Das Tier ist das Ziel

Landwirtschaft

Kaum gemeinsame Positionen beim Tierschutz

>Das Beispiel der Legehennenverordnung zeigt deutlich, wie es in der Diskussion um den Tierschutz steht. Es gibt eine eindeutige Verordnung, dass ab Januar 2007 die Käfighaltung in Deutschland verboten ist. Das allerdings ist rund fünf Jahre früher als es die EU vorschreibt. Zudem soll in Deutschland auch der ausgestaltete Käfig nicht genutzt werden. Aber ab wann ist ein Käfig ein Käfig, fragte bereits Dr. Wilhelm Priesmeyer, Tierschutzpolitischer Sprecher der SPD, auf dem Perspektivforum des Deutschen Bauernverbandes (DBV) in dieser Woche. Das war in Berlin einen Tag vor der gestrigen Agrarministerkonferenz auf Burg Warberg in Niedersachsen. Auf dem Forum herrschte noch Optimismus - seit gestern Ernüchterung. Die Länderminister konnten sich nicht auf die so genannte Kleinvoliere einigen, die von der Industrie bei einer Höhe von 60 cm 60 Tieren Platz bietet, während Verbraucherministerin Renate Künast lediglich 30 Hennen in Käfigen von einem Meter Höhe sehen will. Weil sich also gestern keine Einigung fand, wird weitergetagt. Vor allem bleiben die Naturschützer und Geflügelhalter jetzt außen vor. Bund, Länder und Wissenschaft verhandeln alleine weiter.

Tierschutz auf hohem Niveau
Es gibt vor allem in der Putenhaltung noch immer tierquälerische Intensivhaltung, wie es Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, auf dem Perspektivforum benannte. Es zeigte sich jedoch, dass Tierschutz wesentlich weiter geht, als manche Bilder glauben machen wollen. Soll ein Mastschwein 0,55 qm Platz haben, wie es die EU in einer Richtlinie vorschreibt und Dänemark umsetzt, oder muss es 0,8 qm Platz haben, wie es in den Niederlanden mittlerweile üblich ist? Es könnten auch 0,64 qm sein - so handhabt es Nordrhein-Westfalen (jeweils für Tiere in der Gewichtsklasse von 50 - 85 kg). Es sieht mehr zufällig als geplant aus. Für einen landwirtschaftlichen Unternehmer alles andere als investitionssicher.
Staatssekretär Matthias Berninger aus dem BMVEL nannte neben dem Tierschutz auch die beiden anderen Bereiche: Tierversuche in den Labors und vor allem die private Heimtierhaltung, die zunehmend exotische Reptilien nachfragt. Die Landwirtschaft sieht im wissenschaftlichen Bereich den Tierschutz mittlerweile viel differenzierter, wie Prof. Dr. Dr. Ernst Kalm (Universität Kiel) und Prof. Dr. Dr. Gauly (Universität Göttingen) beschrieben. Es geht längst nicht mehr um Grundfläche und Stallhöhe. Die Tierzüchtung sieht sich in der Verantwortung unerwünschte Selektionsfolgen, wie Fitnessprobleme oder Gelenkschäden zu erkennen und zu vermeiden. Anomalien und Erbdefekte können über moderne Genomanalysen im Vorfeld erkannt werden. Die Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) hat bereits Stallbausysteme mit Prüfsiegeln versehen, weswegen ein "Tierschutz-TÜV" im weiteren Sinne bereits existiert.
Eine Schwierigkeit besteht darin, dass jede Zeit ihre eigene Haltungsform hervorgebracht hatte, wie Franz-Josef Möllers, Präsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes feststellt. Heute gibt es kaum noch überwarme Kälberställe und die Anbindehaltung bei Milchkühen läuft demnächst auch aus, war jedoch noch in den 1980er Jahren weitgehend unumstritten. "Alte" Ställe können bei neuen Erkenntnissen nicht über Nacht einfach abgerissen und umgebaut werden.

Tierschutz als Marktargument?
Das Beispiel der Mastschweine zeigt, dass unterschiedliche Maßangaben, vor allem zu unterschiedlichen Zeiten der Realisierung, Verlustängste über Markanteilen entstehen. Möllers sagte auf dem Forum, dass "jede weitere Auflage produktionsverteuernd" ist. Angeblich warten die neuen EU-Länder im Osten und Schwellenländer wie Brasilien und Thailand bei der Mastgeflügelhaltung nur darauf, in die Bresche zu springen, die deutsche Betriebe hinterlassen, weil sie aus Tierschutzgründen nicht mehr kostendeckend produzieren können. Berninger hingegen steht mit der Meinung nicht alleine da, dass Bauern mit Premiumqualitäten einen Premiummarkt bedienen können und die Verbraucher diese Mehrkosten auch bezahlen wollen.

Der Verbraucher ist der Markt
Genau jedoch der Verbraucher verhält sich nicht konform. Natürlich weiß er, dass landwirtschaftliche Produkte pestizidfrei sein und Tiere artgerecht gehalten werden sollen. Allerdings sucht der Verbraucher die Produkte dann doch lieber nach dem Preis aus. Und das, obwohl der Anteil des Lebensmitteletats stetig sinkt. Waren es 1950 noch gut 40 Prozent, so sind es heute nur noch 11 Prozent, wie Franz Josef Holzenkamp, Tierhalter aus Garthe in Niedersachsen, belegte. Die Bauern produzieren das, was die Verbraucher kaufen und nicht danach, was gewünscht wird. So wird über den Tierschutz, vor allem auch emotional, weiter gestritten werden. Zwar freute sich Gerd Sonnleitner, Präsident des DBV, vor der Agrarministerkonferenz noch über die gegensätzlichen Standpunkte. Die Landwirtschaft brauche solche Diskussionen - allerdings sind sie fruchtlos, wenn sie nicht auch einmal zu einem Ergebnis führen. Enttäuscht nach dem gestrigen Tag ist auch Mecklenburg-Vorpommerns Landwirtschaftsminister Till Backhaus: "Der vom Bund praktisch über Nacht vorgelegte Vorschlag für eine Kleinvoliere entspricht zwar formal dem Auftrag der Agrarministerkonferenz von Osnabrück im Frühjahr, in der Sache sind wir aber eher hinter dem dort erreichten Verhandlungsstand zurückgefallen".

VLE

Zurück