Den Bauern lacht die Sonne
Landwirtschaft
Situationsbericht 2011
„Die Landwirtschaft kommt aus einem dunklen Keller, hat die Tür auf der obersten Kellertreppe aufgestoßen und blickt seit längerer Zeit einmal wieder in die Sonne, ohne allerdings deren volle Wärme zu spüren“. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner wählte poetische Worte bei der Vorstellung des Situationsberichtes 2011 am Dienstag in Berlin. Die Bauern befinden sich an einem Wendepunkt. Gebeutelt durch widriges Wetter und Wirtschaftskrise, zeigen die Parameter der letzten Monate wieder nach oben. Auch wenn deren Auswirkungen erst im laufenden Wirtschaftsjahr zum Tragen kommen.
Der Blick zurück
Zunächst hat sich das Wirtschaftsjahr 2009/2010 noch
einmal verschlechtert. Nach einem Rückgang der Betriebsergebnisse um 25 Prozent
im Vorjahr, lagen sie noch einmal um sieben Prozent darunter. Das Unternehmerergebnis
fiel auf 30.800 Euro. Damit erzielte eine Arbeitskraft in der Landwirtschaft
nur noch 22.000 Euro. Umgerechnet auf den monatlichen Verdienst hat ein Bauer
brutto nur noch 1.830 Euro verdient und muss von diesem Geld seine Steuern,
Sozialabgaben bezahlen und investieren.
Trotz einer guten Ernte im Jahr 2009 haben die
Ackerbauern ihren Gewinn um 22 Prozent auf 32.200 sinken sehen. Sie haben dabei
Sparpotenzial ausreizen müssen. So ging der Düngemittelaufwand um 32 Prozent
zurück. Auch bei Energie und Saatgut wurde gespart, so Sonnleitner.
Die Milchviehbetriebe hingegen konnten um zwei Prozent
zulegen, wobei der Milchpreis erst in der zweiten Jahreshälfte das Krisenniveau
hat überwinden können. Im Oktober lag der Milchpreis wieder durchschnittlich
bei 36,2 Cent je Kilogramm.
Die Veredlungsbetriebe konnten ihr gutes Ergebnis nicht
halten und fuhren mit 41.500 Euro einen um 11 Prozent niedrigeren Gewinn ein.
Als besonderes Problem bezeichnete Sonnleitner den Rückgang der deutschen
Ferkelproduktion. Das gefährde den Selbstversorgungsgrad an Ferkeln. Hier
rücken dänische und niederländische Ferkel nach.
Verluste mussten auch die Ökobetriebe hinnehmen. Ihr
Unternehmensergebnis sank um 15 Prozent auf 39.000 Euro. Allerdings sind der Analyse der
Betriebe 60 Prozent Milchviehbetriebe enthalten, die wegen des niedrigen
Milchpreises das Ergebnis besonders schmälerten.
In der Summe konnten nur noch 33 Prozent aller Betriebe
eine nachhaltige Eigenkapitalbildung in Höhe von mehr als 10.000 Euro bilden. Die
Bruttoinvestition sank um 16 Prozent auf 30.200 Euro.
Der Blick nach vorn
Mehr als versöhnlich lassen die letzten Monate die
Bauern in die Zukunft blicken. Gerd Sonnleitner geht auch in den nächsten sechs
Monaten von einem guten Ergebnis aus. Durch den weltweiten Aufschwung steige
die Nachfrage nach Fleisch, Milchprodukten sowie Obst und Gemüse. Die Bauern
bereiten sich offenbar auch auf den Wandel der Agrarwirtschaft vor. Rund ein
Viertel der betriebe hat in den vergangenen drei Jahren im Durchschnitt netto jährlich
52.000 Euro investiert. „Das ist ein sehr, sehr guter Wert“, kommentiert Sonnleitner.
Das Zugpferd der bäuerlichen Investitionen ist der
Bereich der erneuerbaren Energien. Im kommenden Halbjahr sollen etwa sieben
Milliarden Euro schwerpunktmäßig in die Bioenergie investiert werden. Das hat
den Strukturwandel wohl auch verlangsamt. Diese gewerblichen Investitionen
finden sich nicht in den landwirtschaftlichen Büchern wieder, aber vor allem
die Neben- und Zuwerbsbetriebe finden hier neue Einkommensmöglichkeiten, ihre
Landwirtschaft weiter aufrecht zu erhalten.
Der Blick nach ganz weit vorne
Versöhnliche Worte fand Sonnleitner für den
Reformvorschlag von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos. EU-Umweltkommissar Janez
Potocnik habe ihm erst kürzlich bestätigt, dass Deutschland die Agrarreform von
2003/2004 „am Besten“ umgesetzt habe. Die Produktion ist entkoppelt, Grünland
der Wertigkeit des Ackerlandes gleichgestellt. Das „greening“ der GAP-Reform
flöße Sonnleitner „keinen Schrecken“ ein. Es gebe zwar noch Fragen zu klären,
was beispielsweise ein „aktiver Landwirt“ ist. Insgesamt aber sei der Vorschlag
aus Brüssel eine gute Grundlage für die weitere Diskussion. Kompromisse stehen
dabei im Vordergrund. Sonnleitner wandte sich gegen ein Ausspielen zwischen Ost
und West, zwischen kleinen und großen Betrieben. Es solle keine „neidgeführte
Umverteilungsdebatte geführt“ werden. Stattdessen lohne sich das Engagement in
den Abbau der Bürokratie. Der Bauernpräsident ist zuversichtlich, dass bis
spätestens Anfang 2013 eine Einigung über die Reform erzielt werde. Der
Schlüssel werde aber weniger in der Agrarpolitik, denn mehr bei der
Finanzpolitik liegen.
Ressourcenschutz
Der Situationsbericht gibt dem Bauernverband
Gelegenheit, sich einem Thema besonders zu widmen. Im neuen Bericht liegt der
Schwerpunkt, und damit die deutsche und europäische Diskussion verbindend, beim
Ressourcenschutz. Die Land- und Forstwirte bewirtschaften mehr als vier Fünftel
der Fläche Deutschlands und stehen dabei immer Fokus. Der Situationsbericht will
mit seinem Schwerpunkt die Teller-Tank-Diskussion versachlichen. Mehr als 40 nähern
sich dem Thema mit den Kapiteln Technischer Fortschritt, Risikomanagement,
Biodiversität, Klimaschutz, nachwachsende Rohstoffe und erneuerbare Energien
an.
Klimaschutz und Landwirtschaft
Die Landwirtschaft hält 446 Millionen Tonnen Kohlendioxid in einem Kreislauf. Während 237 Millionen Tonnen mit der ernte abgefahren werden, verbleiben 229 Millionen Tonnen im Boden. Mikroben bauen den Großteil wieder ab, ein Rest wird zu Humus aufgebaut und der Atmosphäre dauerhaft entzogen.
Lesestoff:
Den neuen Bericht finden Sie unter www.situationsbericht.de
Roland Krieg; Fotos: roRo; Grafik: DBV, Situationsbericht 2011