Bunte Wiesen für die Biogasanlage
Landwirtschaft
Energie aus Wildpflanzen
„Wir müssen gegen den Mais jetzt was machen“. Das hat
Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch im Rahmen der Kabinettssitzung
gesagt, so Josef Göppel, MdB und Vorsitzender des Deutschen Verbands für
Landschaftspflege (DVL). Mais hat im ackerbaulichen Nutzungsportfolio derzeit
die schlechtesten Karten. Das landschaftsprägende Image, das niemand mehr haben
will hat offenbar die Spitze der Bundesregierung erreicht. Nach Göppel will die
Mehrheit der Agrarpolitiker im Bundestag die Maisnutzung einschränken. Regional
sind tatsächlich bereits 60 Prozent der Felder mit Mais bebaut. Auch wenn er
mehrheitlich für Futter und nicht für die Biogasanlage verwendet wird.
Der Mais steht für ausufernde Biogasanlagen, Artenarmut
und wegen seiner Monokultur als „Schlaraffenland“ für den Maiswurzelbohrer und
das Wildschwein. Auf der Habenseite steht nur seine ökonomische Potenz, dank
jahrzehntelanger Züchtungsarbeit, viel und schnell Biomasse bereitzustellen,
aus der Biogas gewonnen werden kann. Als Ersatz für fossile Energieträger.
Vom Lebensraum zum Energiebiotop
Miscanthus, die Durchwachsene Silphie oder Zuckerhirse
sind alternative Pflanzen, die wie Topinambur oder Zuckerrüben für die
Energiegewinnung eingesetzt werden können. Oder: Wildpflanzen, wie die Tagung
„Energie aus Wildpflanzen“ des DVL in Berlin zeigte.
„Wir können die Äcker bunt machen“, sagte Werner Kuhn
von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) die derzeit
das Verbundprojekt führt. Der Acker der Zukunft muss nach Kuhn Substrat für die
Biogasanlage liefern, Standort für Windkraftanlagen sein, will Biotop für
Hamster, Feldlerche und Wiesenweihe sein, den Bienen eine gesunde Tracht
liefern und „nebenbei noch Nahrungsmittel für die Menschen liefern“.
Wildpflanzen bieten eine echte Alternative und öffnen in der Fruchtfolge neue
Perspektiven für die Nutzung. Das Projekt hat Vorläufer und sich selbst mächtig
weiter entwickelt. Zunächst ging es um neuen Lebensraum im Bereich der
Artenvielfalt auf Stilllegungsflächen – jetzt können Wildpflanzen wie keine
andere Kultur Umwelt und Nutzung einzigartig mit einander verbinden.
Im Jahr 2000 wurden die ersten Projekte in der
Agrarlandschaft begründet. Bis jeweils zum Jahr 2005 gab es die Vernetzung von
Biotopverbünden und Lebensraumverbesserungen außerhalb des Waldes. Von 2003 bis
2006 wurden Wildpflanzenmischungen für Stilllegungsflächen in Bayern und
Baden-Württemberg erprobt.
Projektleiter Martin Degenbeck vom LWG stellte das
„neue“ Projekt vor: Gefördert von der Fachagentur für Nachwachsende Rohstoffe
(FNR) stehen rund 650.000 Euro zur Verfügung. 312.000 Euro für Sachkosten,
wobei 250.000 für Aufgaben an Dritte fließen. 100.000 Euro stehen für
Gärversuche zur Verfügung. Geplant war das Projekt für die Zeit von 2008 bis
Dezember 2010, wurde aber um eine ganze Vegetationsperiode bis Dezember 2011
verlängert. Stufe zwei ist in Planung.
Ergebnisse
Dr. Birgit Vollrath und Dr. Ingrid Illies von der LWG stellten
die ersten Ergebnisse aus mehrjährigen Wildpflanzenmischungen vor, die für die
Biogaserzeugung entwickelt wurden. Die Mischungen sollen Praxistauglich sein
und können in der Tat mit der Produktionskette für den Maisanbau bearbeitet
werden. Die Wildpflanzenmischungen sollen einmal im Jahr geerntet werden. Für
die Zusammenstellung kamen nur Pflanzen in Frage, die mit einem hohen Wuchs und
markigem Stängel hohe Biomasseerträge versprachen und die wild- und
bienenfreundlich zwischen Juli und September blühen. Es gab auch
Ausschlusskriterien: Hohe Neigung zum Auswildern oder Einkreuzung in die
Wildflora, sowie ungeeignet für Mischungen oder für die Vergärung im Fermenter.
80 Arten haben die Experten für zwei Anbaujahre heraussortiert.
Die erste Mischung aus vor allem Chinesischer
Gemüsemalve, Sonnenblumen, Weißer Steinklee brachte nach der ersten Ernte eine
Methanausbeute in Normliter je Kilogramm organische Trockensubstanz von 266
(Nl/kg oTS). Im zweiten Jahr hat sich der Bestand verändert. Mit Hauptsächlich
Alfalfa, verschiedenen Flockenblumen, Rainfarn und der Gemeinen Wegwarte wurden
296 Nl/kg oTS geerntet.
Damit kam die Wildpflanzengesellschaft im zweiten Jahr
dem Maisertrag von durchschnittlich 290 Nl/kg oTS schon recht nahe und konnte
ihm vereinzelt Paroli bieten. Der Standort spielt dabei eine Rolle. Zwischen
Oldenburg und Würzburg wurden verschiedene Klima- und Bodenverhältnisse
ausprobiert.
Das Gesamtbild ergibt sich nicht alleine aus dem
Vergleich des Biomassertrages. Beim Faktor Arbeit ist nur im ersten Anbaujahr
der volle Aufwand von der
Bodenbearbeitung über Ansaat, Düngung sowie Pflanzenschutz und Ernte mit der
konventionellen Ackernutzung vergleichbar. Ab dem zweiten Jahr fallen nur noch
Düngung und Ernte an.
Als Lebensraum bieten die Wildpflanzenfelder Lerchen,
Laufspinnen und Bienen deutlich mehr Lebensraum. Es wurde zudem untersucht, ob
die Wildpflanzenflächen Ökofallen sind. Das sind attraktive Orte, die gerne
aufgesucht werden, aber danach weder als Nahrungs- noch als Vermehrungshabitat
geeignet sind. Das ist nicht der Fall und die Wildpflanzenflächen behalten
ihren dauerhaften Biotopwert.
Das Fazit ist eindeutig: Wildpflanzen bieten natur- und
umweltverträgliche Vorteile mit einem geringen Arbeitsaufwand. Zudem sind sie
schon mit den ersten „am Schreibtisch“ entwickelten Saatmischungen für die
Biogasproduktion geeignet, so Dr. Vollrath. Offensichtlich spielen sie ihre Eigenschaften
vor allem an Ungunststandorten, auf erosionsgefähdeten Flächen, in Einzugsgebieten
von Oberflächengewässern und bei hoher Wildschadensgefährdung voll aus.
Trotzdem gibt es noch viel zu tun. Auf dem nächsten
Prüfstand sind Optimierungen der Saatgutmischungen, Silierreife und Gärausbeute
sowie die Wirtschaftlichkeit im Vergleich zur Maiskette zu evaluieren.
Markt und Energiewirtschaft
Auch wenn die Politik dem Mais Grenzen aufzeigen will –
die Wildpflanzen müssen sich in der Praxis der unternehmerischen Entscheidung
des Betriebsleiters bewähren. Josef Göppel: „Ohne klare Präferenz für
Wildpflanzen werden die Bauern diese Pflanzen nicht übernehmen!“ Die Einführung
dieser Kultur werde seiner Meinung nach nicht alleine über den Markt gelingen.
Göppel machte zudem eine Rechnung auf, die positiv und
negativ gelesen werden kann. Vom EU-Agrarhaushalt in Höhe von rund 50
Milliarden Euro fließen etwa sieben Milliarden nach Deutschland. In diesem
Sektor befindet sich derzeit das Thema „Energie aus Wildpflanzen“. Die deutsche
Energiewirtschaft setzt jährlich rund 250 Milliarden Euro um. Würden davon nur
ein Drittel für die Energieversorgung in den ländlichen Räumen verwendet,
stäche dieses Budget den Agrarhaushalt leicht aus.
Niemand von den Referenten will den Mais ganz
verbieten. Er hat innerhalb einer Fruchtfolge eine positive Wirkung auf die
Biodiversität und wirtschaftliche Vorteile. Vielleicht wird sein Einsatz über
das neue EEG einfach nur eingeschränkt: Von 60 auf 50 Prozent Anbauanteil. Die
Politik ist jedenfalls dazu gewillt.
Engpass Saatgut
Es gibt aber auch noch einen anderen Engpass für die
Nutzung von Wildpflanzen. Saatgut Zeller ist in der Bereitstellung von Saatgut
in Deutschland führend. Doch so leicht ist das Saatgut nicht zu gewinnen. Am
Anfang steht immer die Handsammlung, so Stefan Zeller. Manche Kommunen lassen
die professionellen Sammler kostenfrei über die Felder ziehen, andere wollen
500 Euro dafür kassieren: Es gibt keine Sammlung ohne Sammelgenehmigung. Die
Geschicklichkeit des Sammlers spielt für die Ergebnisse eine große Rolle. In
bis zu fünf Reinigungsgängen wird das Saatgut aufbereitet, denn die
Zielpflanzen sind im Feld auch mit ungewünschten Pflanzen wie dem Ampfer
vergesellschaftet. Den will kein Bauer auf seinem Feld haben.
Die anschließende gärtnerische Aufzucht ist derzeit mit
einer Kapazität von 900.000 Pflanzen erschöpft. Für die Vermehrung auf dem Feld
müssen sich Bauern finden, die Spaß daran haben. Erst nach sechs Jahren hat
eine Biogasmischung ihre Marktreife erreicht, um die Nachfrage auch zu
befriedigen.
Für das Jahr 2011 werden Wildpflanzen bundesweit auf 10
Hektar Fläche ausgesät.
Lesestoff:
Alles übe die vergangenen und das aktuelle Projekt
finden Sie zentral über die Seite www.lebensraum-brache.de
Roland Krieg; Fotos. www.lebensraum-brache.de , J.A. Wadsack und M. Börner