Degression und Kappung
Landwirtschaft
Umkehr im neuen Agrarressort?
Im Bundestag sind am Dienstag erst einmal die Stühle in die neuen Sitzpositionen gerückt worden. Aus welchen Farben die neue Regierung besteht, steht noch gar nicht fest. Und damit auch noch lange nicht, wer neuer Landwirtschaftsminister wird.
Möglicherweise nimmt die neue Regierung erst wieder Mitte Dezember ihre Geschäfte auf. Vor dem Hintergrund der im Bundesrat durchgefallenen Stoffstrombilanz der notwendigen Positionierung zu Glyphosat, Kastenstand bei Sauen und neuer Gemeinsamer Agrarpolitik (GAP) ab 2020 entsteht ein nur schwer hinzunehmendes Aktionsvakuum.
Derweil mehren sich die Stimmen für einen Kehrtwende in der Haltung zu Degression und Kappung der Direktzahlungen. In Brüssel sprach sich die Bundesregierung mit Rücksicht auf die großen Ostbetriebe immer gegen diese Kürzungen aus und erhielt eine stumme und duldende Rückendeckung durch die Nicht-Ostländer.
Das kehrt sich um. Ende September warnte zwar der sächsische Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt im alten Ton vor einer einseitigen Belastung der Ostbetriebe durch Kappung und Degression der Direktzahlungen. Einer Umverteilung zugunsten der ersten Hektare würde er nur zustimmen, wenn die Gelder im jeweiligen Bundesland verblieben. Einen Abfluss von Finanzmitteln aus den Ostbetrieben zu den bäuerlichen Westbetrieben lehnt er ab. Ein großer Betrieb in Thüringen müsse nicht weniger Kosten aufweisen als ein kleinerer Betrieb in der Hildesheimer Börde.
Langsam aber ziehen die Argumente nicht mehr. Der Präsident des Deutschen Bauernbundes Karl-Henning Klamroth, der die kleineren Familienbetriebe in Ostdeutschland vertritt, sprach sich auf der DBB-Jahresversammlung in Sachsen-Anhalt für Kappung und Degression aus. Die Betriebe in Form juristischer Personen erzielen gerade einmal halb so viel Gewinne wie die GbR und Einzelunternehmen. Von den 93 Euro je Hektar inklusive Flächenprämie müssen sie zudem noch die Tilgung bestreiten. Überbrückungskredite unter dem Deckmantel, den Familienbetrieben zu helfen, seien nichts anderes als verlorene Zuschüsse und ein Eintrittsportal für Fremdkapital.
Weiter südlich hat sich Mitte Oktober auch Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) für Degression und Kappung zugunsten von Familienbetrieben ausgesprochen. Schon alleine das wegen des Brexits knappere Agrarbudget müsse effizienter verteilt werden und solle der Mehrheit der Betriebe zugutekommen.
Noch weiter südlich hat Johann Mößler die globale Agrarindustrie „als nicht enkeltauglich“ bezeichnet. Der Präsident der Landwirtschaftskammer im österreichischen Kärnten hält den bäuerlichen Betrieb „als die beste Form der Landwirtschaft“. Er fordert eine Umkehr von der neoliberalen Agrarpolitik und fordert mit besseren politischen Rahmenbedingungen für Familienbetriebe eine ökosoziale Marktwirtschaft.
Selbst im Falle eines CSU-Agrarsessorts wird die Luft im Kampf gegen Degression und Kappung dünner. Ein CDU-geführtes Ressort wird den Unionsbefürwortern von Kappung und Degression im Osten mehr Sachgehör schenken. Bei allen anderen Farben gelten sie bereits als eingeführt.
Roland Krieg