CMA: Ein Ende mit Schrecken

Landwirtschaft

Absatzfondsgesetz ist verfassungswidrig

>Im letzten Jahr stellte sich die Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft (CMA) neu auf und präsentierte auf der vorletzten Grünen Woche ihre Neuausrichtung – schon als Alternative für ein Scheitern vor dem Bundesverfassungsgericht (BVG) oder als notwendige Diversifizierung, unabhängig vom BVG?
Nun hat das lange, bange Warten auf ein Urteil des BVG ein Ende. Obwohl die europäische Kommission im Dezember 2008 dem Absatzfondsgesetz grünes Licht gab, entschied das BVG am Dienstag: Das Absatzfondsgesetz ist verfassungswidrig.

CMA LogoSchon weiter gerechnet
Von dem 100-Millionen-Etat 2007 blieben nur 40 Millionen Euro übrig, weil viele Beitragszahler, die Bauern, nur noch unter Vorbehalt zahlten. Im letzten Jahr standen zumindest 60 Millionen Euro zur Verfügung. Das positive Signal aus Brüssel ließ die CMA hochrechnen: Die beihilferechtliche Genehmigung hätten CMA und der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle (ZMP) in den nächsten fünf Jahren bis zu 610 Millionen Euro für ihre Aktivitäten zukommen lassen. So freute sich CMA-Geschäftsführer Markus Kraus noch während der Grünen Woche 2009. Durch das am Dienstag gefällte Urteil des BVG ist die Rechtsgrundlage für eine zentrale Absatzförderung nicht mehr gegeben.

„Schwarzer Tag für die Landwirtschaft“
„Wir bedauern das Urteil aus Karlsruhe“, sagte Markus Kraus, „denn Deutschlands Landwirte haben ein Recht auf eine starke Absatzförderung. Heute ist ein schwarzer Tag für die deutsche Landwirtschaft.“ CMA-Aufsichtsratsvorsitzender Werner Hilse sieht in der Entscheidung eine Konjunkturbremse: „Deutschlands Landwirte sind als Einzelunternehmer auf den hart umkämpften Märkten ohne ein gemeinschaftlich finanziertes Netzwerk verloren.“ Politik und Wirtschaft seien jetzt aufgefordert, neue Konzepte zu finden, denn andere europäische Länder haben eine vergleichbare Absatzförderung und könnten die deutschen Produkte im Wettbewerb jetzt verdrängen.
Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Gerd Sonnleitner, teilt die Einschätzung. Aufgaben wie die Markt- und Preisberichterstattung, Verbraucheraufklärung und Imageförderung für die Landwirtschaft seien unverzichtbar. „Als Agrarstandort Deutschland mit rund vier Millionen Arbeitsplätzen in der Land- und Ernährungswirtschaft können wir es uns nicht leisten, auf eine zentrale Absatzförderung zu verzichten“, sagte Sonnleitner.
Sonnleitner erinnerte, dass das Absatzfondsgesetz „vor 40 Jahren aus tiefer Not heraus parteiübergreifend“ erstellt wurde. Durch die CMA wurde die Entwicklung der deutschen Agrarwirtschaft erst zu einer „Erfolgsstory“. Die zentrale Absatzförderung habe die Wirtschaft „bis auf den letzten Cent“ selbst finanziert. In anderen Ländern übernehme der Staat einen Teil der Finanzierung. Unverständlich sei für Sonnleitner, „dass im Zuge der Finanzkrise der Staat Banken verstaatlicht und deren Eigenkapital mit Steuergeldern erhöht, während man unserer Landwirtschaft den vorhandenen Schutzschirm wegzieht.“
Manfred Nüssel, Präsident des Deutschen Raiffeisenverband, sorgt sich ebenso um die Absatzförderung nach EU- und Drittländer. Man müsse umgehend mit Politik und Wirtschaft „Beratungen über Alternativen“ führen.
Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium bedauert die Entscheidung. Bevor allerdings „konkrete gesetzgeberische Konsequenzen“ angekündet werden, müsse man zunächst die Ausführungen des BVG im Detail auswerten. Dann ergebe sich auch „ob und welche Gestaltungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verbleiben“, den Absatz deutscher Produkte auch künftig zu fördern.

Bayern handelt schon
Bayerns Agrarminister Helmut Brunner hat bereits die Initiative ergriffen. Der Exportwert der bayrischen Ernährungsgüter beträgt rund sieben Milliarden Euro und ist nach Angaben aus dem Ministerium in den ersten zehn Monaten 2008 bereits um 18 Prozent zum Vorjahr angestiegen. Als Reaktion auf das BVG-Urteil hat Brunner bereits angekündigt, die „Bayrische Exportoffensive Neue Märkte“ auszubauen und auf weitere Länder auszuweiten. Im Inland will Bayern die Vermarktung von Produkten aus der Region selbst in die Hand nehmen und den Absatz bayrischer Spezialitäten voranbringen.

ZMP nicht vergessen
Brandenburgs Agrar- und Umweltstaatssekretär Dietmar Schulze hat in einer ersten Stellungnahme daran erinnert, dass auch die ZMP von dem Urteil betroffen ist. Die dürfe bei den weiteren Überlegungen nicht auf der Strecke bleiben, denn die ZMP biete mit ihren Daten und Analysen „eine der wichtigsten Entscheidungshilfen für alle am Agrarhandel Beteiligten. Ihr Know-how wird bei Landwirten, bei Industrie und Handel sowie in Verbraucherorganisationen permanent nachgefragt.“ Die Daten sind ein Teil des Erfolges der Agrarwirtschaft, so Schulze.
Dr. Kirsten Tackmann, agrarpolitische Sprecherin der Linken, forderte Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner auf, vor allem für die „unverzichtbare Institution“ ZMP ein Finanzierungskonzept zu entwickeln.

CMA: Nicht zeitgemäß, an Spezialitäten vorbei
Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, Wilhelm Graefe zu Baringdorf, hingegen begrüßt das Urteil. Nach einem langen Weg durch die Instanzen hat der Landwirt Georg Heitlinger endlich Recht erhalten und die Abgabepflicht zu Fall gebracht. Dass ausgerechnet der DBV die Abgabepflicht bis zuletzt verteidigte, ist für den Europaabgeordneten ein Zeichen, dass der Verband nicht die Bauern, sondern die verarbeitende Industrie vertrete. Der bis zu 100 Millionen Euro schwere Etat habe nur der Ernährungsindustrie genützt, „die sich ganz auf die Produktion von Massenware beschränkt hat“. In der allgemein gehaltenen Werbung für Milch oder Fleisch sei kein Raum für regionale und handwerkliche Spezialitäten gewesen, so Baringdorf. Die Niederlage sei absehbar gewesen und die Bauern sollten sich jetzt überlegen, „wo sie sich dieses Geld wiederholen“. Baringdorf sieht auf den DBV Regress-Ansprüche zukommen.
Die Linke im Bundestag begrüßte das Urteil, weil der Absatzfonds nicht mehr zeitgemäß sei, so Kirsten Tackmann. Eine staatliche Zwangsabgabe sei der falsche Weg der Finanzierung, zumal sich die landwirtschaftliche Produktion in den vergangenen Jahren zunehmend spezialisiert hat und von der Absatzförderung der CMA nicht profitieren. Tackmann denkt an eine freiwillige Zahlung, wobei sich die CMA „mit sinnvolleren Konzepten beweisen kann“, als die Fokussierung auf die Exportförderung. „Ohnehin“, so Tackmann weiter, „finanzieren die wesentlichen Akteure der Lebensmittelvermarktung ihr Marketing selber.“

Roland Krieg

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