Dachverband Ökolanbau forciert Tempo
Landwirtschaft
„Kurswechsel“ bei Bundesverband Ökolandbau
Mit heißer Nadel gestrickt hielt die „Initiative Deutscher Bundesverband Ökologischer Landbau“ im Februar auf der BioFach ihre erste Pressekonferenz ab. Allein die nicht in Verbänden organisierten Biobauern des europäischen Ökostandards sind zahlenmäßig jedem Einzelverband überlegen, haben keine gemeinsame Interessensvertretung, sind aber starke Marktteilnehmer innerhalb des Ökomarktwachstums.
Als Ergänzung zu den Verbänden will Initiator Carsten Niemann, der zu Hause in Sachsen-Anhalt einen Biobetrieb führt, den Dachverband verstanden wissen.
„Rezertifizierungskosten“ für verbandsübergreifenden Mengenausgleich bezeichnete Niemann in Nürnberg als „Armutszeugnis der deutschen Verbandslandschaft“.
Im Februar gab es außer den Gründungsmitgliedern aus Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Bayern keine weiteren Mitstreiter. Die Verbände ignorieren die Initiative oder verweisen auf den Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW). Tatkräftige Mitstreiter gibt es nur bei Biopark aus Mecklenburg-Vorpommern. In der letzten Woche gab es in Bernburg die erste Mitgliederversammlung der Initiative. Herd-und-Hof.de sprach mit Carsten Niemann über deren Verlauf.
„Kurswechsel eingeleitet“
Obwohl gerade Erntezeit ist, sind 30 Mitglieder nach Bernburg gekommen, sagte Niemann. Man habe aber seit Februar keine aktive Mitgliederwerbung gemacht, weil man nicht auf Konfrontationskurs mit den bestehenden Verbänden gehen möchte. Am besten wäre es, wenn die Verbände an dem Weg der Initiative mitarbeiten würden.
Im März hat die Initiative die Verbände angeschrieben und unterschiedliche Resonanz erhalten. Demeter habe auf den BÖLW verwiesen, Biopark unterstützt die Initiative, Gäa will weiter informiert werden und mit dem Verbund Ökohöfe habe man weitere Gespräche vereinbart. Enttäuscht zeigte sich Niemann von den Verbänden Bioland und Naturpark, die das Anschreiben noch nicht einmal bestätigt hätten. Möglicherweise wolle man dort die Initiative tot schweigen und damit sie sich tot laufe, so Niemann zu Herd-und-Hof.de.
Auf der Mitgliederversammlung habe man sich auf einen Kurswechsel verständigt. Man wolle jetzt in die aktive Mitgliederakquise und in die Öffentlichkeitsarbeit einsteigen, um der Idee zu einem Durchbruch zu verhelfen. Die provisorische Anlaufstelle in Sülzetal werde im nächsten Monat durch ein festes Büro mit einer Arbeitskraft in Quedlinburg ersetzt.
Erzeugerpreisdiskussion auf dem Biomarkt
Auf Nachfrage von Herd-und-Hof.de sieht Niemann seine Initiative als sehr zeitgemäß an. Der Ökomarkt wächst, die Zahl der Verarbeiter nimmt zu, der Handel werde immer mehr und immer homogenere Ware von den Produzenten fordern. Die Verbände haben in den vergangenen Jahrzehnten viel wichtiges für den Aufbau der Ökobranche getan, doch die Zeit ist eine andere geworden. Der neu gegründete Dachverband sieht sich nicht nur als Vertreter der großen Betriebe in Ostdeutschland. Aus Sicht Carsten Niemanns können auch die kleinen Betriebe in Südwestdeutschland von dem Verband profitieren. Der Lebensmitteleinzelhandel registriere genau, so Niemann, dass beispielsweise die Importeure Bioeier für 17 Cent anbieten können, weil die großen Legebetriebe ihr Futter preiswert aus Rumänien oder Ungarn beziehen. Der Handel beginne dann Regionalpreis für 27 Cent je Bioei zu hinterfragen, was den kleinen Betrieb mit 1.500 Legehennen „in die Bredoullie bringt“. Die Erzeugerpreise seien im Naturkosthandel genauso ein Thema wie im konventionellen und auch Biokunden kaufen preisbewusst, beschreibt Niemann die Marktsituation.
Wenn also Bioland-Bier mit Bioparkgerste gebraut werde, dann sei das in Ordnung. Die Gerste gehöre da auch rein. Aus Erzeugersicht müsse aber die „Rezertifizierung“ abgeschafft werden, die heute notwendig ist, bevor die Gerste für das Bier des Nachbarverbandes verwendet werden dürfe. Nach Sichtweise der Initiative Bundesverband Ökolandbau verlaufe die Grenze nicht zwischen Bioland und Gäa, zwischen Demeter und Biopark, sondern zwischen den Verbandsstandards und dem EU-Ökosiegel sowie den Ökoimporten. Hier will die Initiative vermitteln.
Zum Aufbau des Quedlinburger Büros gehört aktuell auch der Aufbau eines Presseverteilers. Damit, so Niemann, die Initiative in der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen wird.
roRo