DBV-Forum Landwirtschaft und Umweltschutz (Teil I)
Landwirtschaft
Neue Wege des Miteinanders
Am Montag gab es im Berliner Haus der Land- und Ernährungswirtschaft die erste gemeinsam Veranstaltung des Deutsche Bauernverbandes (DBV) und des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Anlass ist nicht nur das Jubiläum 100 Jahre Naturschutz in Deutschland, sondern zusammen mit dem Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) einen Überblick über die aktuelle Diskussion zu geben, wieweit die Diskussion zwischen Landwirtschaft und Naturschutz ist. In Preußen wurde 1906 zwar die erste staatliche Stelle für ein Naturdenkmal eingerichtet, aber, so Bauernpräsident Gerd Sonnleitner, bereits 1836 wurde das erste Schutzgebiet „Drachenfels“ im rheinischen Siebengebirge eingerichtet. Daher sind die heutigen Bemühungen eigentlich nichts Neues, denn schon damals ging es den Bürgern um den Schutz der Umwelt vor Umweltzerstörung durch Zivilisation und Industrialisierung. Allerdings stand damals die „Ästhetik der Natur“ im Vordergrund - der romantische Gedanken des Heimatschutzes.
Unterschiedliche Interessen akzeptieren
Heute sieht das viel differenzierter aus und Sonnleitner erwartet nicht, „dass Landwirtschaft und Naturschutz eine konfliktfreie Zone werden“. Dr. Gert Berger aus dem ZALF definiert die Grundvoraussetzungen für ein „vorurteilsfreies Miteinander“: Der Landwirt erkennt die naturschutzfachlichen Defizite an, die seine Produktion verursacht und der Naturschützer akzeptiert das Erfordernis ökonomisch tragfähiger Landwirtschaftsbetriebe.
Früher ging man davon aus, dass der Natur am meisten geholfen ist, wenn die Landwirtschaft mindestens stark eingeschränkt würde. Die Klimaxvegetation Mitteleuropas ist allerdings der Wald, weswegen die allermeiste Landschaft, die wir sehen, eine durch menschliche Aktivität geprägte Kulturlandschaft ist. Für deren Erhalt, so Sonnleitner, ist eine nachhaltige Nutzung erforderlich: Auf jedem dritten Hektar in Deutschland werden bereits Agrarumweltmaßnahmen durchgeführt und viele Bauern arbeiten mit Naturschutzverträgen. Das alles kostet Geld und der Bauernpräsident führt an, dass auch Museen und Theater nicht alleine von den Eintrittsgeldern leben können. Daher sind Maßnahmen und Instrumente notwendig, vergleichbare Zuschüsse zu zahlen. Die Balance zwischen Landwirtschaft und Naturschutz ist auch eine Balance des DBV zwischen der „Ersten“ und der „Zweiten Säule“ der Agrarpolitik. Sonnleitner sieht in der „Zweite Säule“ eine wesentliche Förderungsmöglichkeit für den ländlichen Raum, „die leider gekürzt“ wurde. Die „Erste Säule“ ist ihm aber lieber, denn die „wirtschaftliche Basis und die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe ... würden durch Kürzung der Direktzahlungen auf dem Spiel stehen“. Naturschutz ist eine nicht marktfähige Gesellschaftsaufgabe, die dann auch von der Gesellschaft bezahlt werden muss.
Naturvergessenheit der Menschen
Michael Müller, Staatsekretär aus dem Bundesumweltministerium, zeigte zwar Verständnis für Sonnleitners Vorliebe zur „Ersten Säule“. Aber er gab zu bedenken, dass 50 Prozent der Umweltschäden der letzten 500 Jahre erst seit 1950 verursacht wurden. Zudem werden Schäden erst viel später sichtbar. Gegen diese „Naturvergessenheit“ müsse ein breiter gesellschaftlicher Dialog geführt werden. Die Landwirte können nicht alleine alle Probleme lösen, aber einen wichtigen Beitrag dazu leisten. Die „Zweite Säule“ ist für Müller genauso von zentraler Bedeutung, denn es gäbe bereits Regionen, in denen niemand mehr jünger als 60 Jahre sei. Bei einer Vernachlässigung des ländlichen Raumes sterbe das Land ab. Der „Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raumes“ (ELER) bietet eine „große Chance für einen vitalen, ländlichen Raum“.
Was sagt die Wissenschaft?
Prof. Hubert Wiggering, Präsident des ZALF in Müncheberg zeigte, dass Maßnahmen nicht immer so eindeutig wie vorgegeben sind. Das Land unterliegt nicht nur unterschiedlichen Nutzungsansprüchen aus Besiedlung, Landwirtschaft, Naturschutz oder Industrie, sondern bietet bereits für einzelne Arten ein Konfliktpotenzial. Der Ökolandbau sei nicht per se im Einklang mit den Zielen des Naturschutzes. Da ZALF ermittelt auf fachlicher Ebene Konflikte, für deren Beseitigung eine ackerbauliche Optimierung erarbeitet wird. So zeigt die unten stehende Tabelle, dass je nach Mahdverfahren in einer Luzerne-Kleegras Mischung verschiedene Tierarten unterschiedlich begünstigt werden. Der Spätschnitt fördert zwar den Feldhasen, bekommt aber den Amphibien nicht in gleichen Teilen zugute:
Empfohlene Mahd für |
Feldvögel |
Feldhase |
Amphibien |
Hochschnitt |
+ |
++ |
+++ |
Spätschnitt |
++ |
+++ |
0 |
Ungemähte Streifen |
+++ |
+ |
+ |
Q: ZALF
Aus solchen Modellen leitet das ZALF eine Mehrzieloptimierung ab, die zu einer teilflächenspezifischen Bewirtschaftung führen kann. Mitten in einem Feld kann beispielsweise eine große Sandkuppe schlechtere Bedingungen für den Feldbau aufweisen und wird daher aus der Produktion herausgenommen oder extensiv genutzt. Auf diesem Teilstück erhöht sich Anzahl der Kräuter und bietet neuen Lebensraum für Insekten. So gibt es auf dem Feld eine marktfähige Produktion, die ihren Erlös über den Markt erzielt und eine Naturschutzbrache auf einem „Quasimarkt“. Die dort geleistete Arbeit wird entweder durch eine öffentlich oder privat finanzierte Nachfrage entgolten: Naturschutz oder Tourismus, beispielsweise.
Von der Eifel bis zum Rhein
Thomas Muchow, Projektleiter des Bördeprojekts, stellte das zwischen 1994 und 2001 durchgeführte Eifelprojekt für eine gelungene Verbindung zwischen Ökonomie und Ökologie vor. Mit Milch, Rindfleisch und Heu kann die Eifel wuchern. Mehr als 1.000 Bauern haben selbst 7.000 Hektar Fläche vorgeschlagen, die unter Vertragsnaturschutz bearbeitet werden. So können sie proteinarmes und kräuterreiches „Eifeler-Kräuter-Heu“, dass für eine Milchproduktion nicht genug Qualität bietet, über Baumärkte vermarkten. Das Projekt hat einen Mischfutterhändler gefunden, der Futter in die Eifel bringt und das Heu aus der Eifel herausführt. Zudem verlangen die Märkte eine Regalpflege, was ein einzelner Bauer nicht in der Direktvermarktung leisten kann. Qualität, Preis und Service sowie der Naturschutz sind Kaufmotive der Kunden, die etwa 25 Prozent mehr für das Heu bezahlen.
Im Anschluss an das Eifelprojekt wurde das Modell des Vertragsnaturschutzes 2002 auf die Köln-Bonner-Bucht mit ihrer intensiven Bewirtschaftung übertragen. Hier kamen Nutzungskonkurrenzen von Siedlungsrändern und Gewerbegebiete noch hinzu. Jeden Tag gehen 1,5 Hektar Land zwischen den beiden Städten verloren. Siedlung und Verkehr beanspruchen davon 1,3 ha: „Das ist zuviel“, sagte Muchow. Dabei gibt es ganz neue Hindernisse zu überwinden, denn der Naturschutz wird meist im Planfeststellungsverfahren durchgeführt: 15 Hektar Feldgehölze und Streuobstwiese werden nach einem Punktesystem als Ausgleich für den Bau einer Landstraße ausgewählt und angelegt. Kiebitze und die Feldlerche hingegen bräuchten eine offene Struktur. So arbeitet das Bördeprojekt an dynamischen Lösungsansätzen: Die Sicherung einer Naturschutzfläche muss nicht dauerhaft festgeschrieben sein, sondern kann sich in Umfang und durch ökologische Wertpunkte auf eine Fläche innerhalb eines abgegrenzten Landschaftsraumes beziehen. Nach Ende des Naturschutzvertrages kann es zu einem Flächentausch mit einer Neuansaat kommen. 2003 wurde aus dem Projekt heraus die Stiftung www.rheinische-kulturlandschaft.de gegründet, die ausschließlich von teilnehmenden Bauern finanziert wird.
Neue Konflikte
Die Beispiele haben gezeigt, dass in der jüngeren Vergangenheit Landwirtschaft und Naturschutz keine ausschließende Zielvereinbarungen mehr sind. Raufen sich alle zusammen, dann geht es.
Prof. Wolfgang Schumacher, Leiter des Instituts für Nutzpflanzenwissenschaften der Universität Bonn, sieht auch, dass Naturschutzziele leichter zu messen und zu erreichen sind, als die damit verbundenen ökonomischen Ziele. Man dürfe bei der Diskussion zwischen „Erster“ und „Zweiter Säule“ nicht vergessen, dass die Direktzahlungen auch den kleinen Betrieben in den Mittelgebirgen zugute kommen. Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes Deutschland, forderte ein stimmiges Finanzierungskonzept, das bereits in der Vergangenheit nicht gefunden wurde. Er glaubt, dass mit dem Ende der nächsten Förderperiode 2013 die Gelder für Direktzahlungen versiegen werden: „Wer den Einstieg in die „Zweite Säule“ verpasst, macht einen Fehler. Andreas Krug (BfN) hob noch einmal hervor, dass Naturschutz eine Regionalentwicklung und daher mehr als nur Artenschutz ist. Welche Mittel in den ländlichen Raum fließen ist „eine Auseinandersetzung, die zur Zeit auf politischer Ebene statt findet“.
Roland Krieg