Den Dörfern Frieden

Landwirtschaft

Seehofer sucht Koexistenz mit der Forschung

Als die Bundesregierung Ende der letzten Woche die überfällige Haftungsregelung auf den Herbst verschob, schien es so, als hätten alle Beteiligten den Atem angehalten. Kein überlautes Lamentieren über verpasste Chancen und kein hörbares Aufatmen über vermiedene voreilige Beschlüsse. Und in diese Stille hinein forderte Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer am Mittwoch nach einem Treffen der Landtags-CDU: „Ich möchte nicht, dass wir den Unfrieden in die Dörfer tragen.“ Friedensengel Seehofer kennt seine bayrische Heimat: Die Angst der Bauern über eine ungewollte Auskreuzung bei den kleinteiligen bayrischen Flächenverhältnissen, das Wachsen der gentechnikfreien Flächen und die Drohung des Babynahrungsherstellers Hipp, seine Produktion in das Ausland zu verlagern.

Forschung unbedingt, aber Skepsis über den Anbau
Gestern abend nutzte Seehofer die Gelegenheit einer Diskussion über die Grüne Gentechnik in der Berlin-Brandenburgischen Akademie am Gendarmenmarkt, seinen Standpunkt genauer darzulegen. Die Diskussion war das 22. ZEIT Forum der Wissenschaft und wurde größtenteils live im Deutschlandradio übertragen.
Der Bundesminister zog Parallelen zu seiner Zeit als Gesundheitsminister und der damaligen Debatte über die Rote Gentechnik. Diese habe mittlerweile Akzeptanz gefunden, weil sie öffentlich diskutiert wurde, ihre Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit darlegen konnte. Über die Grüne Gentechnik sagte er, er sei „schon einmal froh, dass wir zwischen Forschung und kommerziellen Anbau unterscheiden.“ Aktuelle Fragen über die Gentechnik müssen durch Forschung, auch durch Freilandforschung eindeutig beantwortet werden. Und diese müsse in Deutschland stattfinden. „Wir können es uns nicht leisten, Nichtwissen zu pflegen und am Ende auf zweifelhafte Daten angewiesen zu sein“, wiederholte er den bayrischen Landwirtschaftsminister Josef Miller, der in der kommenden Woche den Bericht über den bayrischen Erprobungsanbau unter www.landwirtschaft.bayern.de veröffentliche will. Seehofer will die Forscher einladen, sich zu äußern, was sie denn gerne noch wissen wollten, um dann zusammen mit den Skeptikern der Gentechnik, die Experimente sicher umzusetzen. Er warnte die Wissenschaft aber auch vor der Gutgläubigkeit über ihre Ergebnisse: Den notwendigen Mindestabstand von gentechnisch verändertem Mais zum Nachbarfeld erst mit 20 Metern und jetzt durch Wiederholungsversuche mit 150 Metern festzulegen löse in der Bevölkerung Misstrauen aus. Gar nicht gehe es, dass verschiedene Länder bei den gleichen Pflanzen unterschiedliche Abstandsregeln haben. So gelten in den Niederlanden nach Angabe der Bauernstimme 25 Meter Mindestabstand zu konventionellem Mais, 75 Meter zu ökologischem Mais und gar 250 Meter zu Saatgutvermehrungsflächen – als würde der Pollenflug je nach Standort und Anbauform seine Weite variieren. Seehofer will ein einheitliches EU-Recht mit einheitlichen Regeln durchsetzen, um die von ihm geforderte Transparenz zu erzielen.
Weitaus skeptischer steht er dem kommerziellen Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen gegenüber. Wenn Bt-Mais, der gegen den Maiszünsler resistent ist, in den Regionen angebaut werde, wo es keinen Zünsler gebe, dann fehle auch ihm das Verständnis. Tiefes Pflügen und das Verändern der Fruchtfolge kann den Schaden genauso gut beheben und gibt damit dem Verdacht von Heiner Petersen Recht.
Petersen ist Biobauer auf dem Gut Wilmersdorf in Brandenburg und hegte den Verdacht, dass in der Oderregion der Maiszünsler auf konventionellem Wege nicht ausreichend bekämpft werde, um für den Bt-Mais besserer Argumente zu haben. Angesichts der Forschungsgelder, die für die Gentechnik ausgegeben werden, fürchtet er sogar noch die zukünftigen Werbekampagnen der Industrie. Mit dem Geld würden gentechnisch veränderte Lebensmittel so intensiv beworben, dass die Verbraucher irgendwann auch einmal zugreifen würden.

Forschung: wertfrei oder zügellos?
Bauernpräsident Gerd Sonnleitner hatte es auf der Mitgliederversammlung in Magdeburg anfangs der Woche bei dem Thema Vogelgrippe bereits gesagt: Holländische Wissenschaftler halten die derzeitigen Impfstoffe für einsatzfähig, deutsche Experten raten derzeit ab – wem soll die bäuerliche Standesvertretung glauben? So zeigten auch die Vertreter der Wissenschaft in der Diskussion unterschiedliche Blickwinkel. Dr. Beatrix Tappeser, Leiterin im Fachgebiet „Bewertung gentechnisch veränderter Organismen/Gentechnikgesetz“ beim Bundesamt für Naturschutz, spricht nicht gegen die Forschung, weist aber darauf hin, dass jeder Freilandversuch durch die Verschiedenheit der einwirkenden Parametern äußerst unsicher sei. Bei dem neuesten Trend der Pflanzen mit pharmakologischen Wirkstoffen stellten sich eine ganze Reihe neuer Fragen. Prof. Hans-Jörg Jacobsen vom Institut für Pflanzengenetik an der Universität Hannover sieht in dem Freilandanbau vom „Pharmapflanzen“ keine Zukunft für die Freilandhaltung. Die erforderlichen Wirkmengen sind so gering, die könne man im Gewächshaus unter kontrollierten Bedingungen besser erzielen. Zudem gebe es auf dem Feld immer die Gefahr, dass jemand mit einem abgerupften Blatt verschwindet und die teuer entwickelten Pflanzen kopiert. Er beklagte, dass rund 20 Prozent seiner Stipendiaten bei einem Aufenthalt in den USA anschließend gleich dort blieben und forschen. Prof. Dr. Lothar Willmitzer, Direktor des Max-Planck-Instituts für Pflanzenphysiologie hält gentechnisch veränderte Lebensmittel deshalb für die sichersten, weil sie am aufwändigsten und genauesten auf Toxizität und allergene Effekte getestet wurden. Er glaubt, dass deshalb die meisten Gelder in die Gentechnikforschung fließen, weil diese in den Universitäten und den Laboren bereits generell als Routinewerkzeug eingesetzt wird.

AG Innovative Landwirte
Für viele Forscher ist Pflanzenbiotechnologie eine Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts. Die Mehrheit der Bauern und die Mehrheit der Verbraucher fragen diese Produkte aber nicht nach. Damit die Bauern jetzt eine eigene Plattform haben, wenn sie gentechnisch veränderte Pflanzen anbauen wollen, hat die Firma InnoPlanta, die den Erprobungsanbau durchführt, am 15.06. die „Arbeitsgemeinschaft Innovative Landwirte im InnoPlanta e.V.“ (InnoPlanta AGIL) gegründet. Herd-und-Hof.de stieß auf der Mitgliederversammlung des Deutschen Bauernverbandes (DBV) in Magdeburg darauf. Geschäftsführer der InnoPlanta Hans Strohmeyer sagte, es sei keine Notwehr gewesen, diese Interessensgruppe zu gründen. Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erzeuge aber überall sehr viel Gegenwind, wobei die AG den anbauwilligen Bauern ein Forum geben möchte, anzubauen, was sie möchten. Zur Zeit gibt es 23 Landwirte, die überwiegend aus Sachsen-Anhalt, Mecklenburg und Brandenburg kommen. Ein Niedersachse unterstützt die Idee auch, sagte Strohmeyer. Die Gemeinschaft hat ihre Aufgaben in ein Positionspapier gebracht und will „die Chancen und Potenziale der Pflanzenbiotechnologie nutzen“.
Die „InnoPlanta AGIL wird sich in den gesellschaftlichen Diskussionsprozess zur Grünen Biotechnologie aktiv einbringen.“
Gefordert wird eine „friedliche Koexistenz“ und keine Diskriminierung des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen.

Knöllchen ohne Bakterien
Rhizobien sind Bakterien, die sich in der Schleimschicht von Wurzeln ansiedeln, um sich von ihm zu ernähren. Als Gegenleistung sind sie in der Lage Stickstoff zu binden und an die Pflanze abzugeben. Diese Wechselwirkung, Symbiose genannt, zeichnet Leguminosen aus, die deshalb gerne in der Landwirtschaft angepflanzt werden, damit Stickstoffreserven des Bodens erschlossen werden können. Klee ist beispielsweise so eine Leguminose.
Rhizobium und Pflanze erkennen sich an abgesonderten Lektinen. Das sind Proteine des Wurzelhaares, die sich gerne an Polysaccharide binden, die an der Oberfläche des Bakteriums sitzen. Auf diese Weise bildet das Wurzelhaar einen „Infektionsschlauch“ aus, in dem die Bakterien praktisch in das Rindengewebe wandern. Die Pflanzenwirtszelle bildet dabei aus Gewebe eine Membran, in der sich die Bakterien einnisten und Stickstoff liefern, der als Aminosäure an die Pflanze weiter gegeben wird. Der Nachteil: Nicht-Leguminosen gehen keine Symbiose mit den Rhizobien ein und können den Stickstoff nicht nutzen.
So schauen die Wissenschaftler neidisch auf Klee und Bohnen und wollen die Stickstoffbindung auch ohne Knöllchenbakterium hinbekommen. Denn die intensive Landbewirtschaftung kommt ohne anorganischen Dünger nicht aus, um hohe Erträge zu erzielen. Rund die Hälfte der Kosten für fossile Energien einer Feldfrucht wird für die Herstellung für anorganischen Dünger verwendet. Wird dieser nicht vollständig von der Pflanze genutzt, dann gehen überschüssige N-Mengen in das Grundwasser und führen zu Umweltproblemen.
Vor diesem Hintergrund hat der britische Wissenschaftler Dr. Giles Oldroyd Forschungen forciert, die Symbiosewirkung zwischen Pflanze und Bakterium besser zu verstehen. Dabei identifizierte er ein Gen, dass Leguminosen benötigen, um dem Rhizobium die Knöllchenbildung zu ermöglichen. Das Biotechnology and Biological Scienes Research Council teilte zusammen mit der Royal Society und der US National Science Foundation mit, dass es gelungen sei, die Knöllchenbildung zur N-Fixierung in Leguminosen zu initiieren ohne das ein Rhizobium dabei gewesen ist. Auf dieser Grundlage wollen sie die N-Fixierung auch auf andere Pflanzen übertragen. Zu der Arbeit, die gestern in „Nature“ erschienen ist, sagte Dr. Oldroyd: „Wir haben nun ein gutes Verständnis über die Aktivierung der Knöllchenbildung gewonnen. Das Knöllchen ist eine essentielle Komponente der Stickstofffixierung, weil es für das Rhizobium eine wichtige Umgebung darstellt. Die Knöllchen werden in der Regel nur in Anwesenheit des Bakteriums gebildet. Da wir nun Knöllchen ohne Bakterium bilden können, haben wir einen wichtigen Schritt gefunden, diese Erkenntnisse auf Nicht-Leguminosen zu übertragen. Sollte das gelingen, dann könnten wir den Bedarf an anorganischem Stickstoff drastisch verringern und damit die Umweltverschmutzung und den Energiebedarf verringern. Bis zur Knöllchenbildung in Nicht-Leguminosen liegt aber noch viel Arbeit vor uns.“
Die Forschung wurde John Innes Centre durchgeführt. Mehr unter www.bbsrc.ac.uk

Roland Krieg

Zurück