Bundesministerium für ???

Landwirtschaft

Was wird aus dem BMEL?

Die Wahlnacht hat gezeigt, dass die Qual erst beginnt. Grüne und FDP werden die bestimmenden Parteien über die Regierungskoalition sein. Der Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes, Franz-Josef Holzenkamp, hatte zu Beginn September bereits schlaflose Nächte und forderte mit Ausrufezeichen, die „Eigenständigkeit des Bundeslandwirtschaftsministeriums erhalten!“.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) war bis zu Karl-Heinz Funke im Jahr 2001 mehr eine berufsständische Vertretung als ein Ministerium für viele Interessen. Die meisten Minister zwischen 1949 und 2001 hatten mehr oder weniger „Stallgeruch“, Verbindung zum Landesbauernverband und waren beruflich mit der Agrarwirtschaft verbandelt. Ausnahme waren Jurist Hermann Höcherl (1965 bis 1969) und der 14-Tage Vertreter Björn Engholm im September 1982.

Renate Künast war zwar mit Umwelterfahrung, aber ohne landwirtschaftliche Kenntnisse 2001 die erste Ministerin, die von außerhalb des Berufsstandes die bäuerlichen Interessen vertrat. Nach dem Regierungswechsel 2008 führte ausgerechnet die CSU diesen Reigen mit Horst Seehofer fort. Ilse Aigner, Hans-Peter Friedrich und Christian Schmidt diese neue Tradition fort.

Erst mit dem Wechsel zur CDU und Julia Klöckner änderte sich das wieder. Der Winzertochter ist die Landwirtschaft nicht unbekannt. Aber die CDU hatte zu dem Zeitpunkt mit Bündnis 90/Die Grünen die größte Schnittmenge im Bereich Landwirtschaft. Für den Bauernverband war das schon zu spät, denn seit Künast hatte sich der „Zugriff auf das Ministerium“ von der Standesvertretung aus gesehen verkleinert. Zudem musste Klöckner die Verschiebepolitik von Seehofer bis Schmidt, beispielsweise in der Düngepolitik, ernsthaft angehen.

Die Frage ist, wie es mit dem BMEL in einer künftigen Koalition weitergeht. Die Bundesländer (ohne Stadtstaaten) zeigen ein buntes Bild:

Baden-Württemberg: Die Ministerien für Landwirtschaft und Umwelt sind getrennt. Im Ressort Umwelt sind auch Energie und Klima verortet

Brandenburg: Landwirtschaft, Klima und Umweltschutz sind in einem Ministerium vereint, das Thema Energie gehört zum Wirtschaftsministerium

Bayern: Für Landwirtschaft und Umwelt gibt es zwei verschiedene Staatsministerien.

Hessen: Umwelt, Klima und Landwirtschaft sind zusammen mit dem Verbraucherschutz in einem Ministerium vereint. Die Energie ist im Wirtschaftsministerium verortet.

Mecklenburg-Vorpommern: Es gibt ein Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt und eines für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung.

Niedersachsen: Landwirtschaft und Ernährung gehören in ein, Energie und Umwelt in ein zweites Ministerium.

Nordrhein-Westfalen: Neben dem Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Naturschutz gibt es eines für Wirtschaft und Energie

Rheinland-Pfalz: Die Landwirtschaft ist namenlos im Wirtschaftsministerium untergebracht. Der Ökolandbau obliegt dem Umweltministerium. Ein drittes führt Umwelt und Klima zusammen

Saarland: Neben dem Ministerium für Wirtschaft und Energie gibt es eines für Umwelt und Verbraucherschutz. Dort ist die Landwirtschaft namenlos verankert.  

Sachsen: Die Themen Energie, Klima, Umwelt und Landwirtschaft sind in einem Ministerium gebündelt.

Sachsen-Anhalt: Die Landwirtschaft wurde soeben dem Wirtschaftsministerium zugeschlagen. Energie, Klima und Umwelt sind getrennt gebündelt.

Schleswig-Holstein: Ein Superministerium bündelt Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt, Klima und Digitalisierung

Thüringen: Energie, Umwelt und Naturschutz sind in einem Ministerium vereint, die Landwirtschaft gehört mit der Infrastruktur zusammen in einem zweiten Haus.

Zurück zum Bund

Annalena Baerbock kündigte in den Zeiten ihres Umfragehochs ein Klimaschutzministerium an. Mit Blick auf die Länderlösungen sicher keine weltfremde Idee – wenn sie nicht mit kaltem Grinsen einer Renate Künast dem Haus auch ein Vetorecht gegenüber allen anderen Ministerien eingeräumt hätte. Die Lösungen in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt nehmen die Landwirtschaft aus der politischen Schusslinie und wären für eine Koalition mit FDP ohne Grüne denkbar. Jeder grüner Tupfer in einer Koalition wird die Landwirtschaft auf Bundesebene belassen und einfordern. Selbst wenn die Bundesländer schon lange auf dem Weg der Bundesziele sind. Die Bundesgrünen werden nicht auf dem Land und kaum von den Landwirten gewählt. Die grünen Wähler sind landwirtschaftsfremde urbane Wähler, für die Bündnis 90 Fortschritte für die verschiedenen Ernährungsräte, Vorstellungen von lokalen Wertschöpfungsketten und Stadt-Land-Beziehungen belegen muss. Dazu brauchen die Grünen ein Bundeslandwirtschaftsministerium.

Ob es den Grünen gelingt, Umwelt und Energie in das Ministerium zu ziehen, hängt viel von den Koalitionsverhandlungen ab.

Welche Landwirtschaft?

Was den Wahlkampf bislang überlebt hat, ist die Zweiteilung in ökologische und konventionelle Landwirtschaft. Das gibt es schon lange nicht mehr. Die konventionelle Landwirtschaft teilt sich in familienbäuerliche und spezialisierte Betriebe, bei der Ökolandwirtschaft bleibt immer die Frage, welche Verbandsstandards oder ob der geschmähte EU-Biostandard gemeint ist und die so genannte vegane Landwirtschaft ist für alle Ökobauern ein rotes Tuch, weil Nutztiere zum Nährstoffkreislauf des Ökolandbaus dazugehören. Neu ist die regenerative Landwirtschaft, die sich im konventionellen Bereich verstärkt dem Ökosystem Boden und die Humusbildung in den Fokus stellt, die Fusionslandwirtschaft verbindet das Beste aus allen landwirtschaftlichen Welten und zahlreiche Beispiele suchen neue Verbindungen zwischen Landwirtschaft und Verbrauchern oder der Inklusion. Die aktuellen Marktstörungen im Schweinebereich zeigen immer stärker die Grenzen der freien Produktion auf. Wie im Gartenbau könnte die vertikale Produktion von Handelsprogrammen bis zum Betrieb den Landwirten größere Sicherheit aufzeigen als die Politik.

Wer auch immer welches Ministerium führt, wo die Landwirtschaft dazugehört, sollte die Grenzen zwischen den Betrieben endlich einreißen.

Roland Krieg

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