Claudia Dalbert übernimmt Agrarressort in ST

Landwirtschaft

Nur noch Formsache für Claudia Dalbert in ST

Kenias Landesflagge ist schwarz, rot, grün. Daher hatte die neue Koalition in Sachsen-Anhalt auch schnell den Namen „Kenia-Koalition“ weg. Allerdings ist das tückisch, denn werden die Streifen nicht längs, sondern hochkant gestellt, grüßt die Flagge Afghanistans. Die Landesbauern könnten also genauso von einer Afghanistan-Koalition regiert werden. Vor allem haben sie einen ausgewiesenen Fachminister im Agrarressort verloren. Dass Dr. Hermann Onko Aeikens nach der Wahl in Sachsen-Anhalt und bei den schwierigen Koalitionsverhandlungen das Ressort nicht mehr weiter führen wird, wurde in der letzten Woche immer klarer. Diesen Mittwoch haben sich CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf einen Koalitionsvertrag geeinigt, den die Parteien noch in dieser Woche abstimmen werden. Gefolgt von der Wahl des Ministerpräsidenten am kommenden Montag.

Die Grünen wollten ursprünglich zwei Ministerien übernehmen, bekamen aber nur eins. Das wird dafür eine Art „Superministerium“ für Umwelt, Energie, Landwirtschaft und wohl auch Verbraucherschutz. Landwirtschaftsministerin wird Claudia Dalbert, 1954 in Halle geborene Professorin für pädagogische Psychologie. Mitglied bei den Grünen seit 2007, hat sie sich auf Bildungs- und Behindertenpolitik spezialisiert.

Allerdings gilt sie auch als Umweltpolitikerin, was sie im Landtag öfters bewiesen hat. In diesem Jahr sprach sie in Magdeburg über die Rekultivierung der Bergbaulandschaften, über Chlorid in der Elbe, Gewässerzustand in Sachsen-Anhalt und über Gentechnikfreiheit in Sachsen-Anhalt. Als Aeikens seine Regierungserklärung zum Thema Umwelt abgab, ging sie auf Konfrontationskurs: Das Klimaschutzprogramm werde die Reduzierung der Treibhausgasemissionen nicht einhalten können. „Echter Klimaschutz ist dringend nötig.“ Wegen der zurückliegenden Hochwasserereignisse solle naturnaher Hochwasserschutz den Flüssen mehr Raum geben. Um die Ziele für den Erhalt der Biologischen Vielfalt zu sichern, fehlten „verbindliche Ziele, abgestimmte Maßnahmen und klare Verantwortlichkeiten“. Dalbert hat der Regierung Haseloff vorgeworfen, für 86 Prozent der Fauna-Flora-Habitate die Voraussetzungen nicht geschaffen zu haben.

Ob Claudia Dalbert nach Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg, Hessen, Bremen und Rheinland-Pfalz die achte grüne Agrarchefin wird, ist derweil noch offen. Rheinland-Pfalz könnte seinen Agrarbereich als eigenständiges Ressort verlieren und an das Wirtschaftsministerium abgeben. Das würde, so die Überlegungen, von der FDP übernommen.

Die Bauern haben ihr Veto bereits eingelegt. Sie lehnten in der letzten Woche auf einer Demonstration in Magdeburg eine drohende Trennung von Umwelt- und Agrarressort ab und sprachen sich für eine wirtschaftsfreundliche Führung des Ministeriums aus. Der erste Teil ihrer Forderungen wurde erfüllt. Beim zweiten Teil bleiben sie skeptisch, denn vor dem Hintergrund der Agrarkrise stehen in den kommenden Jahren Entscheidungen über Produktionsrichtungen, Betriebsformen und Agrarstrukturen an. Dazu fordern die Bauern, Waldbesitzer und Jäger „einen erfahrenen und verhandlungsstarken Minister, der sich für unsere Landwirte einsetzt.“

Ihre psychologischen Kenntnisse wird sie brauchen müssen. Die ersten Glückwünsche kamen von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft aus Niedersachsen. Die AbL sieht mit der neuen Ministerin eine Chance für die Umsetzung des Mottos „Bauernhöfe statt Agrarfabriken“. Die AbL kritisiert, dass die LPG-Nachfolger von der Politik gestützt und gefördert wurden und das Eindringen von außerlandwirtschaftlichem Kapital.

Landwirtschaft im neuen Koalitionsvertrag

Der neue Koalitionsvertrag bis 2021 gesteht der Landwirtschaft im Rahmen der Daseinsvorsorge eine herausragende Rolle zu. „Eine nachhaltige und multifunktionale Landwirtschaft ist die ökonomische Basis für die Entwicklung unserer ländlichen Räume.“ Die Agrar- und Ernährungswirtschaft soll ausgebaut werden. Regionale Qualitätsprodukte sollen in Kantinen genutzt und über Marketing in den Nachbarländern bekannter gemacht werden. Die ELER-Förderung soll öffentliche Gelder für öffentliche Leistungen einsetzen. Die neue Koalition will „stabile, land- und forstwirtschaftliche Strukturen, transparente Eigentumsverhältnisse und eine ausgewogene Verteilung von Eigentum.“ Für die Zukunft soll ein Leitbild für die Landwirtschaft erstellt werden. Darin solle der Bodenmarkt reformiert werden, um vor allem die Preise zu dämpfen. Bei der Verpachtung von Flächen der Landgesellschaft solle die wirtschaftliche Situation berücksichtigt werden, was auch bei der Privatisierung der BVVG-Flächen Anwendung finde. Der Pacht- und Verkaufserlöse landwirtschaftlicher Landesflächen werden dem Agraretat zugeschlagen.

Die neue Ministerin ist angehalten ein Jungbauern- und Existenzprogramm für die Landwirtschaft aufzulegen und die Ausbildung zu verbessern. Sachsen-Anhalt unterstützt die EU-Initiative zur Verkürzung der Schlachttiertransportzeiten. Der Bund solle den § 35 des Baugesetzbuches ändern, damit im Außenbereich nur noch Tierhaltungen genehmigt werden, die keine imissionsschutzrechtliche Genehmigung brauchen. Der Ökolandbau soll für das Ziel 20 Prozent, aber ohne Zeitangabe, gefördert werden.

Der Koalitionsvertrag hat auch den Weinbau nicht vergessen. Das Landesweingut Kloster Pforta soll als weinbauliches und touristisches Zentrum am Standort Schulpforte weiter entwickelt werden. Die Förderung der Weidewirtschaft wird verstetigt.

Roland Krieg; Foto: Pressefoto Claudia Dalbert

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