Das Netz der Agrarlobby

Landwirtschaft

Wie lange hält sich das Agrarministerium?

Netz der Agrarlobby

Mit einer Vorabveröffentlichung in der Süddeutschen Zeitung leitete der NABU am Montag seine Auftragsstudie beim Institut für Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen (iaw) ein und veröffentlicht das ermittelte Netzwerk der Agrarlobby, die Politik und Verbraucher beeinflusst. Rund 560 Knotenpunkte im Berlin-Brüsseler Netzwerk wurden ausgehend vom Deutschen Bauernverband (DBV) ausgemacht.

Der NABU hat die Verzahnungen bereits im Jahr 2002 aufgelegt und kommt zum Schluss: „Nur wenn es gelänge, die Einflüsse von investitionshemmenden Vertretern aus Bauernverbänden und Ernährungswirtschaft zurückzudrängen, hätte die Agrarwende eine Chance.“ Im Gegenteil habe der DBV sein Netzwerk in den letzten 15 Jahren ausgebaut. Hinter dem Netz verberge sich lediglich „eine kleine Gruppe, die alle wesentlichen Bereiche der Agrarpolitik und des Agribusiness abdeckt.“

Die Studie hat die Verflechtungen des Deutschen Bauernverbandes in den Mittelpunkt gestellt. Personell haben sich die Autoren auf den Präsidenten Joachim Rukwied, den jetzt aus Altersgründen aus dem Amt scheidenden Europapolitiker Albert Deß, den Präsidenten des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) Franz-Josef Holzenkamp und den Präsidenten des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV), Johannes Röring, konzentriert. Das Netzwerk spannt sich zwischen den sechs Bereichen Behörden, Finanzen, Agrar- und Ernährungswirtschaft, Agrochemie, Verbände, sowie Politik und Agrarausschüsse in Berlin und Brüssel.

Fazit der Studie

Die einzelnen Verbindungen der Personen sind im Detail aufgeführt. Die Vernetzung „ist in seiner Komplexität kaum durchdringbar“, heißt ein Fazit der Autoren. Es haben sich verschiedene „Hotspots“ rund um den DBV aufgebaut.

Die Autoren fordern die Einführung eines Lobbyregisters, was allerdings seit langem sektorunabhängig gefordert wird. Regelmäßig solle eine „Verflechtungsdatenbank 2.0“ erstellt werden. Die zweite Forderung lautet: „Entkopplung von Politikbereichen aus der Agrarpolitik“. Die Autoren wollen Umweltpolitik und Politik für den ländlichen Raum separat behandeln. Das Fach- und Ordnungsrecht müsse gestärkt und die Funktionen der Landwirtschaftskammern überprüft werden. Und zum Schluss fordern die Autoren auf, ein „Gegengewicht“ zu schaffen – „professionelle Strukturen entwickeln.“

Zahlenspiele aus der Studie

Bei den Prozentzahlen der deutschen Politiker im Bundestagsausschuss mit direktem Bezug zur Land- und Agrarwirtschaft  haben die Grünen mit 67 Prozent einen sehr hohen Wert im letzten Bundestag erzielt. Die Autoren wollen den Wert durch die geringe Anzahl an Mitgliedern relativiert wissen. Es waren nur drei grüne Abgeordnete. Statistisch hat der Wert bei einer so geringen Ausgangsmenge keine Aussage. Oder vielmehr: Den Grünen ist es gelungen, zwei von drei möglichen Agrarlinks im Ausschuss zu besetzen. Mit Einzug einer neuen Partei im Bundestag hat sich das Verhältnis im neuen Bundestag auf 50 Prozent verringert. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Berufsverbindungen wurde lediglich bei den 15 Mitgliedern der Union gemacht.  

Fleißarbeit

Lediglich die Schlussfolgerungen und der Auftraggeber lassen die Zielrichtung der Fleißarbeit zu, warum genaue Verbindungswege dargestellt werden. Die Umweltaspekte kommen zu kurz. Aus dieser Sicht ist die Darstellung der „Agrarlobby“ richtig, wenn auch nur ein Teilaspekt. Die innerliche Zerrissenheit eines Präsidenten Rukwieds, der einmal faire Preise für die Rübenbauern fordert und anschließend mitstimmt, Zuckerwerke zu schließen [1], können nur die Marketingstrategen nachvollziehen, die das Verbände-Bio verteidigen und fördern wollen und gleichzeitig Verbandsware in den konventionellen Lebensmitteleinzelhandel bringen [2].  

Die in der Studie auf Seite 16 gelungene Kurzdarstellung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) widerspricht allerdings dem Vorwurf „einer veränderungsresistenen Agrarlobby“. Von der Ernährungssicherung, über die Überschussreduzierung, der Agenda 2000 bis zu Verbraucheraspekten, Greening und der derzeit diskutierten „Grünen Architektur“ zeigt die Flexibilität der Agrarpolitiker, sich seit den 1960er Jahren auf neue Herausforderungen einzustellen.

Die „Agrarlobby“ war bis Karl-Heinz Funke (SPD) als „Knotenpunkt“ zwischen Landesbauernverband, Landwirtschaftsministerium und Agrarindustrie durchaus prominent erst in Bonn, dann in Berlin vertreten. Erst mit Renate Künast trat eine „berufsfremde Ministerin“ in das Berliner Amt und legte die Tradition von Ilse Aigner bis Christian Schmidt fest, die erst die aktuelle Ressortchefin Julia Klöckner als Winzertochter ein wenig aufweicht.

Doch schon vorher gab es mit der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die aus einem Arbeitskreis junger Landwirte im Jahr 1973 entstand, ein heute wichtiges Standbein des Agrarbündnisses. Milchbauern, die mit dem Milchpolitik des DBV nicht einverstanden waren, gründeten 1998 den Bundesverband Deutscher Milchviehhalter und sorgen seither für ihre eigene Stimme. Ein Jahr später gründete sich der Deutsche Bauernbund in Ostdeutschland als Vertreter für Familienbetriebe. Zusammen mit den zahlreichen Ökoverbänden demonstriert das Agrarbündnis zur Grünen Woche.

Ohne Lobbyismus funktioniert keine Demokratie. Eine Lobby funktioniert nur dann schlecht, wenn es keine ebenso starke Gegenlobby gibt. Das bayerische Volksbegehren für mehr Artenvielfalt zeigt jedoch, das auch mit weniger Verflechtungen spontan Runde Tische beim Ministerpräsidenten entstehen – obwohl sie im engeren Sinne lediglich ein Mehr an Umweltprogrammen fordern. Mit der Forderung nach „Mehr KULAP“ hätten sich die G-Länder auf der letzten Agrarministerkonferenz in Landau eher durchsetzen können.

Im Rückblick auf die Wilhelmstraße in Berlin müssen auch die Niederlagen der verflechtungsstarken Agrarlobby erwähnt werden. Mit dem Wechsel der Hausleitung von CSU zu CDU dreht das Ministerium an einer eigenen, auf die Wünsche der Verbraucher und Umweltorganisationen, zugeschnittenen Position. Eine so heftige Watschn vom Ministerium, wie der zur DBV-Ackerbaustrategie,  hat es schon lange nicht mehr gegeben [3]. Auch die spontane Milliardenforderung des DBV zur Dürrehilfe hatte Klöckner sachlich wegdiskutiert.

2050 gibt es nur noch die Hälfte der heute 260.000 Landwirte. Unabhängig von der Bedeutung der landwirtschaftlichen Erzeugung, stellt sich seit einigen Bundestagswahlen die Frage immer wieder neu, ob die Landwirtschaft ein eigenes Ministerium behalten solle. Rheinland-Pfalz zeigt, dass es auch eine Unterabteilung des Wirtschaftsministeriums sein könnte.

Mit Lobby umgehen lernen

Zur Demokratie gehört das Erlernen des Umgangs mit einer Lobby. Statt sie zu verteufeln, bietet die Demokratie jedem die Chance, eine eigene Lobby aufzubauen. Das Bundesumweltamt hat das im letzten Jahr mit der Auswahl von „testbiotech“ zur kritischen Fachbegutachtung für Gentechnik gemacht [4]. Die Umweltorganisationen haben zudem die Gentechnik in Europa aus dem Salon gefegt – obwohl Spanien seit mehr als 20 Jahren horrorfrei gentechnisch veränderten Mais anbaut.

So wird auch der DBV lernen, mit seiner Jugendorganisation, der er im letzten Jahr mit Nina Sehnke und Christoph Daun zwei unbequeme Querdenker absägte, charmanter umzugehen. Die beiden hatten eine kürzere Übergangsfrist für das Aus der Anbindehaltung von Milchkühen formuliert. Der DBV bestreitet, auf der außerordentlichen Bundesmitgliederversammlung gegen die beiden gestimmt zu haben.

Lesestoff:

Die Verflechtungsstudie finden Sie unter https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/agrarpolitik/26321.html

[1] Zuckerpolitk: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-krieg-ist-verloren.html

[2] Wachstum oder nicht? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wie-viel-angst-hat-bio-vor-dem-wachstum.html

[3] DBV-Strategie verfängt beim Bund nicht: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/bmel-will-breitere-ackerbaustrategie.html Wie tief getroffen und dürr  der DBV den Besuch von Staatssekretär Aeikens veröffentlichte, lesen sie hier: https://www.bauernverband.de/strategien-fuer-einen-nachhaltigen-ackerbau

[4] Zuwendung statt Ausschreibung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wie-testbiotech-zur-fgu-kam.html

Roland Krieg; Grafik: Titelbild der Verflechtungsstudie

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