DBV-Tagung Farming 4.0

Landwirtschaft

Bleibt der Landwirt beim Farming 4.0 auf der Strecke?

Früher zog der Traktor einen zweireihigen Maishäcksler neben sich her. Dann folgten die Selbstfahrer und mittlerweile sitzt der Traktorist in einem fahrenden Computer. Verbraucher haben kaum mitbekommen, wie sich d ii Landwirtschaft in den letzten Jahren verändert hat. Diskutiert die Industrie gerade erst über ihre 4.0 – Form, sind die Bauern schon viel weiter. Die Plattform „Landwirtschaft und Verkehr“ von Landmaschinenverbänden, Lohnunternehmer, Raiffeisenverband und Deutschem Bauernverband (DBV) haben aus diesem Anlass die Frage nach dem Reiseziel gestellt.

In der Landwirtschaft ist „Farming 4.0“ bereits aus seiner Nische heraus. Die Digitalisierung hat sowohl in der Milchviehhaltung als auch beim Ackerbau einen hohen Grad an integrierter Nutzung erreicht, sagte Michael Horper, Vorsitzender der Verbändeplattform.

Über eine digitalisierte Bodenkarte und aktuellen Ertragsdaten können anhand der Wetterbedingungen die Landwirte Saatgut, Düngung und Pflanzenschutz metergenau nach Bedarf ausbringen. Selbst das Einzeichnen von Amphibienrouten in die Karten ist nur noch ein paar Mausklicks entfernt. Die Feldspritze schließt rechtzeitig die Düsen, um den Kriechweg der sensiblen Tiere auszusparen.

Die Technik kann beim Verbraucher punkten, weil Ressourcen nachhaltig eingesetzt werden und die Rückverfolgbarkeit vom Acker bis zum Teller gewährt wird, stellt der niederländische Ökonom Krijin Poppe von der Universität Wageningen fest. „The problem of today is the business of tomorrow“, lautet das Motto. Daten sind heute nicht mehr das Problem. Von der Bodenfeuchte bis zur Maschinenbewegung wird heute nahezu alles erfasst. Die Schnittstellen sind das Problem. Deren Überwindung ist mit Kosten verbunden und bietet sich als neues Geschäftsmodell für das Farming 4.0 an.

Doch wer zahlt die Rechnung? Die Farmer in den USA sind deutlich mehr mit dem Thema konfrontiert. Dort haben sich bereits verschiedene Plattformen gebildet. Der Agrarriese Monsanto nutzt Farming 4.0 und degradiert die Landwirte zu Vertragsbauern. Die Landwirte wehren sich und haben mit Farmers Business Network ein Gegenstück aufgebaut, das von Google in diesem Sommer erst aufgekauft wurde. Das FBN hat Daten von sieben Millionen acres aus 17 Bundesstaaten zusammengetragen. Die Datenbank wächst monatlich um 30 Prozent und beschreibt 500 Saatgutsorten von 16 verschiedenen Feldfrüchten. Die Farmer zahlen dafür 500 US-Dollar pro Jahr.

Noch einen Schritt weiter geht das Modell „Farm Mobil“. Hier haben sich die Landwirte zusammengetan, weil sie den Missbrauch ihrer Daten fürchten. Sie sammeln ihre Daten in der Cloud und bestimmen gegen Entgelt, wer ihre Daten nutzen kann. Allerdings sei die Berechnung schwierig, räumt Poppe ein. Welchen Wert haben Ertragsdaten ohne Vermarktungsdaten und Saatgutkosten? Der Wert der Big Data ergibt sich schließlich erst aus der Summe der Daten.

Und darum geht es. Farming 4.0 ist das „System der Systeme“. Es gibt bereits mehr als 50 Farm Management Systeme für die Praxis. Aus den einzelnen Betriebsbereichen werden Daten gesammelt und zusammengeführt. Lagerbestände, Schlagkarteien, Erträge und Marktpreise lassen sich für eine betriebliche Auswertung jederzeit nutzen. Farming 4.0 geht aber noch weiter und verlässt den Hof bis zum Händler, Verarbeiter oder gar Logistiker, der verarbeitete Ware zum Kunden bringt. Der kann am Ende mit Hilfe eines QR-Codes abfragen, unter welchen Wetterbedingungen das Getreide für sein Brot wo und mit welcher Technik geerntet worden ist.

Was nach vielen Geschäftsideen und gesellschaftlichen Wünschen klingt, hat ein Problem: Wem gehören die Daten und sind die Daten sicher? „Nein“, sagt Rechtsanwalt Dr. Christian Halm eindeutig. Nur personenbezogene Daten werden rechtlich geschützt. Maschinendaten fallen nicht darunter. Doch die Grenzen sind grau. Schaut der Lohnunternehmer auf die Fahrstrecke seines Mähdreschers und kann sogar in Echtzeit die Feldbearbeitung beobachten, kann er auch sehen, wo sein Fahrer wie lange Pause macht.

Wird der Landwirt gläsern und sogar gläserner als andere Berufsgruppen und wer verdient am Ende mit den Schnittstellen Geld? Die Landwirtschaft wird zunehmend Datenbasierend betrieben. Die Nutzung von Daten wird wettbewerbsrelevant, weil Landwirte damit ihre Kosten senken können. Die Vision einer Einzelpflanzenbetreuung auf dem Feld ist nicht mehr fern. August Altherr von der Forschungsabteilung John Deere ist bereits beim Zonenmanagement innerhalb eines Maisfeldes angelangt.

Wehren könne sich der Landwirt kaum. Lohnunternehmer arbeiten bereits mit Datenströmen, die durch die Beauftragung automatisch ablaufen. Wer keine Daten außerhalb seines Betriebes vergeben möchte, der müsse auf andere Anbieter ausweichen, erklärte Rechtsanwalt Halm. Damit die Landwirte neben dem Mehrwert an ihren geldwerten Daten auch ihre Datenhoheit behalten, muss noch vieles geklärt werden.

Roland Krieg

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