DBV beschließt Begleitprogramm Milch
Landwirtschaft
EU-Milchfonds soll für sanfte Landung sorgen
Auf dem Bamberger Bauerntag hat sich die Mehrheit der Länder für den Ausstieg der Milchquote positioniert, der von der EU für 2015 vorgesehen ist. Wohin die Milchproduktion ohne Garantiemenge wandert und wer dann noch Milchbauer sein kann, wird heftig diskutiert. Weil die EU den Bauern eine sanfte Landung versprochen hat, ist der Deutsche Bauernverband (DBV) vorgeprescht und hat gestern in Berlin das „Begleitprogramm Milch“ verabschiedet, das ein Ergebnis aus 12 Regionalkonferenzen der letzten Wochen ist. Folgerichtig, weil es auf den Bamberger Beschlüssen aufbaut, gewagt, weil die EU den Vorschlag eines Milchfonds noch nicht mittragen wird.
Den Wandel finanzieren
Mit 10 Milliarden Euro Umsatz ist die Milch der umsatzstärkste Bereich der Landwirtschaft. Trotz im letzten Jahr begonnenem Anstieg der Erzeugerpreise geht es den Milchbauern nicht gut. Gestiegene Produktionskosten belasten das Kilo Milch durchschnittlich mit sechs Cent. Das ZMP Milchforum hat gezeigt, dass für den internationalen Wettbewerb bei Bauern und Molkereien noch einige Vorbereitungen zu treffen sind. Molkereien, die eine breite Palette an Produkten anbieten, zahlen höhere Preise, sagte Bauernpräsident Gerd Sonnleitner. Zudem fürchten die Bauern in den Mittelgebirgen, dass sie auf ihren Standorten traditioneller Milchproduktion nicht mit den Ackerstandorten mithalten können.
Die Discounter haben in der vergangenen Woche mit einer neuen Angebotsrunde Druck auf die Milchpreise ausgeübt. Aldi bietet die Butter wieder für 79 Cent an – das Niveau vor den Preiserhöhungen im Sommer 2007. Für Sonnleitner ist das eine Provokation und er kritisiert gleich noch das Statistische Bundesamt, welches die Januarpreise bei Lebensmitteln mit dem Vorjahresmonat verglichen hatte. Da sind sie um acht Prozent gestiegen. Hingegen zeige ein Vergleich mit dem Vormonat Dezember, dass die Steigerungen unterhalb der Inflationsrate liegen. Hier werden dem Verbraucher falsche Signale vermittelt.
Weil die Milchbranche fürchtet, dass die Preise unter Druck bleiben, die Molkereien ihren Strukturwandel zu langsam durchführen und die Betriebskosten steigen, soll das Begleitprogramm Milch den Umbau finanzieren.
Milchfonds ohne neue Gelder
Bauern, die in die Milchviehhaltung investieren wollen sollen zeitnah eine Investitionsförderung für die Milchviehhaltung erhalten. Die Mittelgebirge und die Grünlandstandorte der norddeutschen Tiefebene sollen einen Ausgleich erhalten. Hier spielt die Milchwirtschaft für den Erhalt und die Pflege der Kulturlandschaft eine bedeutende Rolle. Diese Aufgaben sollen entlohnt werden. Gegenüber anderen europäischen Ländern weist die deutsche Molkereilandschaft Defizite auf, um vor allem eine Gegenmacht zum Handel zu erwirken. Hier sieht Sonnleitner Nachholbedarf für stärkere Kooperationen bis hin zu Fusionen.
Das alles kann nach Berechnungen des DBV aus einem EU-Milchfonds finanziert werden, der aus eingesparten Agrarausgaben gespeist wird. Die EU-Agrarausgaben liegen derzeit jährlich etwa 3,5 Milliarden Euro unter der finanziellen Vorausschau. Das Milchmarktbudget hat sich seit 2005 um 900 Millionen Euro jährlich verringert und den Ausgaben für 2008 in Höhe von 167 Millionen Euro stehen Einnahmen aus der Superabgabe für 2007 in Höhe von 221 Mio. Euro gegenüber.
Das könne nach Vorstellungen des DBV den EU-Milchfonds in Höhe von 1,5 bis zwei Milliarden Euro bis 2015 vor speisen. Jährlich. Aufgeschlüsselt nach der produzierten Milchmenge entfielen auf Deutschland rund 19 Prozent: 285 bis 380 Mio. € jährlich.
Was wird finanziert?
Finanziert werden könnten rund 1.800 Stallbauvorhaben von jeweils 300.000 Euro mit 25 Prozent Zuschuss als verlässliches Investitionsangebot an die Milchbauern. Als „Verlässliche Honorierung der Rinderhaltung in „sensiblen“ Gebieten“ könnten Ausgleichszulage und Agrarumweltmaßnahmen gezahlt werden. Zielvorstellung wären 80 Euro je Großvieheinheit. So kommt der DBV auf eine Bedarfssumme von 327 Mio. Euro pro Jahr.
Verbündete suchen
Die Verteilung der Gelder möchte DBV-Vizepräsident Udo Folgart nach hinten verlegen. Das wichtigste sei, den EU-Milchfonds zunächst in der Diskussion zu halten. Frankreich könnte sich auf die Seite Deutschlands stellen, weil die Nachbarn für die Mutterkuhhaltung etwas vergleichbares fordern. Auch Österreich und Finnland würden den Fonds unterstützen, so dass rund 40 Prozent der europäischen Milch diese Idee vertreten.
Die erste Hürde steht aber an der Spree. Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer muss sich die Strategie zu eigen machen und in Brüssel umsetzen. Sonnleiter erinnerte ihn an sein Versprechen zum Amtsantritt: „Nicht Mundwerk, sondern Handwerk“ sei die Devise. Das könne er mit dem Milchfonds unter Beweis stellen.
Alleine an der Isar gibt es Störfeuer in Form von Kuhglocken, Sirenen und Blasmusik, als gestern hunderte von bayrischen Bauern vor den Sitz des Bayrischen Bauernverbandes zogen. Lautstark protestierten sie für den Erhalt der Milchquote über 2015 hinaus. In Berlin sagte Sonnleiter dazu, dass das Ministerium den Bauern etwas vormache, wenn dauernd von der Möglichkeit geredet wird, die Milchquote sei verlängerbar. Bayern hatte in Bamberg dagegen gestimmt, aber es gibt derzeit keine ernsthafte Erhaltungsbewegung.
Regionale Besonderheiten
Zuletzt hatte Bayerns Agrarminister Josef Miller Anfang März auf einem Strategietreffen mit Vorarlberg, Salzburg, Tirol und Südtirol sich offen in die gleiche Richtung des DBV positioniert: Finanziert werden sollten Auffangmaßnahmen zur Quotenabschaffung „aus freien Mitteln der EU-Agrarleitlinie und nicht aus der Umschichtung von bisher gewährten Direktzahlungen. Kernforderung ist dabei eine tierbezogene Prämie für die Bewirtschaftung und Verwertung von Dauergrünland.“ Auf dem Strategietreffen ging es um den aktiv bewirtschafteten Alpenraum, der ohne Milchwirtschaft so nicht mehr aufrecht zu erhalten wäre.
Nach Aussage von Folgart kann der Strategieplan auf regionale Besonderheiten reagieren.
Roland Krieg