BW: Maisrotation kommt

Landwirtschaft

Maiswurzelbohrer im Ortenaukreis

Der Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera) hatte im letzten Juli im badischen Ortenaukreis seinen ersten Auftritt. Infolge dessen nutzten Bauern für die Aussaat ihres Mais in diesem Jahr das Beizmittel Clothianidin, um ihre Bestände vor dem Schädling zu schützen. Schlechte Beizqualität und technischer Abrieb haben den Wirkstoff in die Blüten von Raps und Obstbäume getrieben – die badischen Imker haben viele ihrer Bienenvölker verloren.

Heimisch oder nicht heimisch?
In diesem Jahr wurde der Käfer zunächst in Bayern erneut auffällig und verfing sich jetzt wieder in badischen Pheromonfallen, von denen rund 1.000 im Rahmen des Maiswurzelbohrermonitorings aufgestellt wurden. Insgesamt wurden in der letzten Woche 74 Diabrotica-Käfer im Bereich der Raststätte Mahlberg, direkt an der Autobahn A5 im Landkreis Ortenau entdeckt. Die jetzt eingesetzten Pflanzenschutzmittel werden mit Stelzenschleppern in den Bestand eingebracht und sind nicht bienengefährlich.
Am Freitag machte sich Agrarminister Peter Hauk im Ortenaukreis selbst ein Bild von der Lage: „Um den Befall einzudämmen, muss unverzüglich mit einer Insektizidbehandlung begonnen werden. Die hierfür notwendigen Vorarbeiten wurden in den letzten Tagen ausgeführt.“ Abgegrenzt werden soll vor allem, ob es weiterhin Einzelfälle sind oder ob der Käfer nicht bereits heimisch geworden ist. Der konzentrierte Befall weist nach Ansicht des Ministeriums darauf hin, dass die Larven bereits im letzten Jahr eingeschleppt wurden und die Käfer Eier haben ablegen können. Die jetzt gefangenen Käfer sind Mitte Juli geschlüpft.
MaisfeldDerzeit gilt der Diabrotica noch als Quarantäneschädling. Damit werden bestimmte Maßnahmen erforderlich, um ihn gar nicht erst einwandern zu lassen. Als beste Maßnahme gilt der Fruchtwechsel, damit den Larven die Futtergrundlage entzogen wird. Eine zwei- oder besser dreijährige Pause im Maisanbau ist der effektivste Schutz. Das hatte schon Dr. Peter Harmuth in seinem Beitrag zur Festschrift „50 Jahre Landesanstalt für Pflanzenschutz Stuttgart“ geschrieben, der vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg (LTZ) letzte Woche ins Netz gestellt wurde: „Eine einfache und äußerst effiziente Bekämpfungsmethode ist die Fruchtfolge mit Mais erst im 2., besser im 3. Jahr. Den schlüpfenden Larven des Maiswurzelbohrers fehlt in Böden der vorjährigen Maisflächen die Nahrung, so dass sie wegen des geringen Wanderradius sehr schnell zugrunde gehen, wenn sie keine anderen geeigneten Pflanzenwurzeln finden.“ Allerdings hat die Mais-Soja-Rotation in den USA gezeigt, dass der Käfer sehr anpassungsfähig ist.

Weitere Diabrotica-Funde:
Im Elsaß wurden drei Käfer in einer Falle in Orschwiller bei Sélestat gefunden. Ein weiterer Befall ist in Essone bei Paris aufgetreten, das bereits 2005 betroffen war.
Am 14. und 15. Juli 2008 wurden in der Nähe von Pocking an der deutsch-österreichischen Grenze zwei Käfer auf deutscher und einer auf österreichischer Seite gefangen.
Im österreichischen Burgenland ist er Maiswurzelbohrer entlang der Donau bis nach Niederösterreich inzwischen etablier. In Oberösterreich wurde wie im Vorjahr noch ein Käfer in Perg an der Grenze zu Niederösterreich gefunden.
Q: Agrarministerium BW

Zusammen mit der Sicherheitszone umfasst der Quarantänebereich insgesamt rund 12.000 ha Ackerfläche mit Fruchtwechsel. Das trifft auf wirtschaftliche Schwierigkeiten, denn in Baden-Württemberg wurden 2007auf 18,5 Prozent der Ackerfläche Mais angebaut. Mit 153.000 ha stellt Mais nach Weizen und Gerste die drittwichtigste Ackerfrucht. Der Schwerpunkt liegt dabei in der Rheinebene. Im Ortenaukreis wird beispielsweise auf über 55 Prozent der Ackerfläche Mais angebaut, teilt das Ministerium mit.

Quarantäne oder Routine?
Der badische Bauernverband würde den Diabrotica gerne als heimischen Käfer ansehen und seine Bekämpfung in die Pflanzenschutzroutine aufnehmen.
Die Pflanzenschutzexperten sehen das anders. Herd-und-Hof.de sprach am Montag mit Dr. Michael Glas von der LTZ.
Demnach sehen vor allem die westlichen Länder wie Frankreich oder Belgien sowie die britische Insel den Käfer noch immer als Quarantäneschädling, der mit Ausmerzungsmaßnahmen beseitigt werden kann. Die eingeleiteten Quarantänemaßnahmen sehen zudem einen zwei Jahre lange Zeitraum vor, zu prüfen, wie sich die Funde seit dem letzten Jahr weiter entwickelt haben. Die Raststätte Mahlberg, so Dr. Glas, ist der Südzipfel des Schutzgebietes aus dem Jahr 2007. Hätten dort bereits Pheromonfallen gestanden, wäre der Käfer dort bereits im letzten Jahr entdeckt worden. Mahlberg ist der Dritte Befall im gleichen Gebiet.
Derzeit folgt Baden-Württemberg den EU-Vorgaben und legt Schutz- und Sicherheitszonen an. Gleich nach den ersten Käferfunden wurden in der vergangenen Woche die Stelzenschlepper organisiert, die den Käfer im Bestand bekämpfen. Schnelles Handeln ist gefragt. Dr. Glas ist sicher, dass diese Maßnahmen ausreichen, um Diabrotica wieder zu vertreiben.

Maisrotation kommt
Das zahlt sich vor allem für die Bauern aus. Würde deren Wunsch nach Deklarierung eines Befallsgebiet realisiert, dann würde rund um den Ortenaukreis eine 30 Kilometer breite Pufferzone angelegt werden müssen. Darin müsste der Maisanbau dann in eine Fruchtfolge eingegliedert werden, die den jährlichen Anbau verbietet.
Dann sind die Bauern selbst für die Bekämpfung verantwortlich. In den ersten zwei bis drei Jahren würden sie wegen der wenigen Käfern nicht unbedingt vorbeugend wirken wollen, weil die Maispflanzen keine Ausfälle zeigen, so Dr. Glas. Die rund 70 Käfer wären wohl auch unentdeckt geblieben. Erst ab dem vierten, dann vor allem im fünften Jahr tritt ein massiver Schaden auf. Dann ist der Käfer richtig heimisch geworden und den Bauern bleibt nichts anderes übrig, den Schädling durch Fruchtfolgemanagement einzugrenzen – genau das, was die Pflanzenschützer bereits jetzt empfehlen und verordnen. Deshalb ist sich Dr. Glas sicher, dass die Maisrotation kommt. Früher oder später gibt es keinen Monoanbau von Mais mehr. Freiwillig oder gezwungen.

Ökonomische Alternativen sind rar
Wenn es in diesem Jahr keinen Hagelschlag mehr gibt, dann haben die Maisbauern eine Superernte. Genau das macht es für Alternativen in einer Fruchtfolge so schwer. Sonderkulturen wie Spargel oder Erdbeeren erzielen hohe Deckungsbeiträge, aber die Erfahrung für einen erfolgreichen Anbau muss langsam angesammelt werden.
Die südliche Rheinschiene böte eine gute Basis für den Anbau von Kartoffeln oder Zuckerrüben. Wer allerdings auf Kartoffeln umsattelt, der muss sich vorher erst noch um einen Absatzmarkt bemühen.
Südlich von Karlsruhe gab es keine Zuckerfabrik, so dass nach der EU-Zuckermarktreform im Badischen heute keine Anbauquote mehr vorhanden ist. Der Anbau von Zuckerrüben bringt mit viel Blattmasse organische Substanz in den Boden. Die Maisbauern sind mittlerweile sogar so weit spezialisiert, dass sie keine eigenen Drillmaschinen mehr für die Weizenaussaat haben. Sie müssten Lohnunternehmen damit beauftragen.
Heute auf ein oder zwei Jahre Maisanbau verzichten, damit im nächsten Jahrzehnt der Maisanbau noch möglich ist. An dieser Maxime arbeitet Dr. Glas. Die LTZ will diese Ziele über die betriebswirtschaftlichen Bilanzen auf die Höfe zu bringen.
Die Sorte „Sunrise“, der Maiswurzeltolerante Mais von Südwestsaat, scheint, so Dr. Glas, in Ungarn übrigens richtig erfolgreich zu sein. Dort steht die erste Ernte bevor. Seine Stärken liegen jedoch später im Fruchtfolgemanagement. Für Maßnahmen, den Diabrotica auszurotten, eignet er sich nicht.

Lesestoff:
Den Beitrag von Dr. Harmuth finden Sie im Netz bei www.ltz.bwl.de

roRo; Foto: roRo

Zurück