Dem Milchfluss Regeln geben

Landwirtschaft

Protest zum Tag der Milch

Mitte Mai zeigten alle Bauernverbände ihre Unzufriedenheit mit den jüngsten Trinkmilchabschlüssen, die wegen dem Überangebot an Milch mit 4,5 Cent Abschlag vereinbart wurden1). Nicht nur vom Handel, sondern auch von den Molkereien, die auf der anderen Seite des Verhandlungstisches sitzen. Doch zum Tag der Milch am 01. Juni zog allein der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) auf die Straße und in Berlin vor die Parteizentrale der CDU, die der BDM als Hauptverursacher der verfehlten Milchpolitik ausgemacht hat.



"Stop" für die Milchpolitik

Die Kühe drosseln?

Wie verzweifelt die Situation auf dem Milchmarkt ist, zeigt das aktuelle Magazin für Milcherzeuger „Elite“, das den Geschäftsführer der Hohenloher Molkerei, Martin Boschet, zitiert. „Fakt ist, dass es in der momentanen Situation viel zu viel Milch auf dem Markt gibt, verringern sie die Angebotsmenge, dann werden die Preise auch wieder steigen.“
Zahlen beschreiben die Situation besser: Für das bis Ende Juni laufende Milchjahr wird Deutschland seine Milchquote erstmals seit drei Jahren überschreiten. Bis dahin erwartet die Zentrale Milchmarktberichterstattung Berlin (ZMB) mehr als 200.000 Tonnen Überlieferung. Auch wenn Mitte Mai die Anlieferung wieder leicht um 0,5 Prozent sank, liegt Deutschland noch immer 2,6 Prozent über der Vorjahreslinie. Die Milchproduktion im benachbarten Frankreich stieg in den letzten 12 Monaten um 3,6 Prozent. In Polen stieg die Milchanlieferung sogar um 8,6 Prozent, in der Schweiz um 4,4 Prozent.
Doch während der Deutsche Bauernverband im Preistief nur ein vorübergehendes Szenario sieht, lässt sich der BDM durch die Aufnahmefähigkeit der wachsenden Milchnachfrage weltweit nicht beruhigen. Denn auch in die USA und Australien haben ihre Milchproduktion in den ersten vier Monaten 2012 kräftig um 3,8 und 2,9 Prozent erhöht. Entspannung zeichnet sich auf dem Weltmarkt nicht ab. Nach Analyse der ZMB haben die Butterpreise seit dem Hoch zu Jahresfrist wieder um 2.000 US-Dollar je Tonne und um 1.000 US-Dollar je Tonne Magermilchpulver nachgeben. Es scheint noch immer Ware aus dem Vorjahr im Markt zu sein.
„Inzwischen kommt sogar der lange Zeit stabile Käsebereich ins Rutschen“, warnt der BDM. Preiszugeständnisse der Molkereien von 60 Cent je Kilogramm Käse bedeuten für die Milchbauern eine Preissenkung von sechs Cent je Kilogramm Milch.
So hat ausgerechnet zum Tag der Milch Gutsbesitzer Klaus-Peter Jebens in Schleswig-Holstein seine Käserei „wegen Preisdrucks des Lebensmittelhandels“ für immer geschlossen. Mit 500 Kühen besitzt er eine der größten Milchviehherden im Norden und hat jährlich rund 170 Tonnen Käse in verschiedenen Geschmacksrichtungen für den Handel und Hofladen erzeugt. Erst 1996 hatte er die Käserei, die erstmals 1587 auf dem Gutshof die Milch veredelte, wieder neu eröffnet.

Steigende Betriebsmittelkosten

Sinkende Preise sind nur eine der Schneiden, die auf die Milchbauern drücken. Von unten bestimmen steigende Betriebskosten die Bilanz. So sind Düngemittel zwischen 2010 und 2011 um 18 Prozent teurer geworden, Saat- und Pflanzgut um 17,6 Prozent und auch die Energie und Schmierstoffe stiegen zweistellig. Über alle Betriebsmittel hinweg sind die Kosten um 6,3 Prozent gestiegen. Daher befinden sich viele Milchbetriebe in der gleichen Situation wie zum Milchlieferstreik im Jahr 2009. Und wer aus dieser Zeit noch Liquiditätsdarlehen zurück zu zahlen hat, kämpft noch mit den Folgen der alten Milchkrise.

Gegen die CDU-Agrarpolitik

Der BDM richtet seine Kritik vor allem gegen die CDU-Agrarpolitik. Die von ihr geführten Ressorts haben auf die Warnungen des BDM zur Agrarministerkonferenz in Konstanz schon nicht reagiert. Mit einer großen Fuhre Mist hat sich der BDM in Berlin vor der Parteizentrale Gehör verschafft und eine Resolution übergeben.
Darin fordert der BDM das Aussetzen der für die Jahre 2012 und 2013 vorgesehenen Quotenerhöhungen, die von den Agrarministern diskutierte Umsetzung der Saldierung von Unter- und Überlieferung, die Umsetzung des EU-Vorschlags, gegen eine Entschädigung auf Teile der Produktion zu verzichten und die staatliche Intervention unbegrenzt und nicht erst ab 21,5, sondern schon bei 32 Cent je Kilogramm zu öffnen.

System- statt Personalwechsel

Der BDM kämpft seit Jahren für eine nachfrageorientierte Mengenregelung für die Stabilisierung des Milchpreises unter Vollkostendeckung. Doch auf ein Umdenken in der Milchpolitik will Hans Foldenauer nicht hoffen. Ende Juni wird ein neuer Bauernpräsident gewählt und 2013 findet die nächste Bundestagswahl statt. In beiden Fällen sei ein Politikwechsel nicht an Personen gebunden, sagte der Sprecher des BDM zu Herd-und-Hof.de. Es brauche einen grundlegenden Wechsel in der Milch- und vor allem in der Marktpolitik. Daher müsse der Verband die Zeit in Brüssel nutzen, in der jetzt im Europäischen Parlament angelaufenen Diskussion für die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2013 seine Argumente einzubringen.
Derzeit wird in Brüssel auch über die Weinreform diskutiert. Ähnlich wie das Quotenende für die Milch, fürchten Politiker und Winzer eine Ausdehnung des Weinbaus mit einem negativen Preiseffekt, wird das Pflanzrecht aufgehoben. Die Kulturlandschaft der Steillage mit den kleinen Winzern ist in der gleichen Gefahr wie der Milchbauer auf den traditionellen Grünlandstandorten.
Bei Milch und Wein geht es um die gleichen Befürchtungen. Es geht ums Ganze.

Lesestoff:

1) Sinkende Milchpreise

2) ZMB 10.05.12

Roland Krieg; Fotos: roRo

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