Bundeskabinett zum Antibiotikaeinsatz
Landwirtschaft
Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch mit der Änderung des Arzneimittelgesetzes die Reduzierung des Antibiotikaeinsatz in der Tierhaltung beschlossen. Die Bundesländer erhalten deutlich mehr Kontrollbefugnisse.
1.700 Tonnen Antibiotika
Nach Angaben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) wurden im Jahr 2011 rund 1.734 Tonnen Antibiotika von Pharmafirmen und dem Großhandel an die Tierärzte abgegeben. Sowohl in der Tier- als auch in der Humanmedizin entwickeln sich Resistenzen. Als besonders kritisch gilt der Einsatz von Wirkstoffe in der Tierhaltung, die als „Reserveantibiotika“ in der Humanmedizin vorgesehen sind.
Die Novelle des Arzneimittelgesetzes erlaubt den Veterinärbehörden schärfere Kontrollen. Zur Verbesserung des Informationsaustausches wird eine bundesweite Datenbank durch die Länder eingerichtet. Tierhalter müssen vierteljährlich melden, wie häufig sie einer Tierart und an wie vielen Tieren sie Antibiotika verabreicht haben. Das BVL veröffentlicht darüber halbjährlich einen Bericht.
Tierhalter mit einem überdurchschnittlichen Antibiotikagebrauch müssen zusammen mit den Veterinären prüfen, warum sie so viel einsetzen und einen Plan zur Reduzierung der Antibiotika-Abgabe erstellen. Die Veterinärbehörde wird die Einhaltung des Plans kontrollieren. Dabei geht es nicht nur um die Abgabe der Medikamente, sondern auch um Fütterung, Hygiene und Stallbau für ein komplexes Gesundheitskonzept.
Arzneimittelgesetz eine entscheidende Stelle
„Die Verschärfung des Arzneimittelgesetzes setzt an den entscheidenden Stellen an, um den Einsatz von Antibiotika in der Tierhaltung wirksam zu reduzieren“, sagte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner am Mittwoch in Berlin. Es handele sich um eine der tiefgreifendsten und ehrgeizigsten Reformen der Tierarzneimittel-Gesetzgebung. „Wir können den Einsatz von Antibiotika in Deutschland innerhalb weniger Jahre deutlich senken, wenn die Länder und der Bund an einem Strang ziehen. Wir müssen alles daran setzen, dem übermäßigen Einsatz von Tierarzneimitteln Einhalt zu gebieten. Das geht nur, wenn wir das Problem an der Wurzel packen – und zwar vor Ort in jenen Betrieben, in denen es nötig ist.“ Der präventive Gebrauch und als Einsatz zur Wachstumsförderung ist seit Jahren verboten. Antibiotika dürfen nur bei der Behandlung eines kranken Tieres eingesetzt werden.
Vor dem Wechsel auf ein neues Antibiotikum muss demnächst ein Antibiogramm erstellt werden. Damit werden der Erreger und seine Empfindlichkeit auf das neue Antibiotika geprüft. Die Packungsbeilage mit Anwendungsbestimmungen wird für den Tierarzt verbindlich gemacht.
Reaktionen
Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen ist skeptisch. „Keine der vorgelegten Regelungen bekommt das Hauptproblem in den Griff: Die Senkung des massiven prophylaktischen Antibiotikaeinsatzes in der Massentierhaltung.“ Ein Fehler bestehe darin, dass in der Datenbank nach der Häufigkeit des Antibiotikaeinsatzes und nicht nach der Menge des tatsächlich eingesetzten Wirkstoffes gefragt werde. Es fehle zudem ein klares Reduktionsziel. Sanktionen sind ebenfalls nicht festgelegt.
Das fehlende Reduktionsziel kritisiert auch der BUND. Außerdem weist der Verband auf die Differenz zwischen Erfassung und Reduktion hin: „Erfassung an sich bewirkt jedoch nicht automatisch eine Reduktion des hohen und missbräuchlichen Einsatzes von Antibiotika“, formuliert BUND-Vorsitzender Prof. Dr. Hubert Weiger. Enten- und Zuchtbetriebe sind von den Regelungen ausgeschlossen, was der BUND als Einknicken vor der Agrarlobby bezeichnet. Der BUND plädiert für eine Halbierung des Antibiotikaeinsatzes um 50 Prozent bis zum Jahr 2015.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisiert den hohen bürokratischen Aufwand, der mit der Meldepflicht verbunden sei. Die Zulassung müsse im Arzneimittelgesetz geregelt sein – auch für Hobbytierhalter. Außerdem werde der Antibiotikaverkauf nicht zwischen Veterinär- und Humanmedizin unterschieden. Gefordert seien daher auch Hobbytierhalter und Humanmediziner. Der DBV erwartet nicht vor 2015 belastbare Zahlen für ein Ergebnis der Reduktion. Der Verband verweist auf bestehende Datenbanken für Geflügel seit April und für Schweine seit Anfang September bei der QS Qualität und Sicherheit GmbH. Dort ließen sich wesentlich früher Ergebnisse einer Reduzierung herauslesen.
Johannes Remmel, Landwirtschaftsminister in Nordrhein-Westfalen, will die Novelle des Arzneimittelgesetzes in der nächsten Woche auf die Agenda der Agrarministerkonferenz setzen. Die Meldedaten müssten zeitnah online erfasst werden, damit die Kontrolleure effizienter arbeiten können. Die Meldeintervalle seien zu lang für ein zeitnahes Eingreifen.
Für Ulrike Höfken, Landwirtschaftsministern in Rheinland-Pfalz, ist für das Thema Tiergesundheit der Fokus Antibiotika zu kurz bemessen. Generell müssen die Bedingungen der Tierhaltung über die Novellierungen des Tierschutzgesetzes, der Nutztierhaltungsverordnung und dem Baugesetzbuch verbessert werden, um übermäßige Medikamentenabgaben zu vermeiden.
Die Bundestierärztekammer begrüßt den Gesetzentwurf. Mit Hilfe der Datenbank könne ein Überschreiten der Antibiotika-Abgabe überprüft werden. „Dass in Betrieben mit zu hohem Antibiotikaverbrauch gezielt mit tierärztlicher Hilfe gegengesteuert werden soll, ist eine gute Maßnahme“, erklärt Dr. Uwe Tiedemann, Vizepräsident der Bundestierärztekammer. Den Vorschlag hatte die BTK bereist vor einem Jahr eingereicht. Die Datenbank greife aber zu kurz, denn Ursachen und Umfang der Medikamentenverwendung können damit nicht ermittelt werden. Das könnte dazu führen, dass Reserveantibiotika verabreicht werden oder eine Behandlung unterbleibt. Die BTK fürchtet auch eine Datenflut, bei der die Behörden keine risikoorientierte Überwachung mehr einleiten können. Der Weg muss zu einer vorbeugenden tierärztlichen Bestandsbetreuung führen und für Antibiotika müsse eine europaweite Verschreibungspflicht eingeführt werden.
Lesestoff:
Roland Krieg