erdmulden – so genannten Sassen – in der Hoffnung, nicht von ihren Feinden bemerkt zu werden“, so Prof. Klaus Hackländer, Feldhasen-Experte der Deutschen Wildtierstiftung.
20 Prozent Fett
Damit die Jungen bei der seltenen Säugung genug Energie und Nährstoffe bekommen, muss die Hasenmutter Milch mit einem sehr hohen Fettanteil von mehr als 20 Prozent produzieren. Dazu braucht sie viele fettreiche Wildpflanzen und -kräuter. Doch diese findet sie heute kaum noch auf den landwirtschaftlichen Flächen: Die intensive Landwirtschaft mit ihren Monokulturen lässt keinen Platz für Pflanzenvielfalt. Ganz besonders wichtig sind deshalb abwechslungsreiche Brachflächen, die aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen wurden und eine Vielfalt an Gräsern und Kräutern aufweisen können. Derzeit liegen in Deutschland rund eine Million Hektar brach. Das sind in etwa 10 Prozent der gesamten Ackerfläche. Die Bedeutung dieser Flächen konnte Prof. Hackländer in seiner Habilitation erstmals wissenschaftlich belegen: „Auf Brachen finden Hasenmütter genau die Nahrungspflanzen, die ihre Milch nährstoff- und fettreich macht. Brachflächen erhöhen somit die Überlebenswahrscheinlichkeit der Junghasen. Dies zeigt sich an einer höheren Bestandsdichte in Gebieten mit einem hohen Brachflächenanteil.“
Die Saatgutmischung macht’s
Im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts „Lebensraum Brache“ haben die Deutsche Wildtierstiftung und ihre Projektpartner bisher 2.44 Hektar Stilllegungsfläche mit speziellen Saatgutmischungen Wildtierfreundlich gestaltet. Die für das Projekt heißen beispielsweise „Lebensraum I“ und bieten den Häsinnen ein breites Spektrum an Pflanzen. Eine andere Mischung heißt Odin Wildäsung und besteht u.a. aus Luzerne, Inkarnatklee, Stoppelrüben, Phacelia, Sommerhafer, Bitterlupinen, Kulturmalve, Dinkel und Sommerweizen. Pro Hektar müssen 10 bis 12 kg ausgebracht werden. Damit jedoch die in der Sasse verharrenden Jungtiere nicht durch die Mähwerke der Bauern getötet werden, konnte eine Sperrfrist für das Mähen auf Stilllegungsflächen während der Hauptaufzucht vom 01. April bis zum 15. Juni erwirkt werden. Weitere Informationen gibt es auf den Seiten www.DeutscheWildtierstiftung.de und www.Lebensraum-Brache.de
Meister Lampe
Warum dem kleinen Fellträger der Name Langohr angetragen wird, ist schnell ersichtlich. Den Beinamen Mümmelmann erhält er auf Grund seiner Kinnbewegungen beim Fressen. Meister Lampe heißt er wegen seines leuchtenden Schwänzchens. Sein Sehvermögen reicht zwar gerade nur aus, um Bewegungen zu erkennen, jedoch sind Gehör, Geruch, Geschmack und der Tastsinn sehr hoch entwickelt. Von den drei bis vier Würfen der Häsin können bis Jahresende sechs Jungtiere überleben, von denen die im Januar geborenen bereits im Oktober ihrerseits Nachkommen haben können.
Deutsche Wildtierstiftung, roRo