Bund will keine Klimaverfehlungen mehr
Landwirtschaft
Gewinner und Verlierer beim Klimaschutzgesetz
Nahezu zeitgleich fielen am Mittwochmorgen in Berlin und Stockholm zwei wegweisende Entscheidungen. Die Wissenschaftler John Goodenough, Akira Yohino und Stanley Whittingham bekamen den Nobelpreis für Chemie. Die drei haben an der nahezu unverwüstlichen Lithium-Ionen-Batterie gearbeitet, die in der Energiewende eine zentrale Stelle vom E-Roller bis zur E-Mobilität einnimmt.
Grund für die Notwendigkeit dieser Technik ist der von Menschen hausgemachte überbordende Ausstoß von Treibhausgasen (THG). Damit die Emissionen weniger werden, müssen die Menschen vor dem Klimawandel geschützt werden. Nach dem Pariser Klimaschutzabkommen hat die Bundesregierung am Mittwoch im Bundeskabinett das „Klimaschutzprogramm 2030 zur Umsetzung des Klimaschutzplans 2050 beschlossen“. Noch in der Vorwoche bat sich die CSU eine zusätzliche Bedenkzeit aus – und steht seit gestern nicht besser da als zuvor.
Das Programm
Auch wenn das Programm in der vergangenen Woche von Kritiken wegen seiner Abschwächungen begleitet wurde, so hat die große Koalition sich endlich auf eine verbindliche Klimaschutzpolitik verpflichtet. „Dass Deutschland sein Klimaziel verfehlt, darf sich nicht wiederholen“, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze. „Heute ist ein guter Tag für den Klimaschutz in Deutschland.“ Das Umweltbundesamt berechnet die Emissionsdaten des Vorjahres und informiert das Klimakabinett. Bei einem sektoralen Nachsteuerungsbedarf setzt das Kabinett eine 3-Monats-Frist für die Nachregelung. Ziel ist ein konkreter THG-Minderungspfad für eine Klimaneutralität bis zum Jahr 2050.
Das Klimaziel 2040, die THG um 70 Prozent zu mindern, wurden als unzureichend gestrichen. Im Jahr 2025 werden verbindliche Zwischenschritte formuliert.
Königin Schulze
Die unbestrittene Gewinnerin ist Bundesumweltministerin Svenja Schulze, die im Anschluss sagte, jetzt sei jedes Ministerium ein Umweltministerium. Ist Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner daher die große Verliererin? Nach dem Landwirtschaftspaket zum Insektenprogramm und dem Ausstieg aus dem Wirkstoff Glyphosat stellen Landwirte grüne Kreuze als Protest auf. Die Ausgleichszahlungen für Umweltprogramme reichen nicht zur Sicherung des Einkommens. Klöckner wurde über Nacht von einer Agrar- zur Umweltlobbyistin und titelt in einem Agrar-Monatsmagazin sogar schon als Marionette der SPD.
Prinzessin Klöckner
Das Klimaschutzprogramm zeigt, in welche Richtung die Ackerbaustrategie geht. Das aber hatte das Ministerium mit Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens in seiner Kritik an dem Vorschlag der Berufsverbände in der Vergangenheit bereits deutlich geäußert: Das Ministerium hat mit den gesellschaftlichen Wünschen mehr zu berücksichtigen, als die exportorientierte Landwirtschaft. Die Konsequenzen aus den Worten hat aber niemand gezogen.
Neben den Pariser Klimazielen bilden die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen, die Sustainable Developement Goals (Agenda 2030), ebenfalls die verbindliche Richtung der ökologischen und ökonomischen sowie sozialen Entwicklung der Welt. Das ist noch nicht bis zu jedem Einzelnen durchgedrungen. Doch wer Fluchtursachen ohne Mauern verhindern will, der muss an das Eingemachte gehen: In der Arbeit mit dem globalen Süden als auch zu Hause.
So gesehen segelt Klöckner im Fahrwasser von Schulze mit und beide zusammen warten auf die aktuelle Reaktion aus Brüssel für die jüngst noch einmal verschärften Regelungen zur Dünge-Verordnung. Brüssel reicht es erst, wenn es reicht.
Achse Berlin-Schwerin
Mit Svenja Schulze und Till Backhaus gibt es mehr als ein Fünkchen Leben in der SPD. Was Schulze als Umweltministerin in Berlin umsetzt, treibt Till Backhaus als Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern um [1]. Er sagt den Landwirten, wohin die Reise geht und gibt ihnen die Möglichkeit, sich umzustellen. Die Paludikultur im Nordosten des Landes wird den Getreidebauern nicht gefallen. Wer aber den Landwirten sagt, es könne alles so bleiben, macht ihnen etwas vor.
Achse Berlin-München
Auf Julia Klöckner kommt dennoch eine schwere Aufgabe zu. Wenn ein Ressort seine Klimaziele nicht erreicht, kann es die Fehlmenge über weitere Fortschritte in anderen Ressorts ausgleichen. Diese Flexibilität soll nach dem beschlossenen Klimaschutzprogramm nicht ausgenutzt werden. Es sollen im Gesamtkontext „kommunizierende Röhren“ sein, die den Gesamtdeckel immer einhalten.
Doch als Zwischenschritt dürfte die Landwirtschaft als einziges Ressort mit einer Senkenfunktion für Kohlendioxid Begehrlichkeiten wecken. Vor allem beim Verkehrsministerium, dass sich lediglich mit E-Rollern als Mobilitätswender hervorgetan hat. Die rote Laterne der Nachhaltigkeit trägt deutlich das seit 2013 CSU-geführte Ministerium. Die Treibhausgase des Verkehrssektors sind trotz E-Roller überhaupt noch nie gesunken. Eine Idee muss zwingend her. Andreas Scheuer schielt schon auf die Flexibilität im Programm.
Julia Klöckner muss hier hart bleiben, damit die Bauern nicht für das Politikversagen im Verkehrsministerium büßen müssen. Die Landwirtschaft hat ihre Hausaufgaben zu machen. Sie kann nicht zusätzlich für die steigende Immobilität des Verkehrs zusätzliche Untersaaten anlegen.
Scheuer muss also zeigen, ob er in Berlin als Vertreter der Bauernpartei aus München die Aufgabe eigenständig lösen kann. Die Inanspruchnahme von landwirtschaftlicher Ausgleichshilfe im Sinne von zusätzlichen Aufgaben wird der CSU im Stammland Bayern nicht gut tun und könnte sie zum größten Verlierer machen.
Lesestoff:
Alles zum Klimaschutzgesetz: https://www.bmu.de/pressemitteilung/schulze-klimaschutz-wird-gesetz/
[1] Die Landwirtschaft wird anders: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/phosphor-tour-dr-till-backhaus.html
Roland Krieg