Dairy unlimited
Landwirtschaft
Die Zukunft des Milchmarktes
Traditionell wirft die Konferenz „Dairy unlimited“ auf der Anuga einen tiefen Blick in die Kristallkugel. Was bringen die Märkte von Morgen dem Milchsektor? In diesem Jahr standen national und international Veränderungen auf der Agenda, die von den Marktteilnehmern gedeutet werden dürfen.
Markt statt Politik
Nach Dr. Karl-Heinz Engel, Vorsitzender des Milchindustrieverband
steht der Milchmarkt vor einer Neuordnung. Die Vorschläge der High Level Group
on Milk aus Brüssel begegnen dem Auslaufen der Milchquote mit einem Mehr an
Bürokratie, so Engel. Das brauche die Branche nicht, sie ist an den freien
Handel gewohnt.
Die Milchpreise haben nach der historischen Tiefphase
der Jahre 2007 und 2008 wieder auf ein Niveau zurückgefunden, wo die Nachfrage
den Preis bestimme. Trotzdem seien die Preise in Deutschland gegenüber den
Nachbarländern noch vergleichsweise niedrig. Das passe nicht zur guten
Konsumentwicklung von Milch und Molkereiprodukten. Schon alleine wegen
gestiegener Kosten wie beispielsweise für Energie, müssten die Milchpreise auf
ein höheres Niveau steigen.
Weltbedarf
Attilio Zanetti, Vizepräsident der European Dairy
Association, sieht im Export von Milch und Milchprodukten gute Chancen. Der Konsum
von Milch, Käse und Butter in der EU stagniere oder sinke gar – woanders hingegen
steige er. Milch: China plus 18 Prozent, Türkei plus 3,8 %; Käse: Mexiko fünf,
Brasilien plus drei Prozent; Butter: Indien plus acht und China plus fünf
Prozent. Zanetti machte die Dimension klar, um die es dabei geht. Steigerten
die Chinesen ihren täglichen Milchkonsum von 100 auf 300 Gramm, werden 36
Millionen Kühe gebraucht, um diesen Bedarf zu decken.
Die EU wird nach Zanetti künftig nur noch das Netzwerk
für die Anbieter aufstellen, aber um den Export müssten sich die Händler selbst
kümmern.
Neue Ladenkonzepte
Auch der heimische Markt in Europa bewegt sich.
Francesco Cecere, Marketingdirektor von Coop, dem größten Lebensmittelhändler
in Italien, sieht neue Herausforderungen für den Handel. Coop stelle sich in
Italien auf mehr Nachhaltigkeit, maßgeschneiderte Angebote für Konsumenten,
Markenartikel und neue Technologien für eine gestiegene Effizienz auf.
Auch in Italien sind Discounter auf dem Vormarsch, doch
überwiegt noch der klassische Lebensmittelhändler. Die Wirtschaftskrise hat die
italienischen Einkommen auf den Stand der frühen 1990er Jahre sinken lasen und
der Handel hat vermehrt Sonderaktionen fahren müssen.
Coop hat auf diese Zeit reagiert. Am 10. Oktober wurde
in Parma ein neues Format eröffnet. Auf nur 200 Quadratmeter werden 1.000
Produkte angeboten, die alle eines gemeinsam haben: Sie tragen bestimmte Label.
Aus der Region, glutenfrei, Bio, oder umweltfreundlich.
Nach Cecere haben solche Geschäftsformate eine Zukunft
in Europas gesättigtem Markt. In Bologna wurde ein Geschäft eröffnet, das
Restaurant, Kultur und ein Lebensmittelgeschäft mit Premiumware verbindet.
Die Konsumenten werden entscheiden, wie es weiter geht.
Cercere malte zwei Szenarien aus. Die Post-Konsumenten wollen Lebensmittel mit Mehrwert
zu einem günstigen Preis. Überwiegen die
Konsumgewohnheiten der „neuen Armut“, dann wird es ein Mengenangebot für alle
und Qualitäten nur für wenige geben. Im ersten Fall finde ein Wettbewerb um den
fairsten, im zweiten Fall um den günstigsten Preis statt.
Lesestoff:
Coop hat einen Marktanteil von 18,3 Prozent und erzielt einen Umsatz von 12,9 Milliarden Euro. Der erste internationale Händler, Carrefour, erzielt lediglich einen Marktanteil von acht Prozent. Größter deutscher Händler in Italien ist die Rewe mit verschwindenden 1,7 Prozent Marktanteil.
Roland Krieg (Text und Fotos)