DBFZ: Vom Biogaslabor zur Praxis-Forschungsanlage

Landwirtschaft

Aigner startet Biogas-Forschungsanlage in Leipzig

Bei einer Umfrage eines großen deutschen Biogas-Anlagenherstellers kam heraus, dass von 100 bayerischen Biogasanlagen 70 zweimal im Jahr völlig stillstanden. Das entspreche dem Verlust eines ganzen Wirtschaftsjahres.
Auf der anderen Seite führt kein Weg an der Biomasse vorbei. Die Bioenergie stellt rund 70 Prozent des Anteils der erneuerbaren Energien. Mehr als 14 Prozent des Stroms und 12 Prozent der Wärme werden derzeit aus Biogas gewonnen. Daher das Fazit von Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner: „An Biomasse führt kein Weg vorbei!“. Am Freitag beschickte sie mit Grassilage ersamals die neue Biogas-Forschungsanlage am Deutschen Biomassforschungszentrum (DBFZ) in Leipzig und nahm sie damit in Betrieb.

Biochemische Konversion

Das DBFZ forscht im Bereich der biochemischen Konversion unter anderem über Biogasanlagen und sucht die technisch optimierte Umwandlung fester und flüssiger Ausgangssubstrate in hochwertiges Biogas.
Bislang gab es ein Biogaslabor im Nordosten von Leipzig, in dem die Prozessoptimierung mit Reaktionsvolumina zwischen 0,25 und 500 Litern erforscht wurden. Wie beeinflusst das Häckseln des Erntegutes die Fermentierung, welche Zwischenstoffe entstehen oder welche Kosubstrate fördern die Methanbildung?
Nach eineinhalb Jahren Bauzeit steht nun mit Hilfe von 2,7 Millionen Euro aus Bundesmitteln und 800.000 Euro vom Land Sachsen eine „große“ Biogasanlage auf dem Gelände, mit dem die Wissenschaftler direkt nachweisen können, „ob das Laborexperiment auch praxistauglich ist“, kommentierte Prof. Dr. mont. Michael Nelles, wissenschaftlicher Geschäftsführer am DBFZ. Mit der Anlage habe das DBFZ national und international eine neue Forschungsschwelle für angewandte Forschung errichtet.

Effizienz

Auch Aigner erhofft sich von der neuen Zukunftstechnologie in Leipzig Ergebnisse, die direkt in der Praxis angewandt werden können. Denn gerade die Biomasse sei Grundlastfähig und noch lange Zeit das Fundament der Energiewende. Nach Aigner komme es dabei nicht nur auf den technischen Output an, sondern auch auf die ökonomischen und ökologischen Aspekte an.
Die Politik suche nach Möglichkeiten, sowohl die Nutzungskonkurrenz zur Nahrungsproduktion zu entschärfen, als auch den Maisanbau zu deckeln. Die Aufgabe der Politik liege nach Aigner in der Gestaltung der Rahmenbedingungen, wie beispielsweise der Änderungen im EEG zur Deckelung des Maisanbaus. Effizienz stehe bei den Anbaualternativen jedoch im Vordergrund.
Das Bundeslandwirtschaftsministerium fördert in mehr als 100 Projekten mit insgesamt 40 Millionen Euro die Forschung an Alternativen. So besuchte sie vor Leipzig das Wildpflanzenprojekt von Saatgut Zeller und der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau, die in Brandenburg mehrjährige Energiepflanzen-Mischungen testen und vermehren. Malven, Glockenblumen, Beifuß, Rainfarn, Steinklee und Wegwarte sollen dem Mais Paroli bieten [1]. Aigner allerdings legt die Messlatte hoch: Die Alternative sei keine, wenn sie mehr Fläche für den gleichen Ertrag verbraucht wie Mais. Politisch können Alternativen über verschiedene Fördersätze gesteuert werden, so Aigner [2].
Der Standort für die Biogas-Forschungsanlage am DBFZ ist nach Sachsens Umweltstaatssekretär Dr. Fritz Jäckel eine Fortschreibung des Forschungsclusters Leipzig. Das DBFZ werde sowohl mit der Universität als auch mit dem Umweltforschungszentrum Halle/Leipzig (UFZ) komplexe Lösungen nicht nur für die 218 Biogasanlagen im Land selbst bieten.

Die Anlage

Die Forschungsbiogasanlage mit einer Leistung von 75 Kilowattstunden besteht aus zwei unabhängigen Anlagensträngen mit identischer Kapazität, die prinzipiell ein- und zweistufig mit optionaler Hydrolyse betrieben werden können. Der erste Anlagenstrang wird als Nassfermentation mit einem Hauptfermenter in Form eines stehenden Rührkessels mit Zentralrührwerk ausgeführt. Der zweite Anlagenstrang kann wahlweise mit einem baugleichen Hauptfermenter oder einem Pfropfenstromfermenter betrieben werden.


Erster Bürgermeister von Leipzig Andreas Müller, Prof. Michael Nelles und Ilse Aigner (v.l.n.r)

Ein Nachgärer mit Gasspeicherdach sammelt die Gärreste aus beiden Strängen und leitet dieses an das Gärrestlager weiter. Das Fermentationsvolumen beträgt knapp 900 Kubikmeter, verteilt auf sechs gasdichte Behälter und einem Lagerbehälter mit einem zusätzlichen Volumen von 180 Kubikmeter.
Die Verwertung des Biogases erfolgt über ein Blockheizkraftwerk mit einer Leistung von 75 kWel. Überschüssige Strom- und Wärmemengen können in das Netz des DBFZ abgegeben werden.


Bereichsleiter für Biochemische Konversion
Jan Lieberau erläutert die Anlage

Als Einsatzstoffe kommen nachwachsende Rohstoffe, landwirtschaftliche Reststoffe und tierische Exkremente in einer Größenordnung von bis zu 2.000 Tonnen im Jahr in Betracht.
Besonderes Augenmerk wurde auf eine flexible Konfiguration der Anlage gelegt. Erreicht wurde das durch ein komplexes Rohrleitungsnetz, welches nahezu beliebige Fermenterkombinationen zulässt.
Zur exakten Bestimmung der Gasproduktionsmengen werden die Behälter mit festen Behälterdächern ausgestattet. Entnahmestellen am Rohrleitungssystem und an der Gaserfassung ermöglichen die Probenahme und den Einbau von Messgeräten. Grundsätzlich ermöglicht die Anlage auch die spätere Installation einer Aufbereitungsanlage zur Bereitstellung von Biomethan im kleinen Leistungsbereich von etwa 50 Nm3 pro Stunde.

Optimierung im Bereich Biogas

Die Optimierung einer Biogasanlage ist äußerst komplex und beginnt bei der Bergung des Ernteguts bis hin zum Mikrobenmix. Derzeit fördert die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe Projekte aus acht Bereichen:
Biogasbildung im Fermenter per Gassensoren stabilisieren und steigern. Mais- und Grassilage effizienter vergären, Entwicklung „serienreifer“ Biogas-Mikroben. Besserer Biomasse-Abbau durch Membrantechnik. Enzyme für die effizientere Biogasproduktion. Rührtechnik in Biogasanlagen optimieren. Vermeidung von Gärhemmungen beim Einsatz von Rezyklatwasser. Mehr Biogas durch Bioextrusion.

Motorprüfstand im DBFZ

Nach der Einweihung der Biogasanlage nahm Ilse Aigner die Gelegenheit wahr, sich in der Testanlage für Biokraftstoffe des DBFZ umzusehen: Vor dem Hintergrund der immer komplexer werdenden Anforderung an Kraftstoffe im Verkehrssektor wurde ein Motorprüfstand für Forschungszwecke am DBFZ in Betrieb genommen. Primäres Ziel des Prüfstandes ist die Erprobung neuartiger erneuerbarer Kraftstoffe im Verbrennungsmotor. Im Speziellen sollen mit Hilfe des Einzylinderforschungsmotors die thermodynamische Umsetzung wie Leitung und Verbrauch, gesetzlich limitierte und nicht limitierte Rohemissionen, Materialverträglichkeit des Kraftstoffsystems, Motorölverdünnung und der Einsatz von Abgasnachbehandlungssystemen für unterschiedliche Biokraftstoffe und Referenzen untersucht werden. Für diese Zwecke stehen eine Reihe unterschiedlicher Mess- und Analysetechniken zur Verfügung.

Lesestoff:

www.dbfz.de

www.fnr.de

[1] Wilde Alternativen für den Mais

[2] Forderung Kleegras auch als Hauptfrucht vergüten

Roland Krieg; Fotos: roRo; Grafik Biogasnutzung: Agentur für Erneuerbare Energien

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