Brauchen wir ein GAP-Delivery-Gesetz?

Landwirtschaft

EU-Länder müssen Verantwortung übernehmen

Im Zeitverlauf folgt die Gemeinsame Agrarpolitik den sich verändernden Marktbedingungen  im Sektor. Die Not, Ernährung grundlegend zu sichern, haben die Mitgliedsländer der EU weit hinter sich gelassen. Subventionspolitik und technischer Fortschritt häuften Butterberge an und füllten Milchseen. Der Landwirt als Unternehmer wurde ein neues Leitbild und im Siebenjahresrythmus behutsam aus der staatlichen Vollversorgung in die Marktwirklichkeit entlassen. Der ehemalige Agrar-Kommissar Ray MacSharry startete 1992 den Abbau von Stützpreisen. Mittlerweile fordert die Gesellschaft natürliche Produktionsprozesse ein, was in der aktuellen Förderperiode der GAP (2013-2020) zum so genannten Greening führte. Erstes öffentliches Geld für öffentliche Leistungen.

Jetzt geht der aktuelle Agrar-Kommissar den Weg weiter, korrigiert die umstrittenen Greening-Anforderungen durch eine neue grüne Architektur und gibt den Ländern über ein „Delivery Model“ mehr Verantwortung zur Ausgestaltung der GAP. Die Reformen sind in sich konsistent, balancieren nicht nur individuelle Wünsche von 28 Mitgliedsländern aus, sondern reagieren auf sich verändernde Umstände.

Umwelt, Geld und Regionalisierung sind die großen, aber auch altbekannten Streitpunkte jeder GAP-Förderperiode. Die Umweltaspekte werden nie allen Wünschen gerecht. Beim EU-Gesamtetat verursacht der Brexit eine jährliche Lücke von 12 Milliarden Euro im Jahr und die Länder haben es sich angewöhnt, alles was nicht funktioniert, in die Brüsseler Schuhe zu schieben.

Beim Geld hört bekanntlich der Spaß auf. Doch, wenn die Länder die GAP für eine Diskussion über eine Konvergenz der Zahlungen nutzen, liegen sie falsch. Das ist keine GAP-Politik, sondern wird im Haushaltsressort festgelegt. Um die Lücke aus den fehlenden Britenüberweisungen zu schließen könnten die Mitgliedsländer ihre Zahlungen erhöhen. Derzeit liegt die Obergrenze bei einem Prozent des Bruttosozialproduktes. Doch einige Länder wehren sich partout gegen höhere Zahlungen. Gleichzeitig wollen einige Länder sich partout gegen jede Form der GAP wehren, die einen kleineren Haushalt vorsieht. Da am Ende die GAP nach dem Mehrjährigen Finanzrahmen beschlossen wird, sieht es derzeit für die Agrarpolitik finster aus. Ohne höheren EU-Etat und bei kleinerem Agraretat schließen sich die Protagonisten derzeit gegenseitig aus.

GAP Etat
Europäische Kommission: GAP-Anteil Deutschland 2021 bis 2027

Doch um welche Summen handelt es sich hier? Zuletzt stritten Parlament und Kommission über unterschiedliche Haushaltsgrößen, die jedoch ausschließlich auf verschiedener Rechenbasis beruhen. Die einen argumentieren mit laufenden Preisen, die anderen mit Preisen auf der Basis von 2018. Im Vergleich dazu ergeben sich für Deutschland folgende Haushaltsgrößen.

Die Kürzungen im Fonds für den ländlichen Raum (ELER) können aus Sicht der Kommission regional ausbalanciert werden. Das hatte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner auch bereits vorgerechnet. Zumal im letzten Jahr die vorhandenen Gelder nicht ausgeschöpft wurden [1].

Neben der Notwendigkeit einer Etatanpassung macht die EU beim Delivery Model ernst. Ob das aus dem Geist wahrer Erkenntnis geschieht, oder aus Frust, weil sich alle immer über Brüssel beschweren, bleibt offen. Auf jeden Fall haben die Mitgliedsländer die Möglichkeit, es besser zu machen. Falls, wie es in Brüssel heißt, die Länder die damit verbundenen Verwaltungsvereinfachungen nicht konterkarieren. Die EU will nur noch spezielle Ziele, die Indikatoren und grundlegende Ziele festlegen. Die Bedarfsermittlung als politische Verantwortung und die technische Umsetzung erfolgt in den Mitgliedsländern. Entsprechende Strategiepläne werden innerhalb von acht Monaten in Brüssel notifiziert. Sie können bei Bedarf von den Ländern einmal pro Jahr korrigiert werden. Mit diesem Riegel der Strategiekontrolle kann die EU weiterhin auf marktverzerrende Elemente wie gekoppelte Zahlungen achten. Der Binnenmarkt soll vor einem Wettbewerb der Regionen geschützt bleiben. In der neuen Förderperiode bleibt Deutschland weiterhin das einzige Land, das auf gekoppelte Zahlungen verzichtet.

Das GAP-Modell enthüllt seine Schätze erst im Detail. Möglicherweise ist das der Grund, warum zuletzt im Agri der Ton schärfer wurde [2]. Jetzt sind zunehmend die Länder gefordert. Die EU will nicht mehr auf 100 Seiten vorgeben, was eine gute Fruchtfolge ist. Die ist standortbezogen und kann jetzt regional ausgewählt werden. Die Landwirte müssen beispielsweise aus der Sackgasse der Resistenzbildung herausfinden und suchen nach Lösungen. Betriebsindividuell und regional. Diese neue Freiheit macht Angst.

Deutschland ist nicht das einzige föderale Land in der EU. Bislang haben die Bundesländer mit der EU-Kommission ihre Regionalförderung ausgemacht und über die Agrarministerkonferenz den Bund zu politischen Aufgaben in Richtung Brüssel gedrängt. Jetzt muss die Bundesregierung einen strategischen Plan bei der Kommission einreichen, der für 16 Bundesländer gilt. Für die Föderalisten zunächst ein Unding. Wie das umgesetzt wird und ob dafür ein eigenes „GAP-Delivery-Gesetz“ erlassen werden muss, ist nach Aussage eines Experten aus dem Agrarministerium noch offen. „Ein Plan mit Rücksicht auf regionale Bedürfnisse“ heißt die legislative Herausforderung. Das Ministerium prüft, welche Möglichkeiten es gibt.

Überhaupt ist die Prüfung des Kommissionsentwurfs in Berlin nicht abgeschlossen. Die Marktorientierung, die Zahlungen mit verschiedenen Funktionen, der „ambitionierte“ zumindest höhere Umweltschutz als in der aktuellen GAP werden als positiv bewertet. Dass andere Länder ihre gekoppelten Zahlungen sogar noch ausweiten wollen und das Entbürokratisierung und Subsidiarität geringer als angekündigt ausfallen, wird kritisiert. Auch mit der Bagatellregelung ist Berlin noch nicht zufrieden. Was ein „echter Landwirt“ ist, stellt die Behörde offenbar vor ein großes Definitionsproblem. Bedenken gibt es auch bei der Berücksichtigung der Arbeitskraft im Fall eventueller Kappung und Degression.

Nach wie vor bleibt die Frage spannend, wann die GAP 2020 kommt. Die Kommission sieht im Parlament das größte zu überwindende Hindernis. Obwohl Berichterstatter Herbert Dorfmann zu den besonnenen Abgeordneten gehört [3]. Geplant ist eine Einigung zwischen Kommission, Rat und Parlament im Mai 2019. Das wäre vor der anstehenden Wahl eines neuen Parlamentes das letzte Zeitfenster. Allerdings würde das alte Parlament, dem neuen die GAP auf den Tisch legen. Wenn die Abgeordneten dem neuen Parlament die Mitverantwortung geben möchte, dann wird es vor Herbst 2019 keine Einigung geben und eine Übergangsphase notwendig.

Es ist in Brüssel und den Hauptstädten noch viel zu tun.

Lesestoff:

[1] Mehrjähriger Finanzrahmen ab 2020: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wie-viel-ist-uns-europa-wert.html

[2] Phil Hogan im Agri: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/gap-der-ton-wird-rauher.html

[3] Agri-Abgeordnete besorgt über Regionalisierung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/agri-diskutiert-ueber-die-gap-2020.html

Roland Krieg

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