Chancen durch den Mindestlohn
Landwirtschaft
Mindestlohn nicht nur als Hürde definieren
Vor allem die Garten- und Gemüsebranche fühlt sich durch den Mindestlohn regelrecht bedroht. Zu wenig wird vom positiven Innovationsdruck gesprochen. Der spätestens auch auf den Obstplantagen und Gemüsefeldern umgesetzte Mindestlohn, derzeit gilt eine Staffelung für die zweijährige Mindestfrist, wird gerne als Konsumentenschreck offeriert, weil die Preise steigen müssten.
Die Fleischbranche allerdings zeigt seit Anfang April 2014 eine geräuscharme Umsetzung. Zudem zahlen Kunden seit Januar 2015 vier Cent je Kilogramm Schweinefleisch bereits in die Tierwohlkasse ein – ebenfalls geräuschlos und offenbar willig. Warum sollte es in der Obst- und Gemüsebranche anders sein?
Die zurückliegende Fruit Logistica hat gezeigt, dass die Landtechnik, ein Schmuckstück deutscher Ingenieurskunst und Exportschlager, zumindest in den Nachbarländern den technischen Fortschritt deutlich beflügeln kann. Robotertechnik ist in der Lage, das sensible Erntegut vom Acker bis zur Verpackung sicher zu handhaben [1]. Die Deutschen stehen dem nicht nach. Vollernter für Gurken und Spargel kriechen bereits über die Äcker – wenn auch noch nicht ganz ausgereift.
Auch im Bereich der Bürokratie wird vieles schlimmer dargestellt, als es ist. Wer lebenswerte Löhne bezahlen will, der muss das natürlich auch nachweisen.
Der Zoll besucht ab dem 01. März den einen oder anderen Betrieb, der seine Übergangsregelungen für Erntelöhne seit Januar nachweisen muss. Werner Räpple, Präsident des Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverbandes (BLHV) sprach am Freitag mit Vertretern des Bundesfinanzministeriums über die leidigen Dokumentationen. Für den Nachweis der Entlohnung müssen Arbeitsbeginn und Arbeitsende festgehalten werden. Julian Würtenberger, Leiter der Zollabteilung im Bundesfinanzministerium erklärte, dass die Zöllner in Uniform auf die Betriebe kommen und keine Steuerprüfer seien. Allerdings haben sie Polizeibefugnisse, denen die Landwirte Folge leisten müssen. Würtenberger, so teilt der BHLV mit, gab den praktischen Tipp, dass die Arbeitszeiten auch für eine ganze Arbeitskolonne erfasst werden können, sofern die einzelnen Mitglieder der Kolonne namentlich erfasst sind.
In einer Resolution bittet der BHLV, vor allem bei kleinen Betrieben, die mit der Bürokratie kämpfen im ersten Jahr bei Verstößen gegen die Dokumentation von Bußgeldern abzusehen. Besser sei es, „die Betriebe zunächst über die richtige Vorgehensweise“ zu informieren“.
Kost und Logis
Saisonal beschäftigte Erntehelfer sind während ihrer Arbeit auf den Betrieben untergebracht und erhalten Kost und Logis. Nach § 107 Abs. 2 der Gewerbeordnung sind deren Anrechnungen auf den Mindestlohn von Saisonarbeitskräften zulässig. Allerdings ist diese Vereinbarung nicht einseitig erlaubt, sondern erfordert die Zustimmung des Arbeiters. Die Anrechenbarkeit muss zudem der Eigenart des Arbeitsverhältnisses entsprechen und darf Maximalbeträge nicht übersteigen. Die Anrechnung der Sachleistungen darf in allen Fällen nicht größer als der pfändbaren Teils des Arbeitsentgeltes sein.
Kontrolle gegen Tricksereien
Kontrolliert werden muss, solange Arbeitgeber gewillt sind, Niedriglöhne zu zahlen. Das Berliner Arbeitsgericht hat in der letzten Woche erst festgestellt, dass Sonderzahlungen nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden dürfen. Eine Unternehmerin hat einer Frau mit einem Lohn von 6,44 Euro gekündigt. Sie bekam zusätzlich Leistungs- und Schichtzulage. Danach hat sie ihr angeboten bei Wegfall der Zusatzvergütungen für 8,50 Euro weiter zu arbeiten. Das hat das Arbeitsgericht erst mal unterbunden [2].
Aber auch schwarze Schafe der Fleischbranche zeigen sich trickreich und unterbieten ihren Mindestlohn, in dem sie Leihgebühr für die Arbeitsgeräte am Schlachtband, das so genannte Messergeld, berechnen. Brigitte Pothmer (Bündnis 90/Die Grünen) bemängelte letzten Woche im Bundestag zum Thema Mindestlohn verschiedene „kreative Definitionen der Arbeitszeit“.
Solche Erfahrungen führen zu Kontrollen.
Lesestoff:
[1] Robotertechnik säubert, sortiert und verpackt
[2] Arbeitsgericht Berlin, 04.03.2015 AZ 54 Ca 14420/14
Details für die Zahlung des Mindestlohns finden sie unter www.zoll.de -> Fachthemen -> Arbeit -> Mindestarbeitsbedingungen -> Mindestlohn
Roland Krieg