BSE-Lebendtest ist eine Ente
Landwirtschaft
FLI warnt vor übertriebenen Erwartungen
Am Tierärztlichen Institut der Universität Göttingen wird seit einigen Jahren an der Entwicklung eines Lebendtests zur Entdeckung BSE-infizierter Rinder gearbeitet. Während ursprünglich ein BSE-Lebend-Test beabsichtigt war, sollen mit dem jetzt vorgestellten Testsystem Tiere erkannt werden, die ein erhöhtes Risiko für eine BSE-Infektion aufweisen. Dies ist nicht identisch mit dem Nachweis einer Infektion, stellt das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) fest. Der Test entdeckt eine Veränderung bei kurzen Nukleinsäurefragmenten, die im Blut vorkommen. Wie diese Veränderung mit einer erfolgten BSE-Infektion oder einem möglicherweise erhöhtem Risiko für eine BSE-Erkrankung zusammenhängt, ist unklar.
Risikonachweis, kein Erkrankungstest
Seit Montag geistern Meldungen durch die Presse, dass es nun einen BSE-Lebenstest gibt. Gestern hat das FLI, BSE Referenzlabor auf der Insel Riems und nationale Stelle für die Zulassung von veterinärmedizinischen Infektionsdiagnostika, in einer offiziellen Stellungsnahme Position bezogen.
Im Verlauf der nun vorgestellten Studie wurden Blutproben von rund 1.000 Rindern untersucht. Vier bereits an BSE erkrankte Tiere, die auch mit anderen Testmethoden erkannt werden können, wurden auch von dem neuen Test als erkrankt diagnostiziert. Von 135 Tieren, die aus so genannten Risikoherden stammten erbrachte die Untersuchung bei 65 Prozent der Tiere ein positives Ergebnis. Als Risikoherde werden die Herden eingestuft, in denen bereits BSE-Erkrankungen vorgekommen sind.
Nach allen bisherigen Erfahrungen, die europaweit gesammelt wurden, übertrifft die Rate von 65 Prozent aber bei weitem die Zahl an Infektionen, die in der Regel zu erwarten sind, vergleicht das FLI.
Zahlenjongleure
Selbst wenn angenommen wird, dass die derzeit eingesetzten BSE-Schnelltests infizierte Tiere zu Beginn der Inkubationszeit nicht erkennen können, geben epidemiologische Beobachtungen beispielsweise von Milchviehherden, keinerlei Hinweis darauf, das der Anteil der infizierten Tiere einer Kohorte einen Wert von 65 Prozent erreichen würde. Von den 379 bisher in Deutschland festgestellten BSE-Fällen wurde die Krankheit bis jetzt immer nur bei nur höchstens einem Tier in der gleichen Kohorte nachgewiesen; und auch das war nur zehn Mal der Fall. Eine dritte BSE-Erkrankung in einer Kohorte wurde in Deutschland bisher noch nicht nachgewiesen.
Dies deckt sich mit der Beobachtung, dass BSE in den meisten Fällen als Einzeltiererkrankung auftritt. In Großbritannien, dass eine erheblich höhere Infektionsrate als Deutschland aufweist, wurden seit 2001 insgesamt 4.244 Kohortentiere untersucht. Nur in vier Fällen wurde eine zweite BSE-Infektion nachgewiesen, in elf weiteren Fällen sind die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen. Auch hier spricht das FLI von Einzeltiererkrankungen.
Die Göttinger Testentwickler berichteten, dass der test bei 0,5 Prozent der gesunden Rinder ein positives Ergebnis erbracht hat. Dies weist ebenfalls darauf hin, dass der Test möglicherweise zu einer erheblichen Rate an falsch-positiven Ergebnissen führt. Vorgeschlagen wird der Test als Risikotest, bevor die Tiere zum Schlachthof transportiert werden. Umgekehrt heißt das, so folgert das FLI, dass im Verdachtsmoment umfangreiche Tests nach dem Tod des Tieres erfolgen müssen, die vor allem einen erheblichen finanziell Aufwand bedeuten. Bei einer gegenwärtigen Testrate von ca. 2,5 Millionen Tests im Jahr würden dabei mehr als 10.000 Risikotiere auftreten. Die Zahl der nachgewiesenen BSE-Fälle liegt dagegen derzeit bei deutlich unter 100 pro Jahr. Wie mit dieser Menge an Risikotieren, die in der Mehrzahl vermutlich völlig unschädlich sind, verfahren werden soll, bleibt unklar.
Bisher ist kein Zulassungsantrag als BSE-Test gemäß § 17c Tierseuchengesetz beim FLI eingegangen. Auch ist der Test nicht in die EU-weiteinternationale Evaluierung von BSE-Tests eingebracht worden. Das FLI rät daher, den Test erst zu prüfen und die Resultate mit anderen test zu vergleichen, bevor eine verlässliche Aussage über die Resultate getroffen werden kann.
Kohorte
Die Kohorte ist ein Teilbereich der Herde des betroffenen Betriebs. Dazu gehören die Rinder, die in dem jeweiligen Betrieb 12 Monate vor bis 12 Monate nach dem betroffenen Tier geboren worden sind. Im Zusammenhang mit BSE wird das als Geburtskohorte bezeichnet. Rinder, die nachweislich dasselbe Futter erhalten wie das BSE-Tier, werden als Fütterungskohorte zusammengefasst.
roRo