Crutzen warnt vor Lachgasemissionen

Landwirtschaft

N2O kann CO2-Neutralität bei Biodiesel-Pflanzen aushebeln

Paul Crutzen, Nobelpreisträger und bekannt durch seine Arbeiten über die Ozonschicht, fordert nach seiner neuen Studie über Lachgasemissionen beim Anbau von Biomasse, die Anbaumethoden stärker zu berücksichtigen.

Problem Denitrifikation
Der Anbau von Pflanzen zur Erzeugung von Biodiesel gilt im Allgemeinen als klimaneutral, sobald er Kohlendioxid als Treibhausgas für die Erderwärmung bilanziert. Es wird durch die energetische Nutzung nur so viel wieder frei gesetzt, wie die Pflanzen vorher aus der Atmosphäre aufgenommen haben. Das in diesem Sommer veröffentlichte Sondergutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen fasste jedoch bereits zusammen, dass durch die Nutzung fossiler Energie bei Herstellung von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln weiterhin klimaschädliche Emissionen auftreten und nur die gesamte Wirkungskette des Anbaus bilanziert werden sollte. Gerade Raps und Mais erfordern für optimale Ernteerträge hohe Stickstoffgaben von 280 bis 300 kg N/ha.
Der Stickstoffkreislauf zwischen Atmosphäre, Boden, Mensch, Tier und Pflanze ist sehr komplex. Was als N2 und N2O (Lachgas) wieder als Gas aus dem Boden in die Atmosphäre austritt, rechnete Werner 1980 bereits mit 200 bis 300 x 106 Tonnen N pro Jahr weltweit vor. Die Landwirtschaft ist in Europa der größte Emittent von Lachgas und Methan. Das Globale Erwärmungspotenzial von Lachgas ist 296mal höher als das von Kohlendioxid, so Crutzen.

Lebenszyklusanalysen gesucht
Die derzeitige so genannte erste Generation von Biodieselpflanzen kann nach der Analyse durch Crutzen den Treibhauseffekt eher verstärken als minimieren. „Das bedeutet“, so der Autor, dass die erwarteten positiven Effekte viel stärker untersucht werden müssen als bisher“, schlussfolgert Koautor Keith Smith. „Was wir sagen ist, dass es nicht nur keinen Nutzen gibt, sondern sogar noch eine Verschlechterung.“ Während das International Panel on Climate Change (IPCC) von einer Denitrifikationsrate durch Mikroben in Höhe von zwei Prozent ausgeht, berechneten die Autoren mit drei bis fünf Prozent eine deutlich höhere Ausgasungsrate von N2O.
Für Raps, der zur Zeit Ausgangspflanze von rund 80 Prozent des Biodiesel in Europa stellt, sind die Lachgasemissionen bis zu 1,7mal höher als bislang angenommen. Für Bioethanol aus Mais, wie er in den USA überwiegend erstellt wird, liegt der Wert bei 1,5. Als Grundlage wird der Kühlungseffekt durch die Einsparung von CO2 gegengerechnet. Nur Zuckerrohr scheint mit 0,5 bis 0,9 die günstigere Alternative zu fossilen Treibstoffen zu sein.
Es sind jedoch nicht die Pflanzen, sondern ist es deren Anbau, der in der Bewertung so negativ auffällt. Die N2O-Emissionen stehen in Verbindung zur Stickstoffdüngung. Das Team um Crutzen schlägt einen Schwellenwert von Stickstoff im Verhältnis zum Trockenmasseertrag vor, der signalisiert, ab wann Biodiesel wirklich günstiger für das Klima ist als fossiler Brennstoff.
Fast zeitgleich hatte vor kurzem die OECD ihr 20. „Round Table“-Gespräch über nachhaltige Entwicklung vorgelegt, das sich ebenfalls um Biodiesel drehte. Autor Richard Doornbosch bewertete beide Studien hinsichtlich der Forderung nach Ökobilanzen, die einen ganzen Lebenszyklus berechnen können: „Ohne diese können Regierungen nicht mehr zwischen dem einen und dem anderen Biodiesel unterscheiden – und riskieren, die Dinge zu verschlechtern.“

Lesestoff:
Die Studie von Crutzen (N2O release from agro-biofuel production negates global warming reduction by replacing fossil fuels) kann im Atmospheric Chemestry and Physics Discussions – Forum eingesehen werden und wird dort bereits diskutiert.: www.atmos-chem-phys-discuss.net/7/11191/2007/acpd-7-11191-2007.pdf
Sachverständigenrat für Umweltfragen: Klimaschutz durch Biomasse 2007; www.umweltrat.de
Werner, D.: Stickstoff(N2)-Fixierung und Produktionsbiologie in: Angewandte Botanik 54 (1980): 67-75
Round Table OECD: www.oecd.org

VLE

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