Brancheninitiative: Abkehr von der Massenbilanz?

Landwirtschaft

ITW prüft Kennzeichnung nach Aufforderung des Kartellamtes

Die Bundesbürger sind gewohnt nach Label Ausschau zu halten, damit sie sich im Dschungel der Artikel für das Produkt ihrer Wahl entscheiden können. Siegel selbst sind aber längst auch zu einem Dschungel geworden. Zwischen acht und zehn Siegel kommen jährlich auf den Markt. So ist die Massenbilanz der Initiative Tierwohl, die als einzige die gesamte Kette vom Erzeuger bis zum Handel vereint, revolutionär gewesen und manchmal von viel Skepsis begleitet.

Doch setzt sich die ITW als Erfolgsmodell durch und hat längst Erweiterungen angekündigt. Das Bundeskartellamt hat in seiner Mitteilung vom Donnerstag das Programm bis Ende 2020 genehmigt und bekommt von Kartellamtschef Andreas Mundt sogar Lob: „Wir begrüßen Initiativen zur Förderung der artgerechten Tierhaltung. Das Wettbewerbsrecht steht solchen Vorhaben nicht im Wege. Da mit der Initiative Tierwohl branchenübergreifend auch wettbewerbsrelevante Faktoren abgestimmt werden, müssen wir aber sicherstellen, dass der Verbraucher davon auch wirklich profitiert.“

Das aber funktioniere nur, wenn der Verbraucher die Ware auch auf den Gehalt an Versprechen überprüfen kann. Für den Bereich Geflügel hat die ITW ab 2018 bereits eine „Nämlichkeit“ der Ware angekündigt. Damit kann der Kunde auf der Verpackung ablesen, ob das Fleisch auch zur Initiative Tierwohl gehört.

Infolgedessen hat das Bundeskartellamt die Massenbilanz für Schweinefleisch kritisiert. Für jedes Kilo Fleisch zahlt der Handel aktuell vier und ab nächstem Jahr sogar 6,25 Cent in den Tierwohl-Fonds. Ausgezahlt wird das Geld lediglich an die Teilnehmer der Initiative. So kommt das Geld zwar nur den teilnehmenden Landwirten zugute, wird aber auch für Fleisch von außerhalb eingesammelt. Eine Art Umlagesystem, dass über die Massenwirkung den Landwirten zur Teilnahme einlädt.

Das reicht dem Kartellamt aber nicht: „Für den Bereich Schweinefleisch fordert die Behörde hingegen die Einführung einer Kennzeichnung für den Verbraucher.“ Das hat die ITW bislang nicht vorgesehen. Das Bonner Amt gibt der Initiative bis 2020 Zeit für eine Umsetzung.

Dr. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der ITW, fühlt sich durch die Einführung der Nämlichkeit für Geflügelfleisch ab 2018 bestätigt. „Der Hinweis der Wettbewerbshüter, dass künftig auch bei Schweinefleisch die Nämlichkeit erreicht werden müsse, wird von der Initiative Tierwohl aufgenommen.“ Den Zeitplan allerdings nennt Hinrichs „ambitioniert“, denn dafür muss die Rückverfolgbarkeit durch die gesamt Lieferkette gewährleistet werden. Ob damit das Zahlungsmodell infrage gestellt wird, wenn jetzt doch zwei am Label unterscheidbare Schnitzel in der Kühltruhe nebeneinander liegen und unterschiedlich bevorzugt werden, ist noch offen. Wurde aber weder vom Kartellamt noch auf Anfrage an die ITW in Betracht gezogen.

Brancheninitiative gegen staatliches Tierwohllabel

Bevor die neue Bundesregierung sich dem Thema Landwirtschaft zuwenden kann, muss sie sich erst einmal farblich sortieren. Und da gibt es wichtigere Themen als die Agrarwirtschaft. Dennoch hat Dr. Werner Kloos aus dem Landwirtschaftsministerium und zuständig für die Nachhaltige Nutztierstrategie am Donnerstag auf der Jahrestagung der Futtermittelwirtschaft (Deutscher Verband Tiernahrung, DVT) das Festhalten am staatlichen Tierwohllabel unterstrichen. Doch: Trotz vieler politischer Aktivitäten vor der Wahl ist das Ansinnen kaum vom rechten Fleck gekommen. So wird sich die neue Regierung auch erst darüber klar werden müssen, „unter welchen Bedingungen“ es weitergeht und „wie die Zusammenarbeit mit der Initiative Tierwohl“ aussehen könnte, so Dr. Kloos. Es kann auch anders ausgehen: Gegen die Fortführung der politischen Initiative werde der Ruf nach einer Branchenorganisation lauter.

Dr. Heinz Schweer, Direktor Landwirtschaft beim Schlachtkonzern Vion, drückte sich klar aus: „Das staatliche Label muss in die Initiative Tierwohl integriert werden.“

Roland Krieg

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