Braucht das Klima eine Konferenz?
Landwirtschaft
COP 17 in Durban
Der Countdown läuft. Ende November beginnt im südafrikanischen Durban die Klimaschutzkonferenz. Die 17. Conference of the Parties (COP) will vor dem Hintergrund des Klimawandels ein Nachfolgeprotokoll für Kyoto finden, bei dem sich einzelne Nationen ihre Ziele zur Reduzierung der Treibhausgase festgeschrieben haben. Die erste Verpflichtungsperiode läuft im nächsten Jahr aus.
Komplexe Prozesse
Der Klimawandel ist ein komplexer Prozess, dessen
Folgen in Deutschland nicht jeder bemerken wird. Andere Regionen reagieren auf
steigende Temperaturen und veränderte Niederschlagsmuster und -mengen deutlich
sensibler.
Der Kurzfilm „Folgen des Klimawandels“ der Heinrich
Böll Stiftung zeigt tiefe Erosionsrinnen in Äthiopien. Der Regen fällt in der
warmen Jahreszeit häufiger und intensiver. In nur zwei Jahren hat er in
entwaldetem Grasland mannshohe Gräben hinterlassen, die zu reißenden Flüssen
werden. Das Wasser schwemmt fruchtbaren Ackerboden fort. Nach dem Regen wird es
sofort wieder trocken und heißer als früher: Teff, eine traditionelle Hirseart
in Äthiopien reift nicht mehr so ertragsreich heran wie früher, berichten Bauern.
In der warmen Jahreszeit sammelt sich Restwasser in
flachen warmen Tümpeln und bietet der Anopheles-Mücke beste Brutgelegenheit:
Ein Arzt berichtet, dass in den letzten 20 Jahren die Zahl der Malaria-Fälle um
70 Prozent zugenommen hat und sich die Krankheit bis in das Hochland
ausbreitete.
Ein Fischer am Viktoriasee zeigt auf einen 70 Meter
langen Steg. So weit liegen die Boote mittlerweile vom Ufer entfernt, weil das
Wasser zurückgeht. Und nicht nur das. Die Netze bleiben oftmals leer, um die
letzten Nilbarsche, einem beliebten Exportfisch nach Europa, streiten
mittlerweile die Fischer aus Uganda, Tansania und Kenia.
Der Afrikagipfel
Zusammen mit der Heinrich Böll Stiftung veranstaltete
die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die im
Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung die technische Entwicklungshilfe umsetzt, einen Medienworkshop zum
17. Klimagipfel.
In der Diskussion am Montagabend bezeichnete Masego
Madzwamuse aus Südafrika ihren Kontinent als „Hotspot“. Die Direktorin des Open
Society Institute South Africa erläuterte, warum der Klimawandel Afrika viel
härter trifft als Europa oder Nordamerika. Es gibt vereinzelt Länder wie Ghana,
die ein Wirtschaftswachstum von sechs Prozent aufweisen, aber die Hälfte der
Afrikaner südlich der Sahara lebt unter der Armutsgrenze. Im Jahr 2007 hungerte
jeder siebte Afrikaner, rund 95 Millionen Menschen. Wenn sich das ausbreitet,
was der Film zeigt, dann halbiert sich überall die Ernte, das
Bruttosozialprodukt in Süd-Afrika geht um neun Prozent zurück. Mit dem
Schwinden der Nahrungssicherheit gehe auch die letzte politische Stabilität
verloren, so Madzwamuse. Alle bisherigen Erfolge einer nachhaltigen Wirtschaft
brechen zusammen.
Das der nächste Klimaschutzgipfel in Afrika
stattfindet, bietet den afrikanischen Ländern stellvertretend für alle
Entwicklungsländer eine Gelegenheit, auf sich und ihre Nöte aufmerksam zu
machen. Nicht nur gegenüber der Welt, sondern auch nach innen gerichtet. Das
Bewusstsein um den Klimawandel ist trotz der Beispiele in dem Film bei den
meisten Afrikanern nicht ausgeprägt. Der Klimawandel führe zwar zu einer
globalen Erwärmung, welche Folgen es aber für den Einzelnen in seinem Alltag
hat, werde nicht erkannt, berichtet Madzwamuse.
Wachstum ohne Emissionen
Auch der 17. Klimagipfel führt nicht zum Erfolg. Nach
Tadzio Müller, Sprecher von Climate Justice Action, liegen keine neuen
Reduzierungspläne von Treibhausgasen auf dem Tisch. Auch der Klimafonds für die
Anpassung an den Klimawandel soll nicht besprochen werden. Alle 16 Klimagipfel
vorher haben zu keinem Ergebnis geführt: „Und täglich grüßt das Murmeltier“, kommentiert
Müller das jährliche Versagen.
Müller gehört zu denjenigen, die von einem Klimagipfel
einen „Big Bang“ erwarten. Eine Generallösung für ein komplexes Problem.
Mohamed Adow von Christian Aid in Kenia ist differenzierter. Die bisherigen
Gipfel scheiterten, weil es keine starke Führungsrolle einer Organisation wie
der UN oder eines Wirtschaftsraumes wie der EU gegeben hat. Länder, die mit dem
Rücken an der Klimawand stehen haben die ausgeprägtesten Forderungen, so Adow.
Länder, die schon ein bisschen Wohlstand erreicht haben, wollen diesen nicht
durch Regelungen aufs Spiel setzen.
Dahinter steckt die Frage, ob ein wirtschaftliches
Wachstum von der Erzeugung von Treibhausgasen entkoppelt werden kann.
Tadzio Müller sagt es ganz deutlich. „Nein!“. Lediglich
im wirtschaftlichen Krisenjahr 2008 und im Jahr 1990 als im Osten die
Wirtschaft zusammenbrach, gingen die Treibhausgase zurück. Dr. Jörg Rothhermel
von der Fachvereinigung Energie, Klimaschutz und Rohstoffe im Verband der
chemischen Industrie hingegen glaubt an die „Entkopplung“ von Wachstum und
Treibhausgase. Sein Verband erzeuge heute nur noch 47 Prozent des
Emissionsausstoßes gegenüber dem Jahr 1990 und verbrauche netto weniger
Energie. Erreicht haben das die Chemiker durch effiziente Nutzung und
Herstellung. Für andere Branchen könne das zum Vorbild werden. Ob das jedoch
wirklich übertragbar ist, bezweifelt Masego Madzwamuse. Afrika brauche für
seine Entwicklung ein Mehr an Emissionen. Eine entkoppelte wirtschaftliche
Entwicklung sei zu teuer und die Technik kaum verfügbar.
Zugpferd ohne Vorreiterrolle
Die EU und Deutschland wollen beim Klimaschutz ein
Zugpferd spielen, betont Andrew Smith, Referent im Bundesinisterium für Umwelt.
Auch Dr. Rothhermel sieht eine Vorbildfunktion für das Wachsen ohne Emissionen.
Aber in der ersten Reihe wollen sie nicht stehen. Die EU habe mit einem Anteil
von elf Prozent an den weltweiten Treibhausgasemissionen keine große
Hebelwirkung, schränkt Smith ein. Auch Rothhermel sieht Grenzen: Kaum ein
Einzelner werde freiwillig auf Wohlstand verzichten, um die Emissionen zu
senken. Man müsse zunächst einmal die eigenen Bürger von einem alternativen
Wachstum überzeugen.
Mohamed Adow wird konkret: Er erwartet von Durban,
dass die Industrieländer ihre Eissionen senken.
Klimapolitik und Klimaschutz findet täglich auch ohne
Gipfel statt. Tadzio Müller meint damit nicht nur die vielen Entwicklungshilfebeispiele,
die auf persönlichem Engagement beruhen. Das EEG und der Ausbau erneuerbarer
Energien fördere das Absenken der Emissionen. Dazu gehöre die Umstellung auf
den ökologischen Landbau und selbst das Abkommen über Eigentumsrechte. Würden,
so Müller, Patente auf Saatgut verboten, dann würde sich keine globalisierte
Landwirtschaft ausbreiten, sondern die Bauern könnten vor Ort ihre lokalen
Sorten anbauen und den Klimaschutz selbst in die Hand nehmen.
Ecuador war bereit, von der Förderung von Erdöl unter
dem Regenwald Abstand zu nehmen, wenn die internationale Staatengemeinde den
Verzicht mit einer Ausgleichszahlung belohne. Dieses Geld könnte in erneuerbare
Energien gesteckt werden. Das Zugpferd bäumt sich auf: Das BMZ zahlt nicht.
Trotz aller Widersprüche und erneutem Scheitern bleibt
der COP 17 wichtig. Andrew Smith: „Wir brauchen einen Prozess, den alle
mittragen können und der langfristig Ziele bis zum Jahr 2050 definiert.“
Lesestoff:
Die GIZ entstand durch eine Fusion von GTZ, DED und inwent.
Auch in Brasilien gibt es Forderungen, dass die Industrieländer für den Verzicht auf Ressourcen bezahlen. Hier geht es um den Bestand des Regenwaldes.
„Klimalast. Zu viel für einen Gipfel“. Themenschwerpunkt von Herd-und-Hof.de nach dem Klimagipfel in Kopenhagen im Abo-Bereich MARKTPLATZ (20. Dezember 2009)
Roland Krieg