Christian Schmidt wird die Milchbauern nicht los
Landwirtschaft
Landwirtschaft braucht eine neue Definition
Bündnis 90/Die Grünen haben mit der Partei Die Linke ein Milchbündnis geschmiedet. Zwar geht es nahezu allen Agrarbereichen schlecht, doch die Milch hat die größte Lobby. Daher hat das neue rot-grün ein eigenes Milchpaket in den Bundestag gebracht, dass mit Bonuszahlungen für einen Lieferstopp zwischen fünf und 20 Prozent der Milchmenge lockt und mit einer Maluszahlung für Betriebe, die ihre Milchmenge um mehr als fünf Prozent steigern, mahnt. Damit soll das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hergestellt werden. Zudem soll die Milchproduktion an die Grünlandfläche gekoppelt werden und die Molkereien müssen die Andienpflicht aufheben.
Die 500 Millionen Euro aus Brüssel sind für Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linksfraktion, „ein Sterbegeld, das in den Taschen der Banken landet. Für viele Betriebe ist die Milchstraße längst zu eine Sackgasse geworden.“ Die Milchbauern wollten kein Geld aus Brüssel, sondern einen fairen Preis für die Rohmilch. Tackmann betont, dass ein neues System für die Regulierung der Überproduktion alles andere als ein neues Quotensystem ist.
Die aktuelle „Exportoffensive“ sieht der grüne Agrarpolitiker Friedrich Ostendorff skeptisch. An Milchpulver als Ausdruck höchster Qualität für das Ausland, glaube niemand mehr. Zudem rüsten andere auf. Alleine Indien hat die Milchproduktion in den letzten Jahren deutlich gesteigert. Und ein leichter Anstieg von Butterverkäufen in die Golfstaaten sei ebenfalls kein sicherer Hafen für die Milchbetriebe.
Erneut hat das Thema Milch den Bundestag erreicht. Leicht auszurechnen war die Ablehnung des links-grünen Antrages. Der Koalitionsantrag wurde an die Ausschüsse überwiesen: Da winken den Milchbauern jetzt Förderprogramme für Grünlandstandorte und Maßnahmen für Produktdiversifizierungen in regionale und ökologische Milcherzeugung. Selbst Unionspolitiker wie Kees de Vries, der in Sachsen-Anhalt einen Milchviehbetrieb hat, fürchtet einen stärkeren Strukturwandel in der Post-Quotenära. Der sei noch nicht zu sehen, aber wenn die Gesellschaft darin ein Problem sieht, müsse gehandelt werden.
Aber wie, bleibt offen. Für Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD) versuchten Tackmann und Ostendorff die Marktwirtschaft neu zu erfinden. Doch jeder Eingriff sei mit einem Wohlfahrtsverlust verbunden. Grundlegend brauche die Landwirtschaft eine Neuorientierung, die sich Priesmeier mit der Halbzeitbilanz der Gemeinsamen Agrarpolitik 2017/18 verspricht. Mehr Geld aus der ersten in die zweite Säule sei eine Option.
Darin müssten die Landwirte unterstützt werden, ergänzte Parteikollegin Rita Hagl-Kehl. Die Biomilchbauern sind von der Preiskrise nicht betroffen und Deutschland müsse Biomilch sogar aus Dänemark und Österreich importieren. Hilfe aus der zweiten Säule für mehr Direktvermarktung und kleinere und mittlere Betriebe seien sinnvoll. Österreich, das Land der Bergmilchbauern, verteilt seine Gelder zur Hälfte über die zweite Säule.
Bundeslandwirtschaftminister Christian Schmidt hat dagegen Großes im Sinn. Die schnelle Auszahlung der Liquiditätshilfe sei kein Anlass, über deren Sinnhaftigkeit zu sprechen. Solche Nothilfe ist Pflicht. Langfristig aber komme in der Branche niemand um eine Strukturanpassung herum. Die aktuelle Erhöhung der US-Zölle für EU-Butter sei eine gute Vorlage, warum TTIP so nötig gebraucht würde. Und Verwendung für die Überschussmilch hält Schmidt auch bereit: Er will ein nationales Programm auflegen, dass Milch in die libanesischen Flüchtlingslager bringt, damit die Menschen „nicht zur Milch“ kommen.
Das wird die Milchbauernproteste, die seit Wochen seinen Weg durch die Republik begleiten nicht schmälern.
Roland Krieg