Das Regionalfenster ist da

Landwirtschaft

Nüchternes Regionalfenster mit viel Kraft

Es sieht nicht umwerfend aus und scheint auf der Verpackung auch noch Platz wegzunehmen. Das neue Regionalfenster, das Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner vor genau einem Jahr auf der Grünen Woche angekündigt hat, wurde am Donnerstag in der Halle des Ministeriums weit aufgerissen.

Renaissance der Regionalität

Das Regionalfenster will dem Wunsch der Verbraucher entgegenkommen, Vertrauen in die Herkunft der Produkte wieder zu erlangen. In fünf deutschen Testregionen werden Wurst, Salate, Gemüse, Saft und Brot mit dem Herkunftskennzeichen ausgestattet. Es ist weder ein Logo, noch ein Siegel. Das will es auch nicht sein, weswegen keine weiteren Qualitätskriterien ausgelobt werden sollen.
Für Lucia Puttrich, Landwirtschaftsministerin in Hessen, wo das Regionalfenster entwickelt wurde und wissenschaftliche von der Universität Kassel betreut wird, ist das Regionalfenster selbst ein Qualitätsmerkmal.
Das Regionalfenster stellt nur sicher, dass die Herkunft der Ware garantiert ist. Kontrollen beinhalten auch Isotopen-Analysen, mit der die Erzeugungsregion tatsächlich sehr genau ermittelt werden kann.
Wolfgang Leiste führt das Qualitätsmanagement bei Edeka und sieht in dem Herkunftszeichen einen Glaubwürdigkeitsbeweis in Richtung Verbraucher, die bereit sind, mehr Geld für regionale Produkte zu bezahlen. Unverpacktes Obst wird nach Leiste mit einem so genannten Kistenstecker ausgezeichnet, auf dem auch das Produkt selbst abgebildet sein muss. An der Bedientheke erscheint es auf dem Preisschild.

Bewährungsprobe

Die Testphase wird eine Bewährungsprobe, weil das Herkunftszeichen nicht unumstritten ist Cornelia Behm, Sprecherin für ländliche Entwicklung bei Bündnis 90/Die Grünen bemängelt, dass durch die Freiwilligkeit viele andere Produkte weiterhin Regionalität vorspiegeln dürfen. Das derzeit am häufigsten kritisierte Produkt ist die Milch „Mark Brandenburg“, bei der eine Kölner Molkerei Milch aus ganz Deutschland verarbeitet. Produkte mit dem Regionalfenster stehen jetzt im Wettbewerb neben vorgegaukelten Regionalprodukten, so Behm. Das Regionalfenster würde große Firmen bevorzugen, die sich den Aufwand der Kontrollen leisten können.
Ulrike Höfken und Alexander Bonde, die jeweils das Landwirtschaftsministerium in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg leiten (ebenfalls Grüne), sehen in dem Regionalfenster einen „halbherzigen Schritt“. Der Anteil von 51 Prozent regionaler Zutaten bei verarbeiteten Produkten ist zu wenig, weil etablierte Regionalmarken weitaus höhere Werte festlegen .Die komplizierte Berechnung könnte Trittbrettfahrer anlocken, die mit der Regionalität weniger ernst nehmen.
In der Tat ist die Berechnung bei verarbeiteten Produkten kompliziert. Die erste Hauptzutat muss zu 100 Prozent aus der Region stammen. Sollte sie innerhalb des Produkts weniger als 51 Prozent ausmachen, wie beispielsweise bei einem Produkt aus 47 Prozent Schweinefleisch und 42 Prozent Rindfleisch, dann müssen die weiteren Zutaten solange zu 100 Prozent aus der Region stammen, bis 51 Prozent des Gesamtgewichtes „regional“ sind. Die 100 Prozent Rind in dem Beispiel machen die niedrige Quote beim Schweinefleisch also wieder wett. Rechenkünstler dürfen sich einmal an einem Etikett für ein Produkt mit zehn Zutaten probieren und prüfen, was alles aus der Region stammen muss.
Die Agrarminister kritisieren weiterhin, dass Regionalität nicht definiert ist. Die Region muss größer als eine Kommune und kleiner als Deutschland, darf aber auch grenzüberschreitend sein, heißt es beim Regionalfenster. Die Nutzer könnten jedoch die Region selbst definieren, fürchten Höfken und Bonde. Die dreistufige Kontrolle berge außerdem die Gefahr, dass neben den Kosten der Aufwand für die Bürokratie zu groß werde.

Für wen ist das Siegel?

Herd-und-Hof.de sprach nach der Vorstellung des Zeichens mit Felix Prinz zu Löwenstein, Vorsitzender des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft. Für den BÖLW macht das Zeichen Sinn. So kann beispielsweise eine kleine regionale Schlachterei ihren Fortbestand mit dem Zeichen sichern, weil sie ihre Produkte gegenüber anderen Anbietern profilieren können. Deswegen sei das Regionalfenster auch so nüchtern ausgestaltet. Es verdränge nicht die wertgebenden Siegel wie „Bio“, „ohne Gentechnik“ oder tiergerecht, was derzeit ebenfalls vielfältig ausgelobt wird. Regionalität ist vor allem Strukturpolitik, damit dezentrale Schlachthöfe und Verarbeiter wieder angesiedelt werden. Prinz zu Löwenstein will die Strukturpolitik aber nicht zwingend mit dem Herkunftszeichen verbinden, weil die regionalen Strukturen leichter zu wünschen als zu realisieren sind.
Noch im Sommer soll eine Auswertung der Testphase stattfinden. Dann muss das Zeichen die Kritiker überzeugt haben.

Lesestoff:

www.regionalfenster.de

Landwirtschaft und Handwerk für den ländlichen Raum

Die EU fragt: Regionalität: Eine Frage der Kilometer?

Roland Krieg; Fotos: roRo

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