Brasilien und sein Zuckerrohr

Landwirtschaft

Zuckerrohr der zweiten Generation

„Wir haben zwar noch viel zu lernen, aber wir haben auch noch viel Potenzial.“ So fasst Luis Carlos Job aus dem brasilianischen Landwirtschaftsministerium im Rahmen des Global Forum for Food and Agriculture (GFFA), das wiederholt im Rahmen der Internationalen Grünen Woche in Berlin Politik und Experten der Land- und Ernährungswirtschaft zusammenbrachte.

Agrarriese Brasilien

Brasilien hat sich in den letzten Dekaden neu erfunden. War das Land rund um den Zuckerhurt in den 1960er Jahren noch ein Nahrungsmittelimporteur, so werden heute Agrargüter im Wert von 76 Milliarden US-Dollar in 212 Länder geflogen oder verschifft.

Dahinter steckt ein großer Produktivitätssprung. 1992 wurden auf 39 Millionen Hektar 76 Millionen Tonnen Getreide geerntet. Im Jahr 2013 waren es 197 Millionen Tonnen Getreide auf 55 Millionen Hektar. Im Vergleich: Die Ackerfläche in Deutschland beträgt rund 12 Millionen Hektar.

Biomasse en masse

Biomasse stammt aus einer Vielzahl von Quellen: Wälder, Energiepflanzen, Beiprodukte aus der Verarbeitung, die nicht für Nahrungszwecke eingesetzt werden können, sowie Abfälle aus der Lebensmittelindustrie. An der Spitze steht das Zuckerrohr mit einem Anteil von 16 Prozent. Wasserkraft (12 Prozent), Holzkohle (8,3 Prozent) sowie ein Prozent ölhaltige Pflanzen für Biodiesel runden die Palette der erneuerbaren Energiequellen ab.

Das Land hat die Potenziale noch lange nicht ausgeschöpft. Derzeit werden rund 60.000 Tonnen Holzpellets erzeugt. 240.000 Tonnen sind möglich. Auch bei den Energiepflanzen sind Reserven. Das Land plant 23.000 MW aus diesen nachwachsenden Quellen zu erzeugen.

Ethanolmarkt

Brasilien hat zwar 1930 die weltweit erste industrielle Ethanol-Produktion aus Melasse auf die Beine gestellt, die weitere Entwicklung folgte aber erst mit dem in den 1970er Jahren aufgelegten Programm Proálcool. Brasilien ist mit der Ethanol-Produktion nicht mehr alleine. 2003 wurden noch 20 Millionen Kubikmeter produziert, seit 2010 stabilisiert sich der Ertrag bei 80 Millionen Kubikmeter. Was Brasilien auf dem Weltmarkt verloren hat, haben die USA mit ihrem Ethanol aus Mais gewonnen, sagte Luis Carlos Correa Carvalho aus der Zuckerrohrbranche.

Den Anstieg in der Ethanolgewinnung verdankt die Branche der Einführung des E100-Autos. Die Kraftfahrzeugindustrie hat sich darauf eingestellt. Derzeit gibt es 16 Hersteller, die 212 verschiedene Modelle für den Flex-Betrieb produzieren. Sie fahren als Elektroauto und mit Ethanol. Aktuell sind etwa 22 Millionen Flex-Autos in Brasilien unterwegs und 14 Millionen weitere, die auf den Mix Ethanol und Normalbenzin setzen.

Faser-Zuckerrohr

Zuckerrohr hat innerhalb dieser Branche einen großen Entwicklungsschritt gemacht. 1970 wurden von einem Hektar Zuckerrohr 2.600 Liter Ethanol erzeugt, heute sind es 7.100 Liter. Luis Carvalho bezeichnet das als „Lernkurve der Ethanolproduktion.“

Die Brasilianer ernten von einem Hektar Zuckerrohr 85 Tonnen Frischmasse, was 1,2 Barrel Rohöl entspricht. Aus einer Tonne werden im Durchschnitt 153 kg Zucker, 276 kg Bagasse und 165 kg Stroh.

Seit 500 Jahren wird Zuckerrohr züchterisch bearbeitet. Züchtungsziel ist ein hoher Zuckergehalt. Vor dem Hintergrund der brasilianischen Energiewende, stehen neue Züchtungsziele im Vordergrund, erklärte Carvalho. Faser-Zuckerrohr wird nur noch vier bis sechs Prozent Zucker und nicht mehr 14 bis 16 Prozent aufweisen. Die Trockenmasse wird von 40 auf 160 Tonnen pro Hektar erhöht und während das Süßgras für die Zuckerproduktion sechs Jahre lang genutzt werden kann, stellt sich Carvalho beim Faser-Rohr 20 Jahre vor. Um die neuen Sorten zu entwickeln, wünscht sich die Branche eine stabile Politik mit wenig wechselnden Rahmenbedingungen.

Roland Krieg

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