„Dem Pflanzenschutz gehen die Mittel aus“
Landwirtschaft
IVA fürchtet Kollaps im Pflanzenbau
Das Fazit der vor vier Jahren von der EU eingeführte neue Pflanzenschutz-Verordnung für mehr Schutz der Umwelt, Harmonisierung der nationalen Verordnungen und Verbesserung der landwirtschaftlichen Produktion führt nach Ansicht des Industrieverbandes Agrar die Landwirte an den Rand des Kollaps. Die administrativen Anforderungen lähmen die Behörden, 200 neue Produkte befinden sich in der Zulassungsschleife, die Firmen sind unsicher über die Entscheidungen zu Endokrinen Disruptoren [1] und die Risikobewertung werde eher politisch als wissenschaftlich durchgeführt, beklagte Dr. Helmut Schramm, Präsident des IVA auf der Grünen Woche.
Vor allem, wenn Pflanzenschutzmittel auf der Basis von Endokrinen Disruptoren wegfallen, dann fehlten der Landwirtschaft viele Fungizide im Ackerbau und Sonderkulturen. Neun der zehn derzeit am meisten eingesetzten Fungizide im Getreideanbau fallen aus, bei Kartoffeln jedes zweite Mittel gegen Krautfäule und auch bei den Kartoffelherbiziden leerten sich die Regale um die Hälfte. Je kleiner ein Markt ist, desto wichtiger ist das Festhalten an bestehenden Pflanzenschutzmitteln, denn der Aufwand für die Entwicklung neuer Mittel sei zu hoch.
Rund 600 Altmittel sind seit 1993 vom Markt verschwunden, etwa 50 neue Mittel haben die Zulassung geschafft. Die Kosten für Zulassung, Feldstudien und verschiedener Toxizitätsprüfungen haben sich für ein Mittel verdoppelt. Der IVA weist Gesamtkosten von 152 Millionen Euro für ein neues Präparat aus. Das war 1995. Heute sind es 256 Millionen Euro, von denen rund zwei Drittel alleine für die Zulassung fällig werden. Daher werden für Pflanzen mit kleinem Markt keine neuen Wirkstoffe mehr entwickelt – die Kosten amortisieren sich nicht.
Als fatal sieht der IVA die Situation an, dass auch
eine von der EU versprochene Liste mit „Substitutionsmitteln“, die weiterhin
als sicher gelten und produziert werden dürfen, noch immer nicht vorliegt. Ab
2017 drohe daher ein dramatischer Verlust an Pflanzenschutzmitteln, Ausfall von
Bekämpfung von beispielsweise Fungiziden im Getreide und fehlende Alternativen.
Der IVA rechnet mit deutlichen Ertragseinbußen.
Moderner Pflanzenschutz
Die Menschen haben ihre Ackerkulturen schon immer vor Fraßfeinden und Krankheitserregern schützen wollen. So riet Plinius der Ältere im antiken Rom, Insekten mit Arsen zu bekämpfen. Ende des 19. Jahrhunderts und bis in die frühen 1960er Jahre hinein wurde Bleihydrogenarsenat gegen den Kartoffelkäfer, den Apfelwickler und im Weinbau eingesetzt.
Die modernen Pflanzenschutzmittel erfüllen die rechtlichen Umweltaspekte und werden immer „chirurgischer“ eingesetzt. In den 1960er Jahren wurden auf einem Hektar noch 5.000 Gramm Wirkstoff ausgebracht. Heute reichen weniger als 100 Gramm.
Wie weit gefühltes Risiko und Sicherheitsbewertung auseinander gehen, zeigt der aktuelle Diskurs um Glyphosat. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat auf der Grünen Woche parallel zu seinem Symposium die Risikolage noch einmal ausgeführt [2].
Lesestoff:
Den Industrieverband Agrar finden Sie auf dem ErlebnisBauernhof in der Halle 3.2
[1] EP will besser vor Endokrinen Disruptoren schützen
[2] Abschlussbericht BfR zu Glyphosat
Roland Krieg; Foto: roRo; Grafik: Vortrag Dr. Schramm IGW 2014
[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-14“ anzeigen lassen]