Chemie-Nobelpreis für Doudna und Charpentier
Landwirtschaft
Chemikerinnen erhalten Nobelpreis für neue Züchtungstechniken
Die Abkürzung CRISPR steht für „Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats“. Das sind sich gleichmäßige wiederholende Abschnitte, die aus beiden Richtungen abgelesen werden können. Bakterien wehren sich mit dessen Mechanismus gegen Viren. Bereits 1987 hat der Japaner Yoshizumi Ishino im Bakterium Escherichia coli eine Sequenz von 29 Nucleotiden entdeckt, die sich regelmäßig wiederholt. Danach wurde in insgesamt 45 Prozent der sequenzierten Bakterien und 83 Prozent der sequenzierten Archebakterien mindestens eine dieser „CRISPR-Strukturen“ gefunden. Zu ihr gehören benachbarte cas-Gene (CRISPR-assozierte Gene), die das System komplettieren. Cas9 kann sich an bestimmte RNS-Sequenzen binden und diese schneiden. Damit können die Bakterien die eingedrungene Virus-DNS unschädlich machen. Die „Sonde CRISPR“ sucht entlang der DNS-Doppelstrang nach den Basenpaaren, die für Wissenschaftler interessant sind. Als Sonde wird die Ribonukleinsäure (RNS) genutzt, die für die Umsetzung der Erbinformation in der DNS wichtig ist. Es ist eine künstliche RNS, die eben genau für diese eine Stelle vorgesehen ist. Die RNS bindet unter anderem auch an ein Protein. Mit dieser mitgeführten „Schere Cas“ wird die Doppelhelix DNS gezielt zerschnitten.
Doudna und Charpentier
Die US-Chemikerin Jennifer Doudna und ihre französische Kollegin Emmanuelle Charpentier haben 2012 die Methodik als neues Werkzeug für die Züchtung erkannt. Das System CRISPR/Cas9 kann die DNS gezielt zerschneiden. Die Doppelhelix verbindet sich zwar neu, baut aber Fehler ein und macht damit das Gen unbrauchbar. Seitdem haben die beiden Wissenschaftlerinnen viele nationale und internationale Preise erhalten. Am Mittwochnachmittag den Chemie-Nobelpreis in Stockholm..
Die Wissenschaft, wie das Max-Planck-Institut freut sich. Nicht nur, weil Emmanuelle Charpentier Direktorin am MPI für die Wissenschaft der Pathogene ist, sondern weil die Wissenschaft sich vor zwei Jahren durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes ausgebremst fühlt [1].
Welche Auswirkungen hat die Entscheidung?
In den beiden vergangenen Jahren haben sich Gentechnik-Kritiker und Gentechnikbefürworter an den neuen Züchtungsmethoden abgearbeitet und keinen Konsens gefunden. Die Skeptiker haben die Argumente gegen die „alte Gentechnik“ fortgeschrieben und in vorhandene Bahnen gelenkt. Die Befürworter kamen mit ihren Argumenten für die neuen Techniken nicht durch. Die Entscheidung aber bringt Schwung in die Debatte, die von den Kritikern verloren scheint. „Das Nobelpreiskomitee verdeutlicht damit, wie fundamental die Entwicklung dieser neuen Technologie auch für die Landwirtschaft, die weltweite Ernährungssicherheit ist“, twitterte Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner. Ab wann ist die Züchtung Gentechnik, wird immer mehr zu einer Frage, auf die es keine Antwort gibt [2].
Auch wenn die neuen Methoden weder Heilsbringer sind, noch Fehler ganz vermeiden können, scheint das Risiko in Abwägung zu den Vorteilen relativiert werden zu können. Urs Niggli wechselte diesen Sommer beim Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) vom Direktorposten in der Schweiz zum Obmann für Österreich und wird für die Vereinten Nationen den Welternährungsgipfel 2021 organisieren. Niggli hatte die neuen Züchtungsmethoden, die sich weit genug von der alten Gentechnik unterscheiden auch als tauglich für den Öko-Landbau vorgestellt. Daraufhin wurde er mit Beleidigungen und Schmähungen übersät. Auch die junge „Progressive Agrarwende“ bei den Grünen ist technologieoffener als die aktuelle Grünen-Generation in den politischen Ämtern.
Politisch hat beispielsweise Australien längst die einzelnen Verfahren beim Genome Editing differenziert und ein neues Gentechnikgesetz geschrieben [3].
Was fehlt ist für Europa ein Positivbeispiel für den Aufbruch der alten Diskussion. Erst kürzlich haben sich die deutschen Pflanzenzüchter an die Arbeit gemacht und wollen ohne Fremdgen einen pilztoleranten Weizen für die Praxis züchten [4].
Wissenschaftler aber selbst schüren Ängste vor grenzenloser Anwendung, wenn sie mit CRISPR/Cas9 Designerbabys erzeugen wollen.
Bemerkenswert
Während Wissenschaft und Agrarverbände die beiden Wissenschaftlerinnen beglückwünschten und auf eine Umkehr in der Diskussion setzen, wollten weder Bündnis 90/die Grünen noch die „Progressive Agrarwende“ bis Mittwochabends ein abgefragtes Statement zusenden.
Lesestoff:
[1] EuGH-Urteil zu Genome Editing: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/eugh-urteil-zu-genom-editing.html
[2] Ab wann ist es Gentechnik? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/ab-wann-ist-es-gentechnik.html
[3] Australiens neues gentechnikrecht: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/das-neue-gentechnikgesetz-in-australien.html
[4] Das Pilton-Projekt: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mit-pilton-gegen-vorbehalte.html
Roland Krieg
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Ergänzung vom 09.10.2020 16:04 Uhr: Forscher Robert Hoffie hat der Redaktion per Twitter folgendes mitgeteilt:
"Hallo Herr Krieg, die @ProgAgrarwende ist überparteilich und kein Ableger von B'90/ die Grünen. Über den Nobelpreis für Frau Charpentier und Frau Doudna haben wir uns sehr gefreut. Da wir die Initiative bisher komplett ehrenamtlich und "nebenbei" betreiben, hängt es schlicht von unserer aktuell verfügbaren Freizeit ab, ob wir uns tagesaktuell zu etwas äußern oder kurzfristige Presseanfragen beantworten können. Es tut uns leid, wenn ein anderer Eindruck entstanden ist."
Roland Krieg: Ich bitte die Ungeduld zu entschuldigen und werde bei der nächsten Anfrage mehr Zeit einräumen.