Demo-Woche der Bauern
Landwirtschaft
Bauern fürchten um ihre Zukunft
Nach großen Demonstrationen in den Niederlanden, gehen jetzt auch die deutschen Bauern auf die Straße. Das Aufstellen von Grünen Kreuzen reicht nicht mehr.
In den Fokus rückt heute das Bundeslandwirtschaftsministerium in Bonn. Dorthin will auch Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens beim Bundeslandwirtschaftsministerium reisen und Gesprächsbereitschaft signalisieren. Unter dem Motto „Zukunft ohne Bauern? Es ist 5 vor 12! Treffen sich Teilnehmer der jeweils beiden nordrhein-westfälischen und rheinland-pfälzischen Bauernverbände und dem Obst- und Gemüseverband Rheinland. Im Vordergrund steht die Einschränkung von Pflanzenschutzmitteln.
Ziel ist die Rückbesinnung auf einen kooperativen Naturschutz, die Änderung im Baurecht für den Bau artgerechter Ställe und eine Absage an Extensive Wirtschaftsweisen im Rahmen des Klimaschutzes.
Der berufliche Dachverband DBV sieht das Thema differenzierter. Die Klimaschutzmaßnahmen sind aus Sicht des Deutschen Bauernverbandes machbar. Die 1,1 Milliarden Euro bis 2030 böten Möglichkeiten sowohl für die Erzeugung von Nahrungsmitteln als auch für die Bioenergie. Allerdings ginge im Bereich der Biokraftsstoffe noch mehr. Generalsekretär Bernhard Krüsken hat eine Erhöhung der Treibhausgasquote (Minderung im Vergleich zum fossilen Referenzwert) bis 2030 von sechs auf 16 Prozent. Die weitere Reduktion der Nitratüberschüsse steht bereits im DBV-Klimaprogramm aus dem Jahr 2018.
Harte Bandagen
Die Landesverbände äußern sich deutlicher. Albert Schulte to Brinke ist Präsident des Landvolks Niedersachsen und formuliert einen massiven Gesprächsbedarf bei der Ministerin an. Die Reduzierung der Stickstoffdüngung um 20 Prozent in den roten Gebieten mit Nitratüberschüssen sei „eine Mangelernährung unserer Kulturpflanzen“, die „jeglicher fachlicher Begründung“ entbehre. Schulte to Brinke bezeichnete das als „Eingriff in Eigentumsrechte“, wurde aber von Umweltminister Olaf Lies zurückgepfiffen. Grüne Kreuze und der Vorwurf des Verlustes von Eigentumsrechten sei ohne jedes Maß.
Die Landwirte müssten aufpassen, für was sie streikten, denn die Situation des Grundwassers in Niedersachsen verlange nach Handlungsbedarf [1].
Mehr Stickstoff oder mehr Geld?
Auf die Straße wollen am 22. Oktober die Milchbauern. Die haben einen für Verbraucher nachvollziehbaren Slogan: „Höhere Standards – nicht ohne bessere Preise möglich“. Peter Guhl ist Vorsitzender der MEG Milch Board und sagt: „Seit Jahren leiden wir unter viel zu niedrigen Erzeugerpreisen. Zusätzlich werden wir noch als Umweltzerstörer und Klimasünder öffentlich an den Pranger gestellt. Auf den Höfen hat die Stimmung ihren absoluten Tiefpunkt erreicht.“
Bei allen Demonstrationen dürften die Bauern nicht Eindruck erwecken, den Status quo erhalten zu wollen. „Das würde unser Bild in der Öffentlichkeit weiter verzerren und am Ende weder die Bauern noch die Öffentlichkeit den notwendigen Veränderungen näherbringen.“
Im Prinzip gehe es um die Frage: „Wer finanziert die Umweltstandards? Solange Brüssel in der zweiten Säule bei den Agrar- und Umweltstandards nur einen Kostenausgleich ohne Einkommenswirkung zulässt, dreht sich das Rad im Kreis. Und Deutschland ist offenbar derzeit nicht mehr gewillt, mehr Geld nach Brüssel zu überweisen.
Wer muss liefern?
Julia Klöckner und Svenja Schulze haben es schwer, eine gerechte Entlohnung umzusetzen. Der Verbraucher wird allein nicht tiefer in die Tasche greifen. Vor allem nicht, wenn die Wirtschaft weiter rezessive Tendenzen zeigt. „Die Landwirtschaft steht vor großen Veränderungen. Gesellschaft und Politik formulieren heute deutlich höhere Anforderungen an Tierhaltung, Ackerbau und Grünlandnutzung als noch vor einigen Jahren“, heißt es bei der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). In den letzten beiden Dekaden haben Betriebe Fremdkapital aufgenommen, um zu wachsen. Immer mehr lässt sich das nicht mehr refinanzieren. So hat auch Berater Andreas Lieke auf den Unternehmertagen der Deutschen Landwirtschats-Gesellschaft vor kurzem die „Großwetterlage“ beschrieben [2].
Die AbL formuliert Lösungen, die aber vor allem in Brüssel zur Hausaufgabe werden. Die Direktzahlungen sollen nicht mehr für jeden einzelnen Hektar gleich sein, sondern mit zunehmender sozialen und ökologischen Konditionierung ausbezahlt werden. Dazu gehört auch die Flächenbindung der Tierhaltung. Die Nutztier- und die Ackerbaustrategie hat Klöckner noch im Aufgabenheft für 2019. Wenn die neue Gemeinsame Agrarpolitik kommt, mindestens ein oder sogar zwei Jahre später als 2020, könnte auch die nationale Strategie mehr Verantwortung auf die Bundesländer legen. Denn die können auch nur mit dem die zweite Säule kofinanzieren, was in der Kasse ist.
Was alles zu tun ist
Nicht nur die Kohleregionen brauchen Hilfe beim Strukturwandel. Prof. Alois Heißenhuber von der Kommission Landwirtschaft am Umweltbundesamt hat vor dem Hintergrund der Proteste fünf Kernbereiche benannt, die im aktuellen Spannungsfeld zwischen Ökonomie und Ökologie bearbeitet werden müssen. Auf der Erzeugerseite müssen Ackerbau und Tierhaltung wieder zusammengeführt werden. Ein staatliches Siegel für Lebensmittel soll die Produktionsweisen mit ihren nicht eingepreisten Folgekosten dem Verbraucher sichtbar machen. Im Rahmen der Ernährungswende gehöre der Fleischkonsum auf den Prüfstand und die Landwirtschaft müsse in den Handelsabkommen mit Drittstaaten mit Nachhaltigkeitsaspekten versehen werden. Die Digitalisierung mit der Optimierung von Betriebsmitteln sei ein guter Ansatz.
Einen anderen Ansatz hat der Veredlungstag des DBV hervorgebracht. Um die Investitionen in einen artgerechten Stall zu finanzieren, könnte auf Milch und Fleisch ein „Tierwohl-Soli“ erhoben werden. Schließlich müssten die Landwirte für alle Tierarten jährlich fünf Milliarden Euro für Um- und Neubau aufbringen.
Lesestoff:
[1] Erst Anfang Oktober hat der Europäische Gerichtshof einem Kläger für sauberes Trinkwasser aus seinem Hausbrunnen statt gegeben: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/eugh-erlaubt-privatklage-gegen-nitratwerte.html
[2] Los geht´s – Landwirtschaft https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/los-gehts-landwirtschaft.html
Roland Krieg