CO2-Senken gesucht

Landwirtschaft

Mit Eisensulfat Meeresplankton düngen

Die Frage zur Verhinderung des Klimawandels lautet: Wohin mit dem CO2? Nicht erst seit dem zwischenstaatlichen Bericht der Vereinten Nationen über den Klimawandel haben sich Meeresforscher Gedanken gemacht, zu viel Kohlendioxid im Meer zu versenken. Wie es dazu kam haben gestern abend im Aquarium des Berliner Zoos Wissenschaftler von EUR–OCEANS vorgestellt. Mitbegründer des europäischen Netzwerkes von 1993 ist die European Union of Aquarium Curators EUAC gewesen , deren aktueller Präsident der frühere Berliner Zoodirektor Dr. Jürgen Lange ist. Heute leitet er das Berliner Schauaquarium und möchte genau über diesen Ort Wissenschaft, Natur- und Artenschutz der Öffentlichkeit nahe bringen.

Sensibles Ökosystem
71 Prozent der Erdoberfläche sind Wasser und die Überfischung zeigt deutlich den Druck der Menschheit auf das vielfach noch unbekannte Ökosystem Ozean. EUR-OCEANS Gasemissionenverbindet in 20 Ländern 66 Institute und über 1.000 Wissenschaftler, die unter anderem über den Zusammenhang zwischen marinem Ökosystem und Klimaänderungen forschen, beschreibt Prof. Paul Tregeur, Wissenschaftlicher Direktor des Netzwerks. Zusammen mit dem Alfred-Wegner-Institut (AWI) für Polar- und Meeresforschung wurde ein 12minütiger Film vorgeführt, der die Chancen aufzeigte, die das Meer für die verfahrenen Situation der Treibhausgasemission bereit hält. Gleichzeitig wies er jedoch auch die Grenzen auf, ob, so Sylvain Ghiron vom Aquarium Oceanopolis in Brest, der Mensch einseitig in das Meeresgefüge eingreifen darf.

Wie in der Landwirtschaft
Prof. Ulrich Bathmann vom AWI beschrieb die vier Möglichkeiten CO2 im Ozean zu sequestrieren. Je kälter das Wasser ist, desto mehr Gas aus der Atmosphäre löst sich darin auf. So nimmt das kühlere Meereswasser, das zugleich auch noch schwerer ist, das Kohlendioxid beim Absinken in die Tiefe mit. Das kennen die Meeresforscher als physikalische Pumpe.
Die biologische Pumpe reguliert den CO2-Hauhalt auch schon seit Jahrmillionen: Das pflanzliche Plankton verbraucht den Kohlenstoff bei seiner Photosynthese für den Aufbau von Biomasse: Der Anfang in der Nahrungskette. Diese biologische Pumpe hat jedoch in vielen Teilen des Ozeans sein Maximum erreicht, weil für ein stärkeres Algenwachstum Eisen der limitierende Faktor ist. Hier greift eines der beiden künstlichen Systeme ein, mehr Kohlendioxid in die Meere zu schleusen.

Düngung mit Eisensulfat
Derzeit ist das amerikanische Forschungsschiff „Weatherbird II“ auf dem Weg zu den Galapagos Inseln und hat mehrere Tonnen Eisensulfat geladen. Weltweit hat es bereits 13 Versuche gegeben, Planktonwachstum wie im landgestützten Gartenbau mit Düngergaben zu erhöhen.
Das Plankton ist zwar klein und stellt lediglich 0,5 Prozent der irdischen Biomasse dar – die planktische Primärproduktion jedoch verbraucht mit seiner Photosynthese etwa 45 Prozent der jährlich bei diesem zentralen Prozess verschlungenen 150 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Warum also nicht mit Dünger nachhelfen? Und tatsächlich ist auch der Forschungseisbrecher des AWI, die Polarstern, im Rahmen des Europäischen Eisendüngungsexperiments EIFEX unterwegs gewesen und hat 13 Tonnen gelöstes Eisensulfat auf ein 400 qkm großes Seegebiet eingebracht. Fünf Wochen lang wurde die Algenblüte beobachtet. In der letzten Woche konnte „eine signifikante Trübung des Tiefenwassers bis zum Meeresboden in etwa 4000 Meter als Folge der absterbenden und sinkenden Algenblüte beobachtet werden“. Das ist auch das Ziel, formuliert Prof. Bathmann. Die Algen sollen nach der Fütterung mit Eisensulfat Kohlendioxid aufnehmen, absterben und sich am Meeresboden als Sediment ablagern. Eine erste Auswertung durch geochemische Messungen hat gezeigt, dass bei dem „Polarstern“-Experiment eine fünf Millimeter dicke Schicht frisch abgestorbenen Planktons erzeugt wurde.

Aber...
Es gibt keinen Königsweg und die Meeresforscher bei EUR-OCEANS widmen sich dieser Thematik deshalb intensiv, weil es sehr viele Unbekannte gibt. Zu Beginn der Untersuchungen war noch von einem halben Supertanker voll Eisensulfat die Rede, der auf der Erde „eine neue Eiszeit bringen könnte“. Mittlerweile wurden möglichen Einsatzmengen bereits auf die 40fache Menge hochgeschraubt. Die Algenblüte zieht als Beginn der Nahrungskette Zooplankton an, dass wiederum von anderen Lebewesen aufgefressen wird. Nur maximal ein Prozent der eisengedüngten Algen landen auch als Sediment auf dem Meeresgrund. Selbst auf dem Weg nach unten wird das abgestorbenen Plankton von Bakterien wieder veratmet und der finalen Speicherung entzogen.
BrandungZudem haben die Meeresbiologen bereits festgestellt, dass die Eisendüngung nur bestimmte Planktonarten bevorzugt und dieses wiederum nur bestimmtes Zooplankton begünstigt. Welche Auswirkungen die Eisendüngung auf die Zusammensetzung des Ökosystems hat, ist noch vollkommen unbekannt.
Dr. Lange vergleicht die möglichen Auswirkungen mit zurückliegenden Erfahrungen menschlichen Eingreifens: Erst wurden Kaninchen nach Australien gebracht, dann die Füchse, die sich jedoch leichterer Beute zuwandten.

Arbeit an den Folgen und nicht an den Ursachen
Effektivitätsanalysen vom Kerguelen-Plateau im Indischen Ozean haben bereits gezeigt, dass „im Vergleich zur natürlichen Eisendüngung eine künstliche Düngung 10 – 100fach weniger effektiv ist.“
Biomasse gilt mittlerweile zu Lande und zu Wasser als Helfer im Kampf gegen zu viel CO2. Allen gemein ist, dass der Speicher früher oder später jedoch wieder genutzt wird. Auch das CO2-gesättigte Tiefenwasser steigt nach seiner Erwärmung wieder auf und setzt das Gas frei. Selbst wenn der Rhythmus bis zu 1.000 Jahre dauert. Deshalb spricht Prof. Bathmann von einer „geborgten Zeit“.
Das AWI und der Film weisen eindringlich darauf hin, dass es viele Möglichkeiten gibt und die Eisendüngung der Meere nur einen Bruchteil beitragen kann. Biomasse hat ihre Grenzen, einen Reparaturbeitrag zu leisten. Auch andere Anstrengungen wie das „vergraben“ in der Lausitz oder das „versenken“ im Meer, vermindern nicht die anthropogen verursachte CO2-Zufuhr. Es gibt nämlich noch die zweite künstliche Möglichkeit: Kohlendioxid verflüssigen und im Ozean unterhalb von 2.500 Meter deponieren. Es ist zwar dann nicht mehr in der Atmosphäre – aber es ist auch nicht weg.
Der Forschungsbericht des AWI aus dem Jahr 2006 ist eindeutig: „Es ist daher ratsamer, die CO2-Freisetzung zu drosseln, als einen regulierenden Mechanismus der Natur zu manipulieren.“

Lesestoff:
Die Öffentlichkeit auf die Chancen und Gefahren aufmerksam zu machen war die Motivation für den Film, der auf www.eur-oceans.info angesehen werden kann.
Beim AWI können sie virtuell unter www.awi.de Ihre Meeresforschung betreiben.

Roland Krieg; Fotos: EUR-OCEANS

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