Das ist eine Menge Holz!

Landwirtschaft

Bundeswaldinventur

Im Allgäu hat die Redensart „Viel Holz vor der Hütte“ eine besondere Bedeutung. Unter www.allgaeu-humor.de/viel-holz-vor-der-huette.htm sind die Ergebnisse wahrer Holzstapelkünstler fotografisch abgebildet und schmücken Haus und Hof. Bevor das Holz gehackt wurde, lagert es als Polter am Wegesrand (Foto). Und wo gepoltert wurde, muss viel Holz im Wald gestanden haben.

Das ist auch ist die Botschaft die Bundeswaldminister Christian Schmidt am Mittwoch verkünden konnte: „Die Waldfläche in Deutschland ist konstant geblieben – rund 11,1 Millionen Hektar umfasst der deutsche Wald.“ Alle zehn Jahre wird der Wald vermessen. Ein Ergebnis: So viel Holz wie derzeit im Wald hat es seit Jahrhunderten nicht mehr gegeben.

Multifunktionell

Dabei erfüllt der Wald eine Menge verschiedener Aufgaben. Er ist Erholungsraum, Rückzugsort und liefert Rohstoffe. Für den Klimaschutz ist die Bindung von Kohlendioxid im wachsenden Wald von erheblicher Bedeutung. Ertragreiche Wälder müssen keine Monokultur sein, so Schmidt. Der Mischwaldanteil ist auf drei Viertel der Waldfläche angestiegen. Somit widersteht er besser den Stürmen und klimatischen Anforderungen.

Nutzung

Die Nutzung steigt – aber auch bei hohem Holzvorrat. Dieser ist in den vergangenen zehn Jahren um sieben Prozent angestiegen. Deutschland verfügt derzeit über einen Vorrat von 3,7 Milliarden Kubikmeter Holz. Das ist ein Anstieg von 317 auf 336 Kubikmeter je Hektar. Damit ist Deutschland sogar noch vor den skandinavischen Ländern Europameister im Holzvorrat. Daher kann die rege Nachfrage befriedigt werden. In den vergangenen Jahren wurden jährlich 76 Millionen Kubikmeter Holz geerntet. Weniger als nachwächst [1].

Erfolgsmodell Forstwirtschaft

„Die aktuellen Zahlen belegen, dass die Forstwirtschaft in Deutschland sorgsam mit dem ihr anvertrautem Gut umgeht“, bewertet Georg Schirmbeck, Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates (DFWR) den „Zahlenwald“. Auf das Bewirtschaftungsprinzip können die Waldbesitzer stolz sein. Vor allem sei die Ausdehnung des Laubwaldes erfreulich, der von Waldbesitzern und Forstleuten vorgenommen wird.

43 Prozent des Waldes sind bereits Laubbäume. Das Bild zeigt struktureichen Mischwald. „Wie in allen Lebenslagen müssen wir darauf achten, dass wir diesen Bogen aufgrund einseitiger Ausrichtung nicht überspannen“, warnt Schirmbeck. Der Mischwald setzt eben auch standortgerechtes Nadelholz voraus. Die Branche müsse aber noch mehr für die Vielfältigkeit der Laubholzprodukte unternehmen.

Schirmbeck wehrt sich gegen Vorwürfe, der Wald würde zu intensiv auf Kosten der Waldökologie und Waldstabilität genutzt. Die Zahlen der dritten Waldinventur sprächen für sich.

Bei der wichtigen Baumart für die Holzwirtschaft, der Fichte, wurde mehr Holz genutzt als nachgewachsen ist. Ihre Fläche hat um acht und der Vorrat um vier Prozent abgenommen. Einerseits wurde damit eine waldbauliche und forstpolitische Zielsetzung der vergangenen Jahre erreicht. Andererseits wird Fichtenholz künftig knapper.

Ökowald Niedersachsen

Christian Meyer, Landwirtschaftsminister in Niedersachsen, hat die Ergebnisse gleich auf sein Bundesland herunter gebrochen und ist ebenfalls erfreut. „Niedersachsens Wald wird immer natürlicher, klimafreundlicher und ökologischer.“ Niedersachsen rangiert mit 1,2 Millionen Hektar Wald auf Rang drei der Bundesländer. Seit der letzten Inventur ist der Anteil der Laubbäume um 30.000 Hektar angestiegen. Der Wald entwickele sich in Richtung Naturnähe, Baumartenmischung, vertikale Schichtung und Totholz. Mit der neuen Waldumbauförderung will Meyer den Anteil an Laubbäumen noch weiter vorantreiben. Gefördert wird, wer 50 statt 30 Prozent Laubbäume bei der Wiederaufforstung berücksichtigt.

Wild ist in Niedersachsen, wie auch in anderen Regionen, ein Problem. Daher sind mittlerweile rund 50.000 Hektar Wald für eine Naturverjüngung eingezäunt. Das kostet die Waldbesitzer jedoch viel Geld. Hier bestehe Handlungsbedarf und Meyer will Fehlentwicklungen bei der Jagd entgegenwirken. „Der Wald muss sich zukünftig flächendeckend ohne Schutzmaßnahmen selbst verjüngen können.“

Bayerns Wälder sind älter

Auch in Bayern hat die Waldfläche in den letzten zehn Jahren zugenommen. Um 7.400 auf 2,6 Millionen Hektar. Forstminister Helmut Brunner freut sich über die Zunahme der Laubbäume. Ihr Anteil nahm um vier Prozentpunkte auf 36 Prozent zu. In jüngeren Waldbeständen haben sie sogar einen Anteil von 56 Prozent. Der Erfolg gehe vor allem auf die Umbaumaßnahmen im Staatswald zurück. In den letzten fünf Jahren wurden dort 40.000 Hektar labile Nadelwälder in klimatolerante Mischwälder umgebaut.

Die Wälder Bayerns werden auch immer älter und sind nach Brunner ein Zeichen für die naturnahe Entwicklung. Das Durchschnittsalter ist in der letzten Dekade um vier auf 83 Jahre gestiegen und liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 77 Jahren. Auch der Anteil an Totholz ist von zwei auf 22 Kubikmeter je Hektar gestiegen. Im Staatsforst sind es sogar 35 Kubikmeter. Bayern ist mit Abstand das waldreichste Land. 27 Prozent aller Holzvorräte wachsen dort und der Durchschnitt von 396 Kubikmeter Holz je Hektar liegt deutlich über dem Bundesdurchschnitt.

NRW-Bäume: Älter und vielfältiger

In Nordrhein-Westfalen ist Landwirtschafts-minister Johannes Remmel zufrieden. Die Wälder zwischen Rhein und Ruhr sind um 11.000 Hektar größer geworden, der Anteil Laubwälder beträgt jetzt 57 Prozent und mit einem Durchschnittsalter von 75 Jahren hat der NRW-Wald in zehn Jahren sechs Jahre zugelegt. Der Fichtenbestand hat in den letzten Jahren um sechs Prozent abgenommen, bleibt mit 30 Prozent aber noch dominierende Baumart. Neben gezielten forstwirtschaftlichen Maßnahmen hat der Orkan Kyrill im Jahr 2007 die Reinbestände reduziert. Der Orkan ist auch Hauptursache für die große Zunahme von Totholz im Wald. Die Bundewaldinventur erlaubt nur ein großes Raster. Der Wald kann zwischen den einzelnen Regionen sehr unterschiedlich gestaltet sein. Der zuständige Inventurleiter in NRW, Lutz Falkenried, verweist auf die Landeswaldinventur, deren detailliertere Ergebnisse Mitte 2015 veröffentlicht werden sollen.

Defizite

Der BUND, Greenpeace, der NABU und das Forum Umwelt und Entwicklung sind zwar mit den Ergebnissen zufrieden: Der Anteil Buchenwälder steigt, die Wälder werden älter und der Vorrat steigt. Dennoch sei Deutschland noch immer „weit davon entfernt, eine internationale Vorbildrolle bei der ökologischen Nutzung und dem Waldnaturschutz einzunehmen.“ Die Verbände kritisieren, dass die Zunahme von Buchenwäldern nichts über den Umgang mit alten Buchenwäldern aussage. Nach Auffassung von Greenpeace sind zu wenig Buchenwaldflächen in Deutschland geschützt.

Prof. Hubert Weiger vom BUND hadert mit dem Holzvorrat: „Der Holzvorrat in unseren Wäldern liegt derzeit noch immer bei weniger als der Hälfte der Holzvorräte, die es in Urwäldern oder über lange Zeit ungenutzten Wäldern gibt“. Mehr Holz im Wald vergrößere die Biodiversität. Dazu müssten die Wälder auch deutlich älter werden.

Vorbild sind dauerhaft geschützte Flächen, in denen auch die Forstwirtschaft nicht mehr erlaubt ist. Derzeit sind es 1,9 Prozent der deutschen Waldesfläche. Zu wenig für die Umweltverbände. Sie erinnern an den Beschluss der Bundesregierung, der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt, dass bis zum Jahr 2020 fünf Prozent der Wälder dauerhaft für eine ungestörte Waldentwicklung geschützt werden sollen.

Jürgen Maier vom Forum Umwelt und Entwicklung kritisiert die derzeitige Holznutzung. Zu viel Holz werde ohne vorherige anderweitige Nutzung gleich energetisch verbrannt. Ein großer Teil wird für kurzlebige Verpackungsprodukte vergeudet. Die Holzindustrie müsse stärker nach Lösungen für langlebige Laubholzprodukte suchen. Nur dann machten Holzprodukte wirklich Sinn.

Es gibt auch Kritik an der Inventur selbst. Bäume in der Altersklasse oberhalb 160 Jahre werden pauschal zusammengefasst. Das mache nicht einmal die Hälfte der Lebensspanne einer Buche aus.

Pflanzenschutz

Harald Ebner von Bündnis 90/Die Grünen kritisiert Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt, weil ihm angesichts des Eichenprozessionsspinners lediglich der Appell einfalle, neue Insektizide zuzulassen. „Mit nachhaltiger Waldpolitik hat das nichts zu tun“, so Ebner. „Ein naturnaher Mischwald wäre dagegen viel weniger anfällig für Schädlingsplagen und braucht keine Giftspritzen“ [2].

Heizen mit Holz

Die Agentur für Erneuerbare Energien ist mit dem Ergebnis der Waldinventur zufrieden. Der Wald als Bioenergieträger setzt nicht mehr Kohlendioxid frei, als er vorher durch sein Wachstum gebunden hat. Im Jahr 2013 wurden 148 Millionen Tonnen Treibhausgase in Deutschland eingespart. Die Holzenergie hat davon einen Anteil in Höhe von 25 Prozent oder 36,6 Millionen Tonnen beigetragen.

Die Holzenergie bleibt ein wesentlicher Bestandteil der erneuerbaren Energien. Sogar mit Verarbeitungsabfällen wie Sägespäne oder Altholz aus der Industrie. Sie sind Grundlage der Holzpellets. Im Juni 2014 waren Holzpellets für 53 Cent pro Liter Heizöläquivalent zu haben und damit rund ein Drittel preiswerter als der Liter Heizöl mit 80 Cent pro Liter.

Innovative Technologien wie die Produktion von Holzgas zur Strom- und Wärmeproduktion zum Beispiel in Gewerbebetrieben oder die Nutzung von Holzpellets, beispielsweise für Eigenheime oder Mehrfamilienhäuser, bergen noch viel Ausbaupotenzial.

Lesestoff:

Mehr als 90 Milliarden Bäume wachsen in Deutschland. In den Jahren 2011 und 2012 waren 60 Inventurtrupps zu 60.000 Messpunkten unterwegs und haben rund 150 Merkmale für die Bundeswaldinventur erfasst www.bundeswaldinventur.de

[1] Rohstoffversorgung bei Laubholz mit Problemen

[2] Die öffentliche Wahrnehmung zu Baumschädlingen ist gering

Der BUND hat ein Hintergrundpapier zur „Zukunftsfähigen Waldpolitik in Deutschland“ veröffentlicht: www.bund.net/waelder

Roland Krieg, VLE; Fotos: roRo, DFWR, Thünen-Institut

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