„Das Pflügen des Schlangenackers“

Landwirtschaft

Finnlands moderne Heldensaga

Finnland

Seppo Ilmarinen heißt der Schied in der finnischen Saga Kalevala. Um die Nordlandtochter zu gewinnen musste der Schmied übernatürliche Aufgaben wie das Pflügen des Schlangenackers erfüllen. Noch  heute beschreibt das geflügelte Wort die Bewältigung einer schweren Aufgabe.

Und nichts weniger hat Finnland in den nächsten sechs Monaten vor. „Die Lösung der Klimakrise kann die nächste europäische Heldentat sein“, sagte Ministerpräsident Antti Rinne zu Beginn der Ratspräsidentschaft, die Finnland am 01. Juli von den Rumänen übernommen hat. Rinne hat in seiner Rede im finnischen Parlament die Friedenswirkung Europas gewürdigt und die Resilienz betont, dass trotz abgeflauten Wachstums Arbeitslosigkeit und Ungleichheit nicht zugenommen haben.

Talkoo

Das Motto des finnischen Rats lautet „Ein nachhaltiges Europa – eine nachhaltige Zukunft.“ Mit den Themen Klima, Migration, Europas Einigkeit und Jugendarbeitslosigkeit hat Finnland tatsächlich übernatürliche Kräfte nötig, um neben einem Abschluss des Mehrjährigen Finanzrahmens, eine neue Agrarpolitik und den Brexit zu stemmen. „Es wird ein spannendes halbes Jahr“, sagte Bernhard Schnittger am Montag in Berlin. Der stellvertretende Leiter der Europäischen Kommission in Deutschland glaubt an das finnische  „Talkoo“ in Zeiten des parlamentarischen Umbruchs nach der Europawahl und vor den neuen EU-Kommissaren. Jean-Claude Juncker hatte am Freitag den Begriff in Helsinki erwähnt. Talkoo bezeichnet das gute Zusammenwirken aller Beteiligten als Nachbarn und Freunde für ein gemeinsames Ziel. Finnland zeichnet sich als Führer in der EU aus und zeigt sich immer wieder als sei das nördliche Land ein Gründungsmitglied der EU. Schnittger betont die Vermittlungskompetenz, die das Land international gewonnen hat.

Klimapräsidentschaft

Die finnische Botschafterin Anne Sipiläinen will die Übergangszeit der EU ohne Sprünge in das Jahr 2020 führen und stellt das Klima als wichtigstes Thema ganz nach vorne. „Klimawandel ist das erste Wort der finnischen Ratspräsidentschaft.“ Die EU müsse zeigen, dass sie sich der Sorgen der Bürger annimmt und will die für 2050 anvisierte Klimaneutralität auf ein praktikables Gleis setzen. Finnland will vorgehen und hat das Ziel für sich auf das Jahr 2035 terminiert. Europa solle ein globaler Vorkämpfer für die Umwelt werden. Die Ratspräsidentschaft ist daher nur mit wenigen Tagungen in Finnland ausgestattet, um die Zahl der Flugreisen zu senken. Gäste bekommen keine Geschenke, das Geld wird für Kompensationszahlungen für die Umwelt ausgegeben.

Saftiger Schinken im Genossenschaftsladen Heila
Saftiger Schinken im Genossenschaftsladen Heila

Haushaltssperre abwenden

Der wichtigste Brocken auf dem Weg zu einer nachhaltigen Zukunft ist der Mehrjährige Finanzrahmen. Finnland will im Oktober einen Entwurf vorlegen, der bis Jahresende angenommen werden kann. Finnland muss es schaffen.  Sollte da nicht gelingen, droht ab dem 01. Januar 2021 eine europäische Haushaltssperre für Erasmus- und Wissenschaftsprogramme und die Handlungsfähigkeit bei Themen wie der Migration ist eingeschränkt.

Landwirtschaft

Was von den bisherigen Agrarplänen für die Förderperiode ab 2020 oder später übernommen werden kann, wird sich erst zeigen. 60 Prozent der Europaparlamentarier sind erstmalig im Plenum, der Agrarkommissar steht noch nicht fest. Parlament und Kommission müssen sich nach Sipiläinen vermehrt an den Wünsche der Bürger ausrichten. Das Thema Klima solle in allen Ressorts tiefer verankert werden.

Europa

Der Brexit war am Montag kaum noch ein Thema. Europa blickt wieder auf sich selbst. Fördermittel sollen unabhängig von den jetzigen Kandidaten für alle Länder gültig nur noch gegen Rechtsstaatlichkeit ausgeteilt werden. Ob als Begriff ein Rechtsstaats-TÜV, eine gemeinsame Beobachtung oder eine Peer Review eingeführt wird, auf den Inhalt kommt es an. Europäische Steuergelder sollen für europäische Gedanken und Ziele ausgegeben werden. Details sind in den nächsten Monaten noch zu klären.

Zur europäischen Idee gehört weiter die Einbindung des Westbalkans. Trotz aller innenpolitischen Schwierigkeiten, auch in der EU, hofft Sipiläinen auf erste Gespräche mit Albanien und Nordmazedonien diesen Herbst. Ein Verschieben löse nicht die Probleme, ergänzte Frank Burgdörfer, Vorstandsmitglied der Europäischen Bewegung Deutschlands (EBD). Würden diese Länder ausgeklammert, schaffe die EU einen Manövrierraum für Anti-Europäische Kräfte.

Die EU muss sich auch dem Nachwahl-Prozess stellen. Das Modell des Spitzenkandidaten habe mit dem Lissaboner Vertrag in den Wahlen 2014 und 2019 nicht verfangen. Die Vorgänge um den Kommissionspräsidenten bezeichnete Burgdörfer als „unerfreulich.“  In fünf Jahren müsse das anders organisiert werden.

Lesestoff:

https://eu2019.fi/

Roland Krieg, Fotos: roRo

Zurück